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UN-Schlagabtausch zum Nahost-Konflikt: China verpasst den USA einen Stoß


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Pakt mit dem Iran und Russland
China verpasst den USA einen Stoß


06.02.2024Lesedauer: 5 Min.
Xi Jinping: Um seine geostrategischen Ziele zu erreichen, setzt China auch auf die Zusammenarbeit mit dem Iran.Vergrößern des Bildes
Xi Jinping: Um seine geostrategischen Ziele zu erreichen, setzt China auch auf die Zusammenarbeit mit dem Iran. (Quelle: IMAGO/Li Xueren)

Im UN-Sicherheitsrat stellt sich China hinter den Iran und kritisiert die US-Angriffe in Syrien und im Irak scharf. Hinter dem Pakt mit den Schurkenstaaten steckt ein strategisches Kalkül von Xi Jinping. Geht sein Plan auf?

Es war ein heftiger Gegenschlag erwartet worden: Nachdem pro-iranische Milizen durch einen Drohnenangriff auf einen US-Stützpunkt am 28. Januar drei US-Soldaten getötet und Dutzende weitere verletzt hatten, flogen die USA am vergangenen Wochenende Luftangriffe auf mehr als 85 Ziele in Syrien und im Irak. "Unsere Reaktion hat heute begonnen. Sie wird fortgesetzt zu Zeiten und an Orten unserer Wahl", erklärte US-Präsident Joe Biden in einer schriftlichen Stellungnahme am Samstag.

Im Visier standen nach US-Angaben Kommandozentralen, Geheimdienststandorte und Waffenlager, die von iranischen Revolutionsgarden (IRGC) und mit ihnen verbundenen Milizen genutzt wurden. Für Biden geht es um eine Demonstration der Stärke – innen- wie außenpolitisch. Die Amerikaner möchten derartige Angriffe auf die eigenen Truppen verhindern, indem sie ihren Feinden in der Region die Konsequenzen deutlich aufzeigen. Doch die Angriffe sind ein weiterer Schritt in Richtung einer großen Eskalation – einem Krieg zwischen den USA und dem Iran.

Deswegen liegen die Nerven im UN-Sicherheitsrat blank. Neben Russland wirft auch China den USA vor, den Konflikt im Nahen Osten weiter zu verschärfen. Hinter den verbalen Angriffen steckt jedoch ein strategisches Kalkül des chinesischen Präsidenten Xi Jinping: Er möchte den Amerikanern einen Stoß verpassen und sie Schritt für Schritt aus der Region verdrängen. Dafür braucht China auch den Iran.

Amerikaner hinterlassen Machtvakuum im Nahen Osten

Das Vorgehen der USA in der Region verstärke den "Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt", sagte der chinesische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Zhang Jun, wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete. Die Volksrepublik fordere die beteiligten Parteien auf, Ruhe zu bewahren, die territoriale Integrität der Länder zu respektieren und "illegale Militäroperationen zu stoppen".

Es ist das bekannte chinesische Narrativ: Während die USA und ihre Bündnispartner im Nahen Osten Chaos stiften und anderen Ländern gewaltsam ihr Verständnis von Demokratie aufzwingen würden, mische sich China in derartige Angelegenheiten nicht ein. Die Volksrepublik stehe für Frieden und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Kein Wort verliert China dagegen darüber, dass der Iran im Kampf gegen Israel und die USA und im Ringen mit Saudi-Arabien seit Jahren die Region destabilisiert. Aber warum schützt Peking das Mullah-Regime?

China hat andere Prioritäten. Xi möchte sein Land als die alternative Ordnungsmacht zu den Amerikanern inszenieren und im Nahen Osten sieht er nun eine Chance gekommen. Die USA stellten sich nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel hinter die israelische Führung und ihren Krieg gegen Terroristen im Gazastreifen. Doch das Leid der Palästinenser und die hohen zivilen Opferzahlen durch israelische Angriffe weckt in der muslimischen Welt immer mehr Wut. Dabei steht nicht nur Israel am Pranger, sondern auch ihr wichtigster Verbündeter, die USA.

Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die USA blicken auf Jahrzehnte einer Nahostpolitik mit zahlreichen Misserfolgen zurück: die überstürzte Flucht aus Afghanistan 2021, die fehlende Hilfe für die Kurden im Angesicht einer türkischen Militäroffensive 2019, ein zweiter Irak-Krieg unter falschem Vorwand ab 2003 und den Sturz von Irans parlamentarisch legitimiertem Premier Mohammad Mossadegh durch die CIA im Jahr 1953.

All das haben die Menschen im Nahen und Mittleren Osten nicht vergessen. Heute spielt dieses Misstrauen gegenüber dem Westen China in die Karten.

China setzt auf den Iran

China hat schon während der Jahrtausendwende begonnen, seinen Einfluss in der Region immer weiter auszubauen. Die Achse Russland, Iran und China ist nicht neu, im Gegenteil: Während sich die Beziehungen zwischen Teheran und dem Westen aufgrund des iranischen Strebens nach Nuklearwaffen immer weiter verschlechterten, begann die Volksrepublik, im Iran zu investieren. Schon 2011 erwarb Peking exklusive Rechte an iranischen Öl- und Gasfeldern.

