Ermittlungen wegen Social-Media-Posts Viele Festnahmen nach Demonstrationen in der Türkei

Nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters greift die Regierung durch: Dutzende Menschen wurden festgenommen, soziale Medien blockiert.
Nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu haben die türkischen Behörden Dutzende Menschen wegen Online-Äußerungen festnehmen lassen. Laut Innenminister Ali Yerlikaya wurden 326 Inhaber von Social-Media-Accounts identifiziert, die zu Straftaten aufgerufen haben sollen. 54 Verdächtige wurden festgenommen, 72 leben demnach im Ausland. Weitere Verfahren laufen. Bereits am Mittwoch hatte es 37 Festnahmen gegeben.
Zeitgleich kam es zu massiven Einschränkungen im Internet: In Istanbul waren Plattformen wie X, YouTube, Instagram, Facebook, TikTok, Telegram, Signal und WhatsApp über einen Zeitraum von 42 Stunden nur eingeschränkt erreichbar. Der Zugang wurde durch eine gezielte Bandbreitendrosselung erschwert, wie der Cyberrechts-Experte Yaman Akdeniz auf X bestätigte. Mittlerweile wurden die Beschränkungen wieder aufgehoben.
Hartes Vorgehen gegen Demonstranten
Im Zuge der Demonstrationen gegen die Festnahme İmamoğlus wurden nach Angaben des Innenministeriums 16 Polizisten verletzt. Die Behörden leiteten daraufhin Ermittlungen gegen 53 Menschen ein. Trotz eines geltenden Versammlungsverbots in Istanbul versammelten sich am Donnerstagabend erneut viele Menschen auf den Straßen. Die oppositionelle CHP hatte zu landesweiten Protesten aufgerufen.
Nach Istanbul erließen auch weitere Städte Demonstrationsverbote, darunter die Hauptstadt Ankara. Trotzdem kam es in Ankara zu Protestzügen, an denen sich Abgeordnete verschiedener Parteien beteiligten. Laut Medienberichten und Aussagen aus der Opposition soll die Polizei Plastikgeschosse gegen Demonstrierende eingesetzt haben. Das Kommunikationsdirektorat der Regierung sprach in diesem Zusammenhang von "Falschinformationen".
İmamoğlu war am Mittwochmorgen gemeinsam mit weiteren Personen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Terror- und Korruptionsdelikte vor. Die Opposition bezeichnet das Vorgehen als zivilen Putschversuch. İmamoğlu gilt als einer der aussichtsreichsten Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei der Präsidentenwahl im Jahr 2028.
- Nachrichtenagentur dpa