Russische Bedrohung für Europa Bundeswehr-General warnt: "Putin versteht nur Sprache der Stärke"
Mehr als 1.000 Tage Krieg in der Ukraine – ein Bundeswehr-General warnt, dass die Bedrohung durch Russland längst über die Ukraine hinausgeht.
Seit über 1.000 Tagen tobt der Krieg in der Ukraine – ein Konflikt, der Europas geopolitische Ordnung erschütterte. Millionen Menschen wurden vertrieben, Tausende starben, und die Fronten bleiben weitgehend festgefahren. Der Generalmajor und Leiter des Ukraine-Sonderstabs der Bundeswehr, Christian Freuding, warnt vor der anhaltenden Bedrohung, die vom russischen Regime für ganz Europa ausgeht.
Zahlenmäßig überlegen
Die zahlenmäßige Überlegenheit der russischen Truppen setzt die Ukraine seit Beginn des Krieges stark unter Druck. Wie der Generalmajor im "Deutschlandfunk" erklärte, könne diese "numerische Überlegenheit auch nicht durch überlegene Waffensysteme, gute Ausbildung oder die hohe persönliche Tapferkeit, die die Ukrainer seit Anbeginn des Krieges zeigen, ausgeglichen werden".
Zudem betonte er, dass die Ukraine auf temporäre Rückzüge angewiesen sei, um ihren Truppen Erholung zu ermöglichen, wodurch russische Geländegewinne unvermeidbar seien. Einen Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigungslinien erwartet der Chef-Koordinator der militärischen Ukraine-Unterstützung jedoch in absehbarer Zeit nicht.
Weder die Unterstützung nordkoreanischer Soldaten, die sich seit Anfang November aufseiten Russlands am Krieg beteiligen, noch das neue ballistische Raketensystem Oreschnik, welches erstmals bei einem Angriff auf die ukrainische Großstadt Dnipro eingesetzt wurde, würden die Lage grundlegend ändern, erklärte Freuding. Der Kreml behauptet, die Rakete erreiche Hyperschallgeschwindigkeit und sei dadurch von Abwehrsystemen nicht abzufangen – eine Aussage, an der Experten jedoch stark zweifeln.
Russlands neue Atomdoktrin
Theoretisch könne die Rakete mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden, eine Möglichkeit, die der Kreml in seiner Propagandamaschinerie unablässig als Drohkulisse nutzt. Freuding betonte, dass man auch die neue russische Atomdoktrin ernst nehmen müsse. Diese besagt, dass Russland Kernwaffen einsetzen könnte, selbst wenn es von einem Land angegriffen wird, das keine Atomwaffen besitzt, aber Unterstützung von Staaten erhält, die über solche verfügen.
Der Generalmajor bezeichnete es als "unverantwortlich, mit dieser nuklearen Eskalation zu spielen, wie Russland es derzeit tut". Dennoch sei es unwahrscheinlich, dass Russland in der aktuellen Situation tatsächlich Atomwaffen einsetzen könnte. Freuding betonte jedoch, dass die Lage weiterhin äußerst genau beobachtet werden müsse.
Deutschlands größte Bedrohung
Ein weiteres Thema, das ihm Sorge bereitet, spricht Christian Freuding im Interview mit "NDR Info" an. Die Tatsache, dass Moskau das Land voll auf Kriegswirtschaft umgestellt habe, seine Munitionsvorräte aufstocke und die russischen Streitkräfte in den nächsten Jahren einen Umfang von bis zu 1,5 Millionen Soldaten erreichten, mache Russland besonders gefährlich: "Russland ist für die Nato und für Deutschland auf absehbare Zeit die größte Bedrohung."
Diese wachsende Bedrohung spiegele sich auch in der Wahrnehmung der deutschen Bevölkerung wider. In einem Interview mit der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform erläuterte Fehring, wie der Krieg in Deutschland wahrgenommen wird. Er verwies auf eine Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, der zufolge 41 Prozent der Befragten glauben, dass Europa selbst von einem Krieg bedroht sei – ein Anstieg um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Putins System-Krieg
Dabei ist dem Generalmajor der Bundeswehr klar, dass es Putin längst um weit mehr als nur die Ukraine geht. "Russland führt einen Systemkonflikt, es geht um Geltungs- und Gestaltungsansprüche. Ziel ist es, den Westen und alles, wofür er steht – eine freiheitliche Ordnung, Demokratie und die Kohäsion in westlichen Gesellschaften – zurückzuwerfen und zu unterminieren." Nach 1.000 Tagen Krieg sei offensichtlich, dass Putin und Russland nur die Sprache der Stärke verstehen.
Mit Blick auf die weltpolitische Lage und die Möglichkeit, dass die USA unter dem designierten Präsidenten Donald Trump ihre Unterstützung für die Ukraine ab Januar reduzieren könnten, betonte der Experte die Notwendigkeit, die Ukraine weiterhin mit Waffen zu versorgen. Besonders in der Region Kursk sei deutlich geworden, wie sehr die ukrainische Armee von diesen Waffensystemen profitiert habe.
- deutschlandfunk.de: "Schwierige militärische Lage, vor allem im Donbas" (Audio)
- fr.de: "Angriff auf Nato-Staat? Deutscher General warnt vor Putins Plänen"