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Brexit: Einheit in Gefahr – Großbritannien riskiert im Streit den Zerfall


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Einheit in Gefahr
Großbritannien riskiert im Brexit-Streit den Zerfall


Aktualisiert am 26.06.2019Lesedauer: 3 Min.
Boris Johnson und Jeremy Hunt: Einer von ihnen wird Nachfolger von Theresa May – und um die Einheit Großbritanniens kämpfen müssen.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson und Jeremy Hunt: Einer von ihnen wird Nachfolger von Theresa May – und um die Einheit Großbritanniens kämpfen müssen. (Quelle: getty-images-bilder)
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Für einige Torys geht es nur noch darum, die EU so schnell wie möglich zu verlassen. Dafür würden sie eine Spaltung des Vereinigten Königreichs in Kauf nehmen – sogar die Zerstörung der eigenen Partei.

Der Streit um den Brexit hat Großbritannien tief gespalten und Theresa May das Amt der Premierministerin gekostet. Die Spaltung hat nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Dimensionen. Das Vereinigte Königreich bräuchte dringend eine politische Figur, die diese Krise nicht nur moderieren, sondern auch lösen könnte. Mit Boris Johnson bekämen die Briten einen polarisierenden Politiker: Für die einen ist er eine Art Messias – für die anderen pure Provokation.

Johnsons Linie beim Brexit ist eindeutig: Er will den EU-Austritt unter allen Umständen bis zum 31. Oktober vollziehen; zur Not gegen alle Widerstände auch ohne Deal. Mehr noch: Für Johnson ist die Drohung mit einem Brexit ohne Abkommen fundamentaler Bestandteil seiner Verhandlungstaktik mit der EU, um doch noch Änderungen am Austrittsabkommen durchzusetzen – was die EU rigoros ablehnt.

Tory-Mitglieder: Für den Brexit auch das Vereinigte Königreich opfern

Mit dieser scheinbar harten Haltung punktet Johnson bei den Brexit-Hardlinern, die bei den Torys in der Mehrheit sind und erntet fundamentale Ablehnung bei allen gemäßigten Brexit-Befürwortern und Brexit-Gegnern. Das Problem: Johnson hat den Brexit-Gegnern absolut nichts anzubieten. Keiner seiner politischen Konkurrenten kann "ein bisschen" für Johnson sein.

Mit seiner polarisierenden Art verstärkt Johnson die Spaltung in Großbritannien eher, als dass er das Land vereint. Vor allem innerhalb der konservativen Partei hat das zu einer Radikalisierung der politischen Ansichten geführt. Die Mehrheit der Tory-Anhänger will unbedingt den Brexit – ganz egal, welche Konsequenzen er für das Land, für sie selbst oder die eigene Partei hat. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Mitte Juni erklärten 63 Prozent der befragten Tory-Mitglieder, dass sie eher ein Auseinanderfallen des Vereinigten Königreichs mit der Abspaltung Schottlands in Kauf nehmen würden, als den Brexit aufzugeben. 59 Prozent würden für den Brexit die Einheit mit Nordirland opfern und 61 Prozent würden für den EU-Austritt signifikante wirtschaftliche Verluste hinnehmen.

Nur Corbyn schreckt die Brexit-Hardliner ab

Sogar die Zerstörung der eigenen Partei ist für 54 Prozent der Torys kein Grund, auf den Brexit zu verzichten. Nur wenn ein Brexit bedeuten würde, dass Labour-Parteichef Jeremy Corbyn Premierminister werden würde, würden die Tory-Mitglieder auf den EU-Ausstieg lieber verzichten.

Zur Erinnerung: Es sind genau diese Befragten, die jetzt in einer Briefwahl über den zukünftigen Premierminister Großbritanniens entscheiden und die Wahl haben zwischen dem Brexit-Hardliner Johnson und dem gemäßigten Brexit-Befürworter Jeremy Hunt.

Schottische Regierung: Neues Unabhängigkeitsreferendum unter Johnson

Das Ende der Einheit Großbritanniens unter Johnson wird auch von Politikern als reale Gefahr gesehen. Für die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ist der frühere britische Außenminister Boris Johnson als britischer Premierminister eine "Horrorvorstellung". Er sei in den Augen der meisten Schotten "vollkommen ungeeignet", sagte Sturgeon dem "Spiegel". Sollte Johnson das Rennen machen, werde dies die schottische Unabhängigkeitsbewegung stärken, sagte Sturgeon voraus. Sie sei sich sicher, dass es noch vor Ablauf der Legislaturperiode in Schottland ein zweites Unabhängigkeitsreferendum geben werde. Das könnte schon 2020 der Fall sein. 2014 hatten sich die Schotten in einem Referendum mit 55,3 zu 44,7 Prozent für einen Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen.

Johnons Konkurrent Hunt befand es für notwendig zu erklären, er werde "mit jedem Tropfen Blut in seinen Adern" für die Einheit Großbritanniens kämpfen. Er werde als Premierminister niemals zulassen, dass das Königreich zerfalle. Er fügte hinzu: "Ich würde keinen Preis der Welt zahlen, wenn das bedeuten würde, dass Schottland unabhängig werden würde."

Bei No-Deal droht Johnson ein Misstrauensvotum

Sollte Johnson neuer Premierminister werden und es auf einen No-Deal-Brexit ankommen lassen, ist es alles andere als sicher, dass er damit durchkommt. Das britische Parlament hat sich bereits im März klar gegen einen Brexit ohne Abkommen ausgesprochen. Sollte Johnson den Austritt ohne Deal dennoch durchdrücken wollen, droht ihm ein Misstrauensvotum. Für diesen Fall hat Verteidigungsminister Tobias Ellwood bei der BBC bereits angekündigt, dass rund ein Dutzend der Tory-Abgeordneten gegen Johnson stimmen könnte. Würde Johnson das Misstrauensvotum verlieren, dann gäbe es – vorausgesetzt es findet sich kein anderer Kandidat mit einer Mehrheit im Parlament – Neuwahlen.


Das wiederum könnte eine ganz andere und nicht weniger polarisierende Gestalt in den Mittelpunkt rücken. Nigel Farage lauert mit seiner Brexit-Partei auf seine Chance. Er könnte bei Neuwahlen die frustrierten Brexit-Anhänger und alle, die einfach ein Ende des Austiegdramas wollen, auf seine Seite ziehen. Bei der letzten Europawahl war die Brexit-Partei aus dem Stand heraus die erfolgreichste Partei in Großbritannien.

Verwendete Quellen
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