"Europa schaut hin" EU beschließt neue Sanktionen gegen den Iran
Tausende Menschen sind bei den Protesten im Iran gegen das Regime festgenommen worden. Die EU zieht erneut Konsequenzen.
Die EU verhängt neue Sanktionen wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen am Montag bei einem Treffen in Brüssel einstimmig Strafmaßnahmen gegen verantwortliche Personen und Organisationen, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die iranische Führung am Wochenende mit ungewöhnlich scharfen Worten für die dortigen Menschenrechtsverletzungen kritisiert und die von der EU geplanten neuen Sanktionen verteidigt.
Embed
Baerbock: "Das hat Konsequenzen"
Außenministerin Annalena Baerbock wertete die neuen EU-Sanktionen als klares Zeichen an die Regierung in Teheran. "Wir senden ein erneutes und zwar unmissverständliches Signal an das iranische Regime: Menschenrechte sind unteilbar", sagte die Grünen-Politikerin am Montag vor dem Treffen der EU-Außenministerinnen und -minister in Brüssel. Die Verantwortlichen im Iran glaubten, Menschen ohne Konsequenzen unterdrücken, einschüchtern und töten zu können. "Das können sie nicht. Das hat Konsequenzen. Und die Welt, Europa schaut hin", betonte Baerbock.
Neue Sanktionen träfen insbesondere den inneren Machtzirkel der Revolutionsgarden und die Strukturen, die sie finanzierten, sagte die Ministerin. Man arbeite zudem an weiteren Maßnahmen. Es gehe nicht nur darum, politische Deklarationen zu verlesen. Damit die Sanktionen rechtssicher seien, sei eine intensive Prüfung nötig, sagte Baerbock. Die Rechtslage sei äußerst kompliziert.
Baerbock betonte zudem, wie wichtig es sei, dass Deutschland die Lage im Iran zusammen mit 16 anderen Staaten auf die Tagesordnung des UN-Menschenrechtsrats in Genf gesetzt habe. Gemeinsam mache man so deutlich: "Wir schauen hin und wir nehmen diejenigen in die Verantwortung, die für diese Menschenrechtsverbrechen verantwortlich sind." Die Sitzung soll in der Woche ab dem 21. November stattfinden. Die 47 Mitgliedsländer des Rates können keine Sanktionen verhängen, aber per Resolution die Gewalt verurteilen und einen Mechanismus in Gang setzen, um die Situation genauer zu untersuchen.
Macron: "Unterdrückung dieser Revolution"
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich nach einem Treffen mit iranischen Aktivistinnen für eine "scharfe diplomatische Reaktion" mit Blick auf die iranische Führung aus. Er forderte weitere Sanktionen "gegen Vertreter des Regimes, die verantwortlich sind für das, was geschieht, nämlich die Unterdrückung dieser Revolution", sagte Macron in einem am Montag ausgestrahlten Interview mit dem Sender France Inter.
Er wolle in den kommenden Wochen erneut mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zusammentreffen, sagte Macron. "Diplomatie bedeutet, mit den Menschen zu sprechen, mit denen man nicht einer Meinung ist und zu versuchen, sich nützlich zu machen", sagte er. Ein erstes Treffen der beiden Präsidenten am Rande der UN-Generalversammlung war von iranischen Oppositionellen kritisiert worden.
"Die Werte, die sie verteidigen, sind mehr als Worte"
Macron sprach den Frauen und Männern im Iran, die sich gegen die Unterdrückung wehren, die Unterstützung Frankreichs aus. "Die Werte, die sie verteidigen, sind mehr als Worte. (...) Sie kämpfen nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Werte, die das Herz unserer Republik sind", sagte er. Macron hatte am Freitag vier iranische Aktivistinnen im Élysée empfangen. Der Iran hatte dieses Treffen als "Verletzung der internationalen Verpflichtungen Frankreichs" kritisiert.
Hintergrund der EU-Sanktionen ist die brutale Unterdrückung von Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte die junge Frau am 13. September festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Amini starb dann am 16. September in Polizeigewahrsam.
Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Zehntausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden bisher fast 15.000 Teilnehmer von Demonstrationen festgenommen.
Auch Sanktionen wegen russischen Angriffskrieges
Die Regierung in Teheran hat diese Zahlen nicht bestätigt, aber auch keine anderen angegeben. Laut der Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) in den USA sind bei den Protesten mindestens 330 Menschen getötet worden.
Bereits Mitte Oktober hatte die EU ein erstes Sanktionspaket wegen der Geschehnisse im Iran beschlossen. Es richtete sich gegen die iranische Sittenpolizei und mehr als ein Dutzend weitere Personen und Organisationen. Auch damals wurden schon Mitglieder der Basidsch-Milizen sanktioniert, die von der EU für den Tod mehrerer Demonstranten verantwortlich gemacht wird.
Unabhängig von den Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen verhängte die EU jüngst auch neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Unterstützung des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Von ihnen sind bislang das Unternehmen Shahed Aviation Industries sowie drei ranghohe Militärs betroffen. Sie sind nach Auffassung der EU an der Entwicklung und Lieferung von Kampfdrohnen an Russland beteiligt, die von den russischen Streitkräften im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP