Offene Kritik am Kreml "Staat und Wirtschaft arbeiten ständig gegeneinander"
Der russische Milliardär Oleg Deripaska kritisiert dem Kreml. Wenn Russland keine ausländischen Investoren anzieht, könne das Land schon 2024 pleite sein.
Offene Kritik am Staat ist in Russland selten geworden. Mit zahlreichen Verhaftungen versucht der Kreml, kritische Stimmen möglichst leise zu halten. Das gelingt allerdings nicht immer. Deshalb ist das, was der Unternehmer und Milliardär Oleg Deripaska, einer der reichsten Menschen in Russland, auf dem Krasnojarsker Wirtschaftsforum von sich gab, zumindest ungewöhnlich.
"Ich bin entsetzt über die Haushaltsmittel, die im vergangenen Jahr verschwendet wurden", zitiert ihn die staatliche russische Nachrichtenagentur Interfax. Russland müsse schnell neue Einnahmequellen erschließen, darunter auch Investorinnen und Investoren aus dem freundlich gesinnten Ausland. Gebe es diese Investitionen von außen nicht, "werden wir schon im nächsten Jahr kein Geld mehr haben", mahnte Deripaska.
"Diese steinzeitliche Praxis muss aufhören"
Die Hinwendung der Regierung zu einer Kriegswirtschaft schade dem Wirtschaftsklima. "Die Herrschaft des Rechts und Berechenbarkeit sind sehr wichtig", betonte er Interfax zufolge. "Wenn wir die Spielregeln jedes Jahr oder jedes Quartal ändern, wird niemand Vertrauen haben – weder russische noch ausländische Unternehmer."
Um neue Investorinnen und Investoren anzuwerben, müssten Politik und Wirtschaft enger zusammenarbeiten: "Mich sorgt die ganze Zeit sehr, dass Staat und Wirtschaft ständig gegeneinander arbeiten", sagte der Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal am Donnerstag. Der Staat setze auf jeden Unternehmer "zwei Staatsanwälte und vier Inspektoren" an. Die "steinzeitliche" Praxis von Verhaftungen von Unternehmern müsse von staatlicher Seite beendet werden.
Deripaska ist einer der reichsten Menschen Russlands
Deripaskas Wort hat in Russland durchaus Gewicht. Der 55-Jährige ist einer der führenden Unternehmer des Landes, die traditionell als Oligarchen bezeichnet werden, seit Russlands Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr aber an Einfluss verloren haben. Im Gegenzug haben Vertreter des Sicherheitsapparats, die sogenannten Silowiki, ihre Machtpositionen ausgebaut. Wie gegen andere Unternehmer und Politiker wurden auch gegen Deripaska westliche Sanktionen verhängt.
Russland erwartet nach Angaben des Wirtschaftsministeriums im laufenden Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,9 Prozent. Analysten erwarten auch im kommenden Jahr eine rückläufige Wirtschaftleistung. Im vergangenen Jahr schrumpfte die russische Wirtschaft vorläufigen Daten zufolge um 2,1 Prozent.
- Nachrichtenagentur dpa
- spiegel.de: "Nächstes Jahr haben wir kein Geld mehr"