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UN-Generalversammlung | Baerbock und China: Die Faust ist in der Tasche


Baerbock in New York
Der Schaden für China wird größer


Aktualisiert am 24.09.2024 - 21:58 UhrLesedauer: 4 Min.
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Annalena Baerbock: Die Außenministerin führt in New York Gespräche mit China zum Ukrainekrieg.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die Außenministerin führt in New York Gespräche mit China zum Ukraine-Krieg. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

China hält Wladimir Putin den Rücken frei, während dieser weiter seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Deutschland versucht nun bei der UN-Generalversammlung, den Druck auf Peking zu erhöhen. Mit Erfolg?

Aus New York berichtet Patrick Diekmann.

Für sie ist es kein einfacher Start in die UN-Woche. Noch vor dem offiziellen Beginn der UN-Generaldebatte in New York trifft Außenministerin Annalena Baerbock ihren chinesischen Amtskollegen Wang Yi. China und Baerbock? Das passte bislang eigentlich nicht zusammen. Bei ihrem China-Besuch im April 2023 lieferte sich die Grünen-Politikerin einen Schlagabtausch mit Wangs Vorgänger Qin Gang. Wenige Monate später nannte Baerbock den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einen "Diktator". Baerbock gilt als Motor dafür, dass die Bundesregierung Deutschlands Abhängigkeit gegenüber der Volksrepublik verringert.

Es kann also durchaus eisig werden, wenn Baerbock auf chinesische Funktionäre trifft. Glaubt man chinesischen Diplomaten, lobt man in Peking den Austausch mit Bundeskanzler Olaf Scholz oder mit Wirtschaftsminister Robert Habeck. Aber Baerbock würde keine Einladung mehr nach China bekommen, heißt in diplomatischen Kreisen. Das Tischtuch sei zerschnitten.

Trotz allem führen Baerbock und Wang auch in der UN-Woche direkte Gespräche miteinander. Über den Inhalt dringt wenig nach außen, es soll eher ein Austausch bekannter Positionen zwischen Deutschland und China gewesen sein. Doch eines wird deutlich: Auch Baerbock begegnet der chinesischen Führung mit einer Strategie, die die US-Regierung unter Joe Biden gegenüber China verfolgt: Eine Hand ist ausgestreckt, aber in der Tasche ballt sich eine Faust.

Xi hält Putin den Rücken frei

Das bedeutet in erster Linie, dass der Westen China immer wieder Kooperationsangebote machen wird. Auch die Bundesregierung sieht natürlich das Problem, dass große globale Herausforderungen, wie die Bekämpfung der Klimakrise, nur mit China gelöst werden können. US-Präsident Biden rief etwa in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung am Dienstag China zu mehr Zusammenarbeit auf – die ausgestreckte Hand. Er kritisierte Peking allerdings auch scharf wegen der chinesischen Unterstützung für Putin, wegen unfairer Wirtschaftspraktiken, Spionage und aggressiver Expansionspolitik im Südchinesischen Meer – die Faust.

Baerbock versucht in New York zumindest, den Gesprächsfaden nach China nicht abreißen zu lassen. Auch wenn man sich in zentralen geopolitischen Fragen vor allem in einem einig ist: Dass man sich uneinig ist.

Deutschland sieht in erster Linie die chinesische Rolle im Ukraine-Konflikt kritisch. Der chinesische Präsident Xi Jinping möchte, dass sein strategischer Partner Putin den Krieg gewinnt. Er liefert zwar noch keine Waffen direkt an die russische Armee, aber die Volksrepublik schickt einige "Dual Use"-Güter, die auch militärisch benutzt werden können. So soll der Motor einer russischen Angriffsdrohne in China produziert werden. Zudem erhält Russland Waffen aus Nordkorea, dessen existenzielle Abhängigkeit von China so groß ist, dass solche Lieferungen ohne die Zustimmung Pekings unwahrscheinlich sind.