Nachdem das Mullah-Regime im Jahr 2022 Proteste gegen die iranische Führung gewaltsam niedergeschlagen hatte und nachdem bekannt geworden war, dass der Iran den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Angriffskrieg in der Ukraine mit Drohnen unterstützt, stand beide Länder im internationalen Rampenlicht. Viele westliche Länder und ihre Bündnispartner verschärften Sanktion gegen Russland und den Iran, was auch dazu führte, dass die Zusammenarbeit beider Länder mit China stärker wurde.

Alle drei Staaten verfolgen vor allem ein Ziel: Sie möchten den Einfluss der USA und der Nato im Nahen und Mittleren Osten und in Südostasien zurückdrängen. Russland, China und der Iran streben eine neue multipolare Weltordnung an, in der die westlichen Staaten und vor allem die USA nicht mehr als Hegemon auftreten können. Das ist das zentrale Verbindungsglied zwischen diesen autoritär regierten Ländern.

Immer die eigenen Interessen im Blick

Xi Jinping verfolgt aber wiederum vor allem chinesische Interessen am Golf: China braucht den Iran als alternative Route der "Neuen Seidenstraße"-Initiative, weil der ursprüngliche Landweg über Russland und die Ukraine durch Putins Krieg in Osteuropa auf absehbare Zeit versperrt ist. Auch deshalb investieren chinesische Unternehmen Milliarden, um Infrastruktur im Iran aufzubauen.

Dieser Prozess gipfelte in der Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens zwischen Peking und Teheran. Der Inhalt: Chinesische Unternehmen werden in den kommenden 25 Jahren 400 Milliarden US-Dollar in iranische Infrastruktur investieren. Das schließt nicht nur den Bau von Schienen oder Straßen ein. Chinesische Firmen kümmern sich auch um den Ausbau des Mobilfunknetzes. Dafür erhält China im Gegenzug iranisches Öl zu einem sehr günstigen Preis. Der Handel zwischen beiden Staaten läuft in der chinesischen Währung Renminbi, um die Dominanz des US-Dollars anzufechten.

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Putin und Xi haben somit schon vor Jahren damit begonnen, das Mullah-Regime unterzuhaken und dem Iran aus der internationalen Isolation zu verhelfen. Peking und Moskau ziehen dabei an einem Strang, haben aber vor allem die eigenen geopolitischen Interessen im Blick.

Im Iran leben 87 Millionen Menschen, in dem Land steckt also ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Das wissen auch Xi und Putin. Teheran hat außerdem Einfluss auf Milizen im Irak, Libanon, Jemen, in Syrien und auf die Hamas im Gazastreifen.

Iran nicht mehr isoliert

Gemeinsam gehen China und Russland davon aus, diesen Einfluss für sich nutzen zu können, indem sie wiederum den Iran kontrollieren. Denn weder Putin noch Xi möchten zum Beispiel, dass die Mullahs tatsächlich in den Besitz einer Atombombe kommen.

Es ist fraglich, ob Teheran mittelfristig wirklich bereit ist, das Ziel eines eigenen Nuklearwaffenarsenals aufzugeben. Immerhin hat auch Israel die Bombe und mit konventionellen Waffen hätte das iranische Regime militärisch keine Chance gegen die USA. Für den Moment aber begeben sich die Mullahs nur allzu willig in die Abhängigkeit von Russland und China.

Dem iranischen Regime winkt dadurch viel Geld durch Rohstoffverkäufe. Plötzlich sitzen sie mit am Tisch, wenn es um Frieden in Syrien geht. Sie sind seit 2023 Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die für die sicherheitspolitische und wirtschaftliche Stabilität sorgen möchte. Außerdem wird der Iran Mitglied der BRICS-Staaten werden, einem Zusammenschluss schnell wachsender Volkswirtschaften. In all diesen internationalen Organisationen spielen Russland und China eine entscheidende Rolle.

Xi verlangt Unterordnung

Dank Putin und Xi können sich die Mullahs zwar aus ihrer internationalen Isolation befreien. Doch sie müssen sich Peking unterordnen – so wie es auch Russland nach seinem Angriff auf die Ukraine tun musste.

China ist letztlich die Führungsmacht eines Bündnisses von Staaten, die die westlich dominierte Weltordnung überwinden möchte. Das Bündnis mit dem Iran ist für die Volksrepublik dabei eine wichtige Säule ihrer strategischen Partnerschaften. Deswegen nutzt Xi Gelegenheiten wie die aktuelle Lage im Nahen Osten, um die Amerikaner zurückzudrängen.

Allerdings achtet Xi penibel darauf, keine roten Linien zu übertreten. Während seine Partner Iran und Russland gegenüber dem Westen radikal auftreten, braucht die Volksrepublik den wirtschaftlichen Austausch mit vielen europäischen Staaten und den USA. Deswegen steht Xi mit einem Fuß auf der Bremse, allen Wortgefechten bei den Vereinten Nationen zum Trotz.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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