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Angela Merkels Besuch in China: Was Duisburg hilft, kann der Welt schaden


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Merkel-Besuch in China
Was Duisburg hilft, kann der Welt schaden


Aktualisiert am 23.05.2018Lesedauer: 5 Min.
Der "Yuxinou"-Zug fährt 2014 in Duisburg ein: Die Verbindung nach China soll der hoch verschuldeten Stadt helfen.Vergrößern des Bildes
Der "Yuxinou"-Zug fährt 2014 in Duisburg ein: Die Verbindung nach China soll der hoch verschuldeten Stadt helfen. (Quelle: Federico Gambarini/dpa)
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Chinas Führung baut ihren Einfluss weltweit systematisch aus. Das geht gut voran, weil Unternehmen, Städte und Länder zunächst profitieren. Doch die Vorzüge haben einen Preis.

Duisburg ist nicht gerade als Metropole bekannt. Würde ein Europäer eine Karte zeichnen, auf der die politisch und wirtschaftlich wichtigsten Städte der Welt verzeichnet sind, Duisburg wäre wahrscheinlich nicht abgebildet. Es gibt aber Karten, auf denen das anders ist. Diese Karten zeigen die Welt aus chinesischer Perspektive: In dieser neuen chinesischen Welt spielt Duisburg eine entscheidende Rolle.

In der Stadt im Ruhrgebiet befindet sich der größte Binnenhafen Europas. Eine Eisenbahnlinie verbindet Duisburg mit chinesischen Wirtschaftszentren, die Gleise führen Tausende Kilometer durch Europa und Asien. Mittlerweile kommen jede Woche rund 25 Züge aus China an. Der Duisburger Hafen liegt auf der neuen Seidenstraße, dem derzeit vermutlich ambitioniertesten geostrategischen Projekt der Welt.

Im Kleinen profitieren Städte wie Duisburg

China ist schon länger Deutschlands wichtigster Handelspartner – vor den Niederlanden und den USA. Wenn Kanzlerin Angela Merkel jetzt in Peking und Shenzhen Chinas Präsidenten Xi Jinping trifft, begegnet sie also einem wichtigen Partner. Aber auch einem womöglich gefährlichen Rivalen.

Die chinesische Führung baut seit Jahren gezielt und systematisch ihre Macht aus: nicht durch Waffen, sondern durch Geld, Straßen, Häfen und Eisenbahntrassen. Zusammen ergeben sie die neue Seidenstraße. Im Kleinen, Projekt für Projekt, profitieren Wirtschaft und Politik von chinesischem Geld. Deshalb machen sie gern mit.

Auch in Deutschland. Gerade auch in Duisburg.

Doch im Großen, alle Projekte zusammengenommen, wächst so auch der Einfluss der brutalen Einparteien-Diktatur, die sich um demokratische Mitbestimmung und Menschenrechte wenig schert. Man kann es so formulieren: Was Duisburg hilft, kann der Welt schaden.

In Afrika ist China schon die wichtigste Weltmacht

Über die alte Seidenstraße wurde bis zum späten Mittelalter der Großteil des Handels zwischen Europa und Asien abgewickelt. Doch nach und nach ersetzten marine Handelsflotten den Transport quer über den Kontinent, durch Wüsten und über Berge. Die Seidenstraße verfiel – und mit ihr viele Städte. Von der alten Route blieb vor allem der Mythos.

Die neue Seidenstraße, offiziell "Belt and Road Initiative", verheißt von neuem blühende Städte. Neue Chancen. Reichtum. Glanz. Neuen Handel, zwischen Duisburg und Rotterdam, Piräus und Moskau, Budapest und Teheran, Xi’an und Peking, Hongkong und Jakarta, Nairobi und Dschibuti. Und für China: viele Möglichkeiten, die Welt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. In Afrika ist China längst die beherrschende Weltmacht – in anderen Teilen der Welt will die Führung um Xi das auch erreichen.

Auf einer Werbeveranstaltung für das Projekt machten Vertreter aus 130 Staaten Präsident Xi Jinping ihre Aufwartung: Der russische Präsident Wladimir Putin war gekommen, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der ungarische Premier Viktor Orbán, der griechische Premier Alexis Tsipras; auch der britische Schatzkanzler Philip Hammond.

Sie alle hoffen, von Xis Großprojekt zu profitieren.

Der Hafen von Piräus wird ausgebaut

In Duisburg ist das heute schon so. In Nordrhein-Westfalen sind viele Städte sehr hoch verschuldet – aber kaum eine ist pro Kopf so hoch verschuldet wie Duisburg. Obwohl die Arbeitslosenquote seit einer Weile sinkt, liegt sie immer noch bei 11,7 Prozent. Der Stadtteil Marxloh ist deutschlandweit zum Synonym für Brennpunktviertel geworden.

Als sich also Xi Jinping vor vier Jahren während einer Deutschlandreise den Hafen zeigen ließ, ließ das hoffen – auf Investitionen und neue Jobs im Hafen. Der Oberbürgermeister Sören Link formulierte das so: "Ich erwarte, dass Duisburg als Investitionsstandort für chinesische Firmen attraktiv wird, sodass unterm Strich für Duisburg einerseits Arbeitsplätze, andererseits Wirtschaftswachstum zu erwarten sind."

