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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Waffen am Himmel über Israel Die Amerikaner sind ganz sicher beteiligt
Der Angriff war lange erwartet worden, nun hat er begonnen: Der Iran hat Israel mit massiven Luftschlägen attackiert. Welche Waffensysteme aber haben die Mullahs gegen Israel eingesetzt und welche militärisch-strategische Antwort hat Israel darauf?
Luftalarm in Israel: Im ganzen Land sind die Menschen in Bunker geflohen, als der Iran einen lange erwarteten Angriff startete. Mindestens 181 Luftschläge registrierte die israelische Armee seit dem ersten Sirenenheulen.
Die schiere Zahl ist das eine. Für Militärstrategen ist aber vor allem interessant, mit welchen Systemen Israel angegriffen wurde. Denn die Qualität und die Quantität des Angriffs entscheiden darüber, wie effektiv Israel sich gegen diese in Teheran koordinierten Attacken zur Wehr setzen kann. Der Militärexperte Guido Schmidtke hat für t-online den Angriff analysiert und ihm die Gegenmaßnahmen Israels gegenübergestellt.
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t-online: Herr Schmidtke, mit welchen Waffen geht der Iran gerade gegen Israel vor und welches Zerstörungspotenzial haben sie?
Guido Schmidtke: Allem Anschein nach hat der Iran vor allem Mittelstreckenraketen zum Einsatz gebracht. Der Iran verfügt über verschiedene Modelle. Sie haben eine Reichweite von 700 bis 1.800 Kilometern und können so die Distanz zwischen dem Iran und Israel überbrücken. Jeder dieser Flugkörper hat eine Nutzlast von gut und gerne 750 Kilogramm – das heißt, wenn sie mit ihrem Splitter-Sprengkopf einschlagen, dann haben sie ein immenses Zerstörungspotenzial.
Weiterhin gibt es Berichte, dass Teheran auch seine Hightech-Rakete vom Typ Fatah eingesetzt haben soll. Das ist eine Hyperschallrakete, die sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht und zudem bis zum Endanflug manövrierbar ist. Solch eine Rakete ist ungleich schwieriger abzufangen als eine ballistische Rakete, beispielsweise aus dem Gazastreifen, bei der man die Flugbahn mit Flugabwehrsystemen relativ simpel berechnen kann.
Wie kann der Iron Dome, Israels bekanntestes Flugabwehrsystem, auf diese Angriffe antworten und welche Erfolgsaussichten hat die israelische Abwehrstruktur?
Der Iron Dome ist nur ein Teil der Luftverteidigung Israels. Dazu gehören auch "Davids Schleuder" und "Arrow 3". Das sind Flugabwehrsysteme unterschiedlicher Reichweite, die dafür sorgen, dass Israel auch gegen unterschiedliche Angriffe gewappnet ist. Der "Iron Dome" ist eigentlich entwickelt worden, um die sehr kurz fliegenden Raketen der Hamas aus dem Gazastreifen abzuwehren. Das System ist weitgehend autonom, das heißt, die Raketen werden automatisch detektiert und abgefangen. Dabei wird errechnet, wo der vermutete Einschlagpunkt der Rakete verortet ist. Auf dieser Basis entscheidet das System automatisch, ob die Rakete abgeschossen wird oder beispielsweise auf unbewohntem Gebiet niedergehen kann.
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Das klingt nach einer wahren Materialschlacht am Himmel.
Meist werden für einen Abschuss zwei eigene Raketen abgefeuert – jede für sich kostet in etwa 50.000 Dollar. Um aber eine Hyperschall-Rakete abzufangen, braucht es wesentlich mächtigere Systeme wie zum Beispiel "Arrow 3". Sie verfügen über bessere Software und höhere Geschwindigkeit, kosten aber auch gut und gerne 3,5 Millionen Dollar pro Rakete. Es ist also eine jede Menge Geld in der Luft.
In der Regel kommen auch diese Fatah-Raketen nicht durch, es sei denn, das System ist überlastet. Das ist dann der Fall, wenn zu viele Raketen in einem zu kurzen Zeitpunkt auf Israel abgefeuert werden und das System einfach nicht mehr in der Lage ist, diese vielen verschiedenen Ziele mit den zur Verfügung stehenden Abfangraketen zu bekämpfen. Allerdings: Auch die Jordanier und sogar die Amerikaner waren am Abfangen dieser Raketen beteiligt. Das hat Israel natürlich sehr geholfen.
