"Krieg gegen den Westen" Kreml machte offenbar gemeinsame Sache mit al-Qaida
In afrikanischen Ländern ist Russlands berüchtigte Terrortruppe Wagner noch immer aktiv. Dort soll sie Anschläge gegen westliche Ölfirmen geplant haben.
Wenn es darum geht, den Westen zu schwächen, schreckt Kremlchef Wladimir Putin offenbar auch nicht vor der Zusammenarbeit mit islamistischen Terrorgruppen zurück. So soll die berüchtigte russische Söldnertruppe Wagner schon vor dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 mit einem Ableger von al-Qaida in Westafrika Anschläge gegen westliche Ölfirmen geplant haben.
Das berichtet der ukrainische TV-Sender Kanal24, dem das gesamte E-Mail-Archiv der Concord Gruppe zugespielt wurde, der Mutterfirma der Gruppe Wagner. Diese wurde 2014 vom russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten Jewgeni Prigoschin gegründet, der sich im Juni 2023 mit seinem "Marsch für Gerechtigkeit" gegen den Kreml stellte und zwei Monate später bei einem Flugzeugabsturz getötet wurde. Nach der gescheiterten Rebellion der Söldner wurde die Gruppe Wagner entmachtet und weitgehend aufgelöst.
Russen suchten wohl Kontakt zu Islamisten
Doch in vielen afrikanischen Ländern wie Mali, Burkina Faso, der Zentralafrikanischen Republik oder Libyen ist die Wagner-Gruppe weiterhin aktiv. Dort kämpfen die Söldner für Warlords und Militärherrscher, beuten Gold- und Diamantminen aus und verüben immer wieder schwere Verbrechen gegen die Bevölkerung. Mit diesen Machenschaften generiert der Kreml jedes Jahr mehrere Milliarden Euro, die auch der Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine dienen. Zugleich gelingt es Russland mit seinen Söldnern, den Einfluss westlicher Länder in Afrika zu beschneiden.
Das war offenbar auch der Hintergedanke bei den angeblichen Plänen der Gruppe Wagner, über die jetzt Kanal24 berichtet. So sollen Prigoschins Söldner 2021 geplant haben, Ölförderanlagen westlicher Firmen in Nigeria anzugreifen. Das westafrikanische Land ist der sechstgrößte Ölproduzent der Welt, ausgebeutet werden die Felder vor allem von Shell, Chevron und TotalFinalElf. Unterstützung für ihre Angriffspläne suchten die Wagner-Söldner angeblich bei verschiedenen bewaffneten Gruppen in der Region, darunter auch Islamisten.
"Verantwortung wird al-Qaida übernehmen"
"Eine Gruppe von Russen versucht derzeit, Kontakt zu bewaffneten Gruppen in Westafrika aufzunehmen, darunter auch Ansaru, einem Verbündeten von al-Qaida in Nigeria", heißt es in einer E-Mail vom März 2021, die der russische Geheimdienstoffizier und Vertraute des Kremlgegners Michail Chodorkowski, Igor Smirnow, an Wagner-Chef Prigoschin schrieb. "Im Gegenzug für die Attacken auf westliche Ölfirmen sollen die Dschihadisten Waffen aus Russland erhalten", schreibt Smirnow weiter. "Die Verantwortung für die Angriffe wird al-Qaida im Islamischen Maghreb übernehmen."
Smirnow wollte Prigoschin offenbar von seinen Plänen abbringen und verwies auf mögliche negative Konsequenzen für die Wagner-Gruppe. "Das alles wird massiv auf Ihre Firma zurückfallen, die die Lage in Westafrika destabilisiert, mit Terroristen zusammenarbeitet und einen offenen Krieg gegen den Westen führt", so Smirnow. In einer anderen E-Mail warf Smirnow Prigoschin laut Kanal24 vor, den US-Ölkonzern Chevron mit der Drohung von Anschlägen auf deren Infrastruktur zu erpressen. Sein Vertrauter Michail Chodorkowski habe Beweise dafür, so Smirnow.
Chodorkowski berichtete schon vorher über Wagner
Was letztlich aus den angeblichen Anschlagsplänen der Gruppe Wagner wurde, ist unklar. In dem geleakten Datensatz der Concord Gruppe gibt es keine Antwort Prigoschins auf die E-Mail von Smirnow. Plausibel erscheint der Bericht aber vor dem Hintergrund, dass der frühere Ölmagnat Chodorkowski die Aktivitäten der Wagner-Gruppe in Afrika schon vorher untersuchen ließ.
So veröffentlichte Chodorkowskis in London ansässige Organisation Dossier Center 2019 einen Bericht über die Ermordung von drei russischen Journalisten in der Zentralafrikanischen Republik 2018. Diese wollten über Gräueltaten der russischen Söldner berichten. Chodorkowskis Bericht kam zu dem Schluss, dass die Reporter selbst Opfer der Wagner-Gruppe wurden.
Michail Chodorkowski gehörte einst selbst zur russischen Elite. Sein Ölkonzern Yukos machte Chodorkowski in den 90er-Jahren zum Milliardär. Nach der Machtübernahme Putins übte er öffentlich Kritik am neuen Kremlherrscher – und wurde so zur Zielscheibe. Der Kreml ließ Yukos zerschlagen und sperrte Chodorkowski zwischen 2003 und 2013 ein. Nach seiner Haftentlassung ging Chodorkowski ins Exil nach Großbritannien. Er zählt heute zu den schärfsten Kritikern des Kremls und setzt sich für eine Demokratisierung Russlands ein.
- tagesschau.de: Der Fluch des Öls
- 24tv.ua: Hackerangriff auf das Postamt der PMK "Wagner" – Ermittlungen (ukrainisch)
- kyivindependent.com: Prigozhin’s Wagner Group accused of plotting attacks on Chevron, cooperating with Al Qaeda, leaked emails show (englisch)