Nato-Gipfel in Brüssel Das große Zittern vor Donald Trump
Überlebt die Nato Trumps Präsidentschaft? Der Streit um Verteidigungsausgaben droht auf dem Gipfel am Mittwoch zu eskalieren. Besonders Deutschland muss mit heftiger Kritik rechnen.
Hunderte Diplomaten, Minister und Nato-Beamte bereiten seit Monaten den Gipfel des mächtigsten Militärbündnisses der Welt vor. Über 30 Seiten lang soll die Abschlusserklärung des Brüsseler Treffens am Mittwoch und Donnerstag werden. Doch es gibt einen großen Unsicherheitsfaktor: US-Präsident Donald Trump.
Trump hatte schon den letzten Gipfel wegen des Streits um zu niedrige Verteidigungsausgaben der Europäer zum Desaster werden lassen. Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss weiter harsche Kritik fürchten.
"Wie ein Damokles-Schwert"
Neue Kommandozentralen, binnen 30 Tagen verlegbare Kampfverbände, Ausbau der Ausbildungsmission im Irak und eine Einladung zu Beitrittsgesprächen an Mazedonien – neben der Bekräftigung der seit der Ukraine-Krise geltenden Doppelstrategie aus Abschreckung und Dialogangeboten gegenüber Russland sind das wesentliche Beschlüsse, die von den 29 Staats- und Regierungschefs gefasst werden sollen.
Doch niemand wisse, was Trump in Brüssel wegen des Dauerkonflikts um höhere Verteidigungsausgaben machen werde, sagt ein Nato-Diplomat. "Das hängt wie ein Damokles-Schwert über dem Gipfel."
Schon im Wahlkampf hatte Trump die Nato-Beistandsgarantie für Mitglieder in Frage gestellt, die nicht genug für Verteidigung ausgeben. Kurz vor seinem Amtsantritt nannte er das Bündnis sogar "obsolet". Bei seinem ersten Gipfel im Mai 2017 hielt er den anderen Staats- und Regierungschefs wegen der Verteidigungsausgaben eine Standpauke – und bekannte sich erst Wochen später erstmals zur Nato-Beistandsgarantie.
Uneinigkeit mit Merkel
"Mindestens" zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung muss jedes Nato-Mitglied aus Trumps Sicht für Verteidigung ausgeben. Nur drei europäische Länder schaffen das bisher. Dorn im Auge ist Trump vor allem das wirtschaftsstarke Deutschland. Es kommt seit Jahren nur auf 1,2 Prozent und ist gleichzeitig Hauptverursacher des hohen EU-Exportüberschusses im Handel mit den USA, wegen dem Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa verhängt hat.
Anfang Juni versprach Merkel dann zumindest 1,5 Prozent Verteidigungsausgaben bis 2025. Doch Trump ist das zu wenig. Die USA trügen praktisch die gesamten Nato-Kosten, während viele europäische Länder "lachen" und "uns im Handel abzocken", schimpfte er einige Tage später auf Twitter. Das könne so nicht weitergehen.
Wenn Trump die Lastenteilung "zum Kriegsgrund macht, können viele Dinge passieren", sagt der Nato-Diplomat. Über sie wird seit Wochen spekuliert, nachdem Polen den USA zwei Milliarden Dollar angeboten hat, um umfangreiche Truppenteile in dem osteuropäischen Land zu stationieren. Das Pentagon dementierte dann Anfang Juli einen Bericht der "Washington Post", die USA könnten gar einen Großteil ihrer 35.000 Soldaten aus Deutschland abziehen.
Fällt Trump in Putins Arme?
"Auch wenn Trump viel redet, er hat keine Truppen aus Europa abgezogen", sagt Elisabeth Braw vom Center for European Policy Analysis. "Tatsächlich hat er sie seit seiner Amtsübernahme aufgestockt." So übernahmen die USA in Polen die Führung über eines von vier Bataillonen, die von der Nato wegen der Annektion der Krim als Warnung an Moskau nach Osteuropa geschickt wurden.
Dennoch ist die Verunsicherung groß, ob die USA im Ernstfall noch für europäische Bündnispartner militärisch in die Bresche springen würden. "Ob die Nato seine Präsidentschaft überlebt, könnte sehr wohl zur Debatte stehen", sagt Tobias Bunde, Leiter Politik und Analyse bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Mit gemischten Gefühlen wird im Bündnis auch Trumps bilateralem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin kurz nach dem Nato-Gipfel in Helsinki entgegen gesehen. "Das Risiko ist, dass er vollkommen frustriert von diesem Gipfel abreist, weil die europäischen Politiker ihm nicht das versprochen haben, was er will", sagt Expertin Braw. "Und dann fällt er ein paar Tage später in die Arme von Putin und ist ihm gegenüber großzügiger als er sein sollte."
- afp