Wie genau funktioniert der "Iron Dome"?
Grundsätzlich erfasst das Radar die anfliegenden Raketen. Die ausgeklügelte Software unterstützt die Feuer-Leitoffiziere in der Beurteilung, ob, wann und wie man die Rakete mit einer Abfangrakete abschießt. Der Iron Dome richtet sich automatisiert gegen eher kleine Geschosse, die aus unmittelbarer Nähe abgefeuert wurden – beispielsweise aus dem Gazastreifen. Auf größere Entfernung und mit mehr Zeit hat Israel die Möglichkeit, das Gefährdungspotenzial auch noch von Menschen beurteilen zu lassen, um dann zu entscheiden, welche Raketen bekämpft werden müssen, weil sie möglicherweise auf große Ballungsgebiete zufliegen.
Sie haben erwähnt, dass auch die Amerikaner Israel unterstützt haben: Mit welchen Systemen greifen sie in diesen Konflikt ein?
Die Amerikaner setzen vor allem Lenkwaffenzerstörer vom Typ Arleigh Burke ein. Sie verfügen über ein vertikales Raketenstartsystem und große Reichweite: mindestens 900 Kilometer, andere sogar mehrere Tausend Kilometer. Von den amerikanischen Zerstörern im östlichen Mittelmeer sollte es also kein Problem sein, iranische Raketen auch auf große Distanz abzuwehren. Sie sind ganz sicher an der Abwehr des Angriffs beteiligt.
Welche Erfolgsaussichten haben iranische Attacken dieser Art? Kann Israel an der schieren Masse der Attacken aus dem Reich der Mullahs, aus dem Jemen, aus dem Libanon und von syrischen Positionen aus "ersticken"?
Um Israel wirklich hart treffen zu können, müsste der Iran Hunderte und Aberhunderte Raketen, Marschflugkörper und Drohnen gleichzeitig abfeuern und einsetzen. Wir haben bereits einen Angriff aus Teheran erlebt, bei dem etwa 300 Flugkörper auf die Reise geschickt wurden. Und nur ganz wenige sind wirklich durchgekommen. Auch damals haben die Amerikaner und die Jordanier, angeblich sogar die Franzosen, Israel bei der Luftabwehr unterstützt. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass das israelische Flugabwehrsystem zusammenbricht, weil zu viele Flugkörper gleichzeitig auf Israel abgefeuert werden, ist relativ gering. Aber natürlich: Es können jederzeit Trümmerteile von abgefangenen Raketen auf israelischem Territorium niedergehen und dort sowohl für zivile Opfer als auch für schwere Schäden sorgen. Das ist aber immer noch besser, als wenn ein Marschflugkörper mit mehreren Hundert Kilo Sprengstoff in Israel explodiert.
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Wie beeinflussen dieser Angriff und die Gefahr weiterer Attacken den Alltag der Israelis?
Natürlich trifft die Bedrohung aus der Luft die Menschen in Israel trotzdem hart. Die Sirenen heulen, man muss sich in Sicherheit bringen, weil auch die Trümmer abgefangener Raketen eine erhebliche Gefahr darstellen, gerade für bewohnte Gebiete. Die Flugabwehr bietet einen gewissen Schutz vor der verheerenden Sprengkraft eines Marschflugkörpers. Sie bewahrt Israel davor, dass ganze Wohnblöcke in Großstädten dem Erdboden gleich gemacht werden. Das bedeutet aber nicht, dass man sich zu Hause in Sicherheit wiegen kann. Weder das heimische Wohnzimmer noch der Wohnblock, in dem man lebt, bieten einen ausreichenden Schutz. Trümmerteile abgeschossener Raketen stellen durchaus eine Lebensgefahr dar. Die Menschen in Israel sind in gewisser Weise abgehärtet, weil die Gefahr aus der Luft zum Alltag geworden ist, gerade in den vergangenen zwei Jahren. Auf der anderen Seite geht diese Gefahr nicht spurlos an der Bevölkerung vorbei. Das Risiko für Leib und Leben bleibt allgegenwärtig.
- Interview mit dem Militärexperten Guido Schmidtke