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100 Jahre russische Armee: "Sie hat immer noch viel Sowjetisches"


100 Jahre russische Armee
"Sie hat immer noch viel Sowjetisches"

Von dpa, pdi

Aktualisiert am 23.02.2018Lesedauer: 3 Min.
Russische Soladten spielen bei einer Parade Soldaten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.Vergrößern des Bildes
Russische Soladten spielen bei einer Parade Soldaten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg. (Quelle: dpa)

Russland begeht einen Jahrestag: Vor 100 Jahren wurde die Rote Armee gegründet. Heute hat Präsident Putin aus den Streitkräften ein schlagkräftiges Instrument seiner Außenpolitik gemacht.

Jedes Jahr am 23. Februar feiert Russland am "Tag der Vaterlandsverteidiger" seine Streitkräfte, doch dieses Mal ist es ein besonderes Jubiläum: Vor 100 Jahren wurde die Rote Armee gegründet. Dazu werden im militärischen Freizeitpark "Patriot" bei Moskau historische Siege nachgespielt, es gibt Konzerte, Ausstellungen und eine Gedenkmedaille. Und darf es als Geschenk für den Offizier ein schickes Mobiltelefon mit Tarnhülle und goldenem Doppeladler sein?

Verkleinert und modernisiert

Die Armee der Atommacht Russland begeht das Jubiläum in einem Aufschwung nach Jahren des Verfalls. Präsident Wladimir Putin hat die Streitkräfte auf etwa 880.000 Mann verkleinert, hat sie modernisiert und professionalisiert. An militärischer Schlagkraft liegt Russland auf Platz zwei weltweit hinter den USA. 2,84 Billionen Rubel, umgerechnet etwa 43 Milliarden Euro, gaben Putin und sein Verteidigungsminister Sergej Schoigu dafür 2017 aus. Zum Vergleich: Deutschland wandte 37 Milliarden für Verteidigung auf.

Das russische Militär sei in gutem Zustand, sagte der Experte Wladimir Kosin, früher bei der Armeezeitung "Krasnaja Swesda" ("Der rote Stern"), der Deutschen Presse-Agentur. "Aber es gibt immer etwas zu verbessern, um neue Bedrohungen für die Sicherheit des Landes abzuwehren." Westliche Experten beobachten eine Modernisierung bei den Atomwaffen, bei Luftwaffe, Luftabwehr und Spezialeinsatzkräften. Die Marine und das Gros des Heeres hinken hingegen noch hinterher.

Tradition der Roten Armee

Neben Öl- und Gaslieferungen hat Putin die Streitkräfte zum Hauptinstrument der russischen Außenpolitik gemacht. Seine Soldaten brachten 2014 die ukrainische Halbinsel Krim unter Kontrolle. Sie kämpfen verdeckt in der Ostukraine und offen in Syrien. Die neuen Nato-Staaten in Mittel- und Osteuropa fühlen sich durch die russische Militärmacht bedroht. Die gute Nachricht: Der Dienst in dieser Armee ist für die Russen selbst nicht mehr ganz so lebensgefährlich und brutal wie noch vor einigen Jahren.

Die moderne Armee stehe in der jahrhundertealten russischen Militärtradition seit Zarenzeiten, sagt Kosin. Doch wenn man sich Uniformen und Rituale anschaut, dann wirkt vor allem die 100 Jahre alte Rote Arbeiter- und Bauernarmee nach.

Am 23. Februar 1918 war der Erlass der jungen Sowjetregierung über die Gründung der neuen Armee zwar schon ein paar Tage alt. Doch an diesem Tag schrieben sich die ersten Freiwilligen ein und mussten gleich Richtung Baltikum abrücken. Das deutsche Kaiserreich, der Feind im Ersten Weltkrieg, stand in Riga und drohte mit dem Vormarsch auf die russische Hauptstadt Petrograd (heute wieder St. Petersburg).

Kontrolle über halb Europa

Den Aufbau der neuen Armee leistete vor allem der Revolutionär Leo Trotzki (1879-1940). Die Rote Armee sicherte der Sowjetmacht im Bürgerkrieg das Überleben. Sie überstand die Säuberungen unter dem Diktator Josef Stalin. Und sie besiegte unter hohem Blutzoll im Zweiten Weltkrieg die faschistischen Angreifer aus Deutschland.

In den Jahrzehnten danach kontrollierte die Rote Armee halb Europa, schlug Aufstände in Ost-Berlin, Budapest und Prag nieder. Zwischen den Atommächten Sowjetunion und USA herrschte ein Gleichgewicht des Schreckens. Aus Afghanistan mussten die sowjetischen Soldaten geschlagen abziehen. Mit dem Ende des Kalten Krieges räumten sie Osteuropa. Es folgten von 1992 an Kämpfe der nun schon russischen Armee in Georgien und Moldau und zwei bittere Kriege im Inneren gegen die aufrührerische Nordkaukasus-Republik Tschetschenien bis 2009.

Angst vor Wehrdienst

In den Jahren der Tschetschenien-Kriege entstand die Arbeit der Soldatenmütter. Die Soldaten baten um Hilfe, wenn sie von Offizieren oder dienstälteren Soldaten drangsaliert wurden. Wenig fürchteten russische Familien so sehr wie den Wehrdienst ihrer Söhne. "Ein solches Ausmaß von Gewalt gibt es nicht mehr", sagte der Jurist Anton Schtscherbak vom Komitee der Soldatenmütter in St. Petersburg.

Die Beschwerden über die sogenannte Dedowschtschtina - also die Drangsalierung junger Soldaten durch Dienstältere - seien zurückgegangen. Aber es blieben Klagen über schlechte ärztliche Versorgung, mangelnde Ausrüstung, alte Kasernen. "Das ist jetzt die russische Armee, aber sie hat immer noch viel Sowjetisches."

Verwendete Quellen
  • dpa
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