BSW-Programm für Europawahl Wagenknecht: Europa soll keine "digitale Kolonie" der USA sein
Mehr Distanz zu EU und USA, dafür eine Wiederannäherung an Russland: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) macht sich bereit für die Europawahlen. Das steht im Programm.
Ende der Waffenhilfe für die Ukraine, Öl und Gas aus Russland, Asylverfahren an Außengrenzen und in Drittstaaten – mit diesen und weiteren Forderungen zieht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in den Europawahlkampf. Der 26-seitige Entwurf des Wahlprogramms, das beim BSW-Parteitag am Samstag beschlossen werden soll, ist geprägt von scharfer Kritik an der EU und der Forderung nach mehr Entscheidungsgewalt für die Nationalstaaten. Ein Überblick:
Ein Europa nach dem Motto "Weniger ist mehr"
Die Wagenknecht-Partei will "ein selbstbewusstes Europa souveräner Demokratien". Im Programmentwurf heißt es: "Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee." Kritisiert wird eine "abgehobene Politik ferner, demokratisch kaum kontrollierter EU-Technokraten" und eine "ausufernde EU-Regelungswut". Im Zweifel sollten die Mitgliedsländer auf nationaler Ebene EU-Vorgaben nicht umsetzen, "wenn sie wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Meinungsfreiheit zuwiderlaufen".
Als Motto im BSW-Entwurf heißt es: "Weniger ist mehr." Das bezieht sich auch auf die Anzahl der Mitgliedsländer: Die Partei will ein "Moratorium für die EU-Erweiterung". Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine sowie Moldau und Georgien werden explizit abgelehnt.
Stopp der Waffenhilfe an die Ukraine als Angebot an Moskau
Zum Krieg in der Ukraine fordert das BSW: "Um Russland zur Aufnahme von Verhandlungen zu motivieren, sollte für diesen Fall der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine angeboten werden." Frieden und Sicherheit in Europa könne "stabil und dauerhaft nicht im Konflikt mit der Atommacht Russland gewährleistet werden", heißt es weiter. Eine neue europäische Friedensordnung müsse "längerfristig auch Russland einschließen".
Beim Thema Sicherheitspolitik, aber auch an anderen Stellen, wird Europas Nähe zu den USA kritisiert. "Europa muss eigenständiger Akteur auf der Weltbühne werden, statt Spielball im Konflikt der Großmächte und Vasall der USA zu sein", heißt es in der Präambel des Programms. Das BSW will Europa "erneut zu einem Friedensprojekt machen, als das es einst konzipiert worden war".
Wirtschaftliche Wiederannäherung an Russland
Die Wagenknecht-Partei will "die Öl- und Gaslieferung aus Russland wieder aufnehmen und langfristige Energieverträge schließen". Die EU-Wirtschaftssanktionen hätten Russland kaum getroffen und den Krieg in der Ukraine nicht gestoppt, der europäischen Wirtschaft aber "massiv geschadet".
Das BSW warnt davor, "sich zu stark an die USA zu binden". Sonst bestehe auch "die Gefahr, mit China den wichtigsten Handelspartner zu verlieren". Zudem dürfe Europa "nicht länger eine digitale Kolonie der Vereinigten Staaten sein, sondern muss eine eigenständige digitale Infrastruktur aufbauen". In der Verkehrspolitik fordert das BSW, die Entwicklung verbrauchsärmerer Modelle zu fördern, statt Verbrennerautos zu verbieten. Generell müsse es eine "Re-Industrialisierung Europas" geben.
Migration und "Cancel Culture"
Die Wagenknecht-Partei will Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten. "Es darf nicht länger kriminellen Schleppernetzwerken überlassen werden, wer Zugang zur EU bekommt", heißt es in dem Programmentwurf.
Die EU müsse ihre Flüchtlings- und Migrationspolitik "grundlegend" reformieren, so die Forderung. Das BSW warnt, "in Frankreich und anderen Ländern, etwas schwächer ausgeprägt auch in Deutschland" seien in den vergangenen Jahren "islamistisch geprägte Parallelgesellschaften entstanden".
Auch die von Wagenknecht oft beklagte "Cancel Culture" ist Thema des Wahlprogramms. Viele Menschen in der EU "trauen sich nicht mehr, offen zu sagen, was sie denken", heißt es darin. Kritische Stimmen würden "diffamiert, stigmatisiert und ausgegrenzt". Ein solcher "Konformitätsdruck" sei mit einer offenen, liberalen Gesellschaft unvereinbar.
- Nachrichtenagentur AFP