China sucht nach Schadensbegrenzung

Für China ist der Ukraine-Krieg in jeder Hinsicht ein Ärgernis, denn er zwingt Peking zu einem unangenehmen Balanceakt. Es gilt als wahrscheinlich, dass die chinesische Führung damit gerechnet hat, Russland würde den Krieg schnell gewinnen. Doch Putin hat sich seit zweieinhalb Jahren in diesem Konflikt verrannt und es könnte noch eine längere Zeit so weitergehen. Und China folgt derzeit vor allem der diplomatischen Strategie, für sich selbst – mit Blick auf Europa – politische Schadensbegrenzung betreiben zu wollen.

Eines möchte Peking um jeden Preis verhindern: weitere westliche Sanktionen gegen China. Die eigene Wirtschaft befindet sich schon seit Ende der Corona-Pandemie in einer sehr angespannten Phase. Weitere Handelskonflikte mit dem Westen kann die chinesische Führung nicht brauchen.

Doch mit Blick auf die Ukraine sind die chinesischen Vorstöße eher symbolischer Natur. Zwar bewirbt Peking einen chinesisch-brasilianischen 6-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine, der Moskau und Kiew an den Verhandlungstisch bringen soll. Dieser Plan bekräftigt aber bewusst nicht die territoriale Souveränität der Ukraine in ihren Staatsgrenzen – und die chinesische Führung ist sich bewusst, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dies nicht akzeptieren kann.

Der Westen wirft Peking deshalb oft vor, nicht wirklich an einem Frieden interessiert zu sein. Und in der Tat: China verlieh seinen Plänen bislang kaum politischen Nachdruck. Es schien so, als wolle Peking mit seinen Vorstößen lediglich zeigen, dass China mit seinem Selbstverständnis als verantwortungsvolle Supermacht eben nicht nur an der Seitenlinie steht und zuschaut. Doch Xi übt keinen Druck auf Putin aus, er hält ihm den Rücken frei.

Peking möchte gute Beziehungen nach Europa

Vor allem europäische Länder wie Deutschland erhöhen deshalb wiederum den Druck auf China. Peking sieht die USA zwar als zentralen Gegner im Kampf um eine neue globale Ordnung. Aber Xi braucht Europa weiterhin als Absatzmarkt. Ein Hebel, den Deutschland nutzen kann, um Peking zu vermitteln, dass das Ansehen Chinas in der Bundesrepublik aufgrund der Unterstützung für Putin in den vergangenen Jahren extrem gelitten hat.

Die Mahnungen zeigen bisher zwar kaum Wirkung auf die chinesische Außenpolitik. Aber je länger der Ukraine-Krieg dauert, desto mehr gerät auch Peking unter Druck. Der politische Schaden für Xi wird in Europa immer größer – und Deutschland möchte ihm zumindest die Tür offenhalten, sollte China Interesse daran entwickeln, Putin in die Schranken zu weisen.

Denn für die chinesische Wirtschaft hat der Handel mit Europa Priorität, und Peking möchte auf keinen Fall die Brücken zum Westen abbrechen, wie Putin es getan hat. Strategisch möchte China möglichst viele europäische Staaten aus dem Bündnis mit den USA lösen. Deshalb kritisieren chinesische Politiker stets die USA, lassen jedoch die amerikanischen Verbündeten in Europa aus. Peking möchte bestenfalls Freihandel mit Europa und etwa keine europäischen Zölle auf chinesische Elektroautos. Auch deshalb ist die chinesische Führung an einem Dialog mit Deutschland interessiert, weil die deutsche Wirtschaft Autozölle ebenfalls kritisch sieht.

Interessanterweise hat also auch China eine Hand in Richtung Europa ausgestreckt und gleichzeitig – vor allem gegenüber den USA – eine Faust in der Tasche geballt. Das Problem für die internationale Politik ist jedoch, dass die ausgestreckte Hand nur in Reden vorkommt und eher symbolisch ist. Der Westen wird einen Sieg Putins in der Ukraine nicht akzeptieren und China will Russland nicht verlieren lassen. Deswegen bewegt sich seit vielen Monaten politisch nicht viel – trotz zahlreicher Gespräche zwischen China und auch Deutschland. So ist es bisher auch in New York.

Verwendete Quellen
  • Begleitung von Außenministerin Baerbock zur UN-Generalversammlung in New York
  • Eigene Recherche
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