Ähnlich sieht es in Piräus aus. Dort hat vor zwei Jahren eine chinesische Gesellschaft, die vom Staat kontrolliert wird, den Hafen übernommen, als Griechenland gezwungen war, Staatsbesitz zu privatisieren. Im Gegenzug verpflichteten sich der Käufer, Hunderte Millionen Euro zu investieren. Seitdem brummt der Hafen von Piräus, der wichtigste in Griechenland.

Deutsche Wirtschaft will von China profitieren

Es gibt viele solcher Geschichten von überall auf der Welt. Beispiele für chinesische Investitionen, manchmal auch an Orten, an denen private Unternehmen das Risiko scheuen. Chinas Staatskonzerne müssen das nicht. Sie können viel Geld ausgeben. Sie kaufen Häfen in Spanien, Italien, Belgien und Sri Lanka. Nicht nur Städte wie Duisburg sehen darin eine große Chance.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer, die große Teile der Wirtschaft vertritt, forderte kürzlich, Deutschland solle versuchen, stärker von der Neuen Seidenstraße zu profitieren. "Es ist besser für die deutsche Wirtschaft, wenn wir uns frühzeitig beteiligen", sagte DIHK-Außenhandelschef Volker Treier. Deutsche Unternehmen könnten davon kurz-, mittel- und langfristig profitieren. Also: immer.

Auch Vertreter anderer Unternehmensorganisationen und internationale Großbanken äußern sich ähnlich. Wo Geld fließt, ist Geld zu verdienen.

Unabhängig von der Seidenstraße kaufen chinesische Investoren Firmen auf – in Deutschland besonders stark Technologiefirmen. Kurzfristig bringt das Geld. China selbst nennt seine Strategie offiziell "Win-win-Kooperation". Also: beide Seiten gewinnen. Alle sind zufrieden.

Aber ist das wirklich immer so?

Antibetrugsbehörde ermittelt in Piräus

In Piräus ermittelt die EU-Antibetrugsbehörde wegen des Verdachts, dass der Hafen für Zoll- und Steuerbetrug genutzt wird. Kleinere Staaten verschulden sich hoch, um Straßen und Bahnlinien zu bauen und Teil der Seidenstraße werden zu können. Sie verkaufen, wie in Piräus, Staatsbesitz und geben damit Kontrolle aus der Hand. Viele Unternehmen fürchten, dass ihre Technologien gestohlen und kopiert werden, wenn sie mit chinesischen Firmen zusammenarbeiten – die vielen Übernahmen im Hochtechnologiesektor erklären Beobachter mit Chinas Versuch, sich Wissen zuzukaufen, das dann für Neuentwicklungen genutzt werden kann.

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Dazu kommt die politische Loyalität, die aus wirtschaftlicher Abhängigkeit erwachsen kann. Loyalität zu einem Staat, der seit Jahrzehnten eine Diktatur ist, in der sich der Präsident Xi kürzlich das Recht hat verleihen lassen, praktisch auf Lebenszeit zu regieren. Dieser Staat erkauft sich sozusagen Unterstützung. Mit Erfolg.

Investitionen gegen politische Loyalität

In den vergangenen Jahren blockierte Griechenland eine EU-Resolution, die Menschenrechtsverletzungen in China angeprangert hätte, außerdem Kritik der EU an Chinas Drohungen im südchinesischen Meer und schärfere Auflagen für Investitionen.

Deutlich wurde das auch vor einem Monat: 27 von 28 EU-Botschaftern in Peking verfassten eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie vor der Neuen Seidenstraße warnten. Die Initiative laufe "der EU-Agenda für die Liberalisierung des Handels entgegen und verschiebt das Kräfteverhältnis zugunsten subventionierter chinesischer Unternehmen".

Der einzige Botschafter, der diese Kritik nicht mit trug, war der ungarische. Auch in Ungarn investiert China, auch die Hauptstadt Budapest soll Teil der neuen Seidenstraße sein. Aber anders als Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras sieht Ungarns Premierminister Viktor Orbán in China wohl mehr als nur einen Geldgeber.

"Ein beträchtlicher Teil der Welt hat genug davon, von den westlichen Industrienationen über Menschenrechte und Marktwirtschaft belehrt zu werden", sagte Orbán während eines Besuchs in Peking.

So klingt die neue Ordnung.

Verwendete Quellen
  • Bericht in "Capital" über das Großprojekt der neuen Seidenstraße
  • Bericht in der "Süddeutschen Zeitung" über Chinas politischen Einfluss in Europa
  • Bericht in der "Zeit" über chinesische Investitionen in Europa
  • Bericht von "Reuters" über Chinas Einfluss auf Sri Lanka (Englisch)
  • Bericht im "Handelsblatt" über Kritik der EU-Botschafter in Peking an der neuen Seidenstraße
  • Deutschlands wichtigste Handelspartner (Statistisches Bundesamt)
  • Bericht in der "Wiwo" über den Merkel-Besuch
  • Bericht in der "Wiwo" über Firmenübernahmen
  • Bericht in "Foreign Policy" über den Kauf von Häfen (Englisch)
  • Bericht in "Foreign Policy" über die Konsequenzen für Chinas Nachbarn (Englisch)
  • Bericht auf "Zeit Online" über den Hafen von Piräus
  • Bericht auf "Zeit Online" über Firmenübernahmen
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