Experten schlagen Alarm Europa muss sich auf eine Blockade einstellen
Marine Le Pen triumphiert bei den Parlamentswahlen in Frankreich. Das Land könnte auf eine Krise zusteuern, warnen Experten.
Das Risiko einer politischen Dauerkrise wird in Frankreich nach den Parlamentswahlen nach Einschätzung von Experten deutlich zunehmen. "Es konkretisiert sich die Gefahr, dass Frankreich sich in einer Situation ohne parlamentarische Mehrheit wiederfindet", sagte Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen. "Entsprechend dürfte die politische Instabilität zunehmen", fügte Ross hinzu.
Am Montagmorgen bestätigen die offiziellen Ergebnisse den Trend des Vorabends: Der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen erhielt mit seinen Verbündeten 33 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei landete demnach das Linksbündnis mit 28 Prozent. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron, der selbst nicht zur Wahl stand, kam bei der Abstimmung am Sonntag auf 20 Prozent, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. Die genaue Verteilung der Sitze in der Nationalversammlung entscheidet sich allerdings erst nach der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag.
Autorität des Präsidenten könnte schrumpfen
"Jetzt kommt alles darauf an, wie viele Dreierkonstellationen es in der zweiten Runde gibt, wer sich zurückzieht und welche Empfehlungen für die zweite Runde ausgesprochen werden", sagte Ross.
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Es sei auch damit zu rechnen, dass die Autorität des Präsidenten weiter schrumpfen werde, sagte der Experte Yann Wernert vom Jacques Delors Centre. "Das Lager des Präsidenten ist nur noch der Schatten seiner selbst, die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Parteien dieses Lagers dürften zunehmen", erklärte er. Macron werde Mühe haben, sich in tagespolitischen Fragen Gehör zu verschaffen.
Europa muss sich auf Blockade einstellen
"Auch europapolitisch verliert seine Stimme an Gewicht", sagte Wernert. Die Partner Frankreichs müssten sich entweder auf eine blockierte Nationalversammlung oder eine Regierung des RN einstellen. Die Aussicht, dass die links-grüne Neue Volksfront an die Macht komme, sei eher unwahrscheinlich. "Es gibt noch eine Chance, aber sie ist dünn", sagte er.
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Der RN kommt nach den ersten Prognosen in 390 bis 430 Wahlkreisen in die zweite Runde. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront könnte in 370 bis 410 Wahlkreisen in die zweite Runde kommen, das Regierungslager in 290 bis 330 Wahlkreisen. Insgesamt sind 577 Sitze zu vergeben.
Entscheidend sein wird der zweite Wahlgang am nächsten Sonntag, da in der ersten Runde direkte Mandate nur mit absoluter Mehrheit in den Wahlkreisen gewonnen werden konnten. Die Verteilung der Sitze wird dann stark davon abhängen, ob und wie viele Kandidaten sich zurückziehen, um etwa den Wahlsieg eines RN-Kandidaten zu verhindern. Bei der vergangenen Wahl hatten die Parteienblöcke Allianzen geschmiedet, um den Sieg von Kandidaten des RN zu verhindern und den Kandidaten auf Platz 2 zu stützen.
- Nachrichtenagenturen Reuters und AFP