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Rishi Sunak – möglicher Johnson-Nachfolger: Sympathischer Aufsteiger oder Intrigant?


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Favorit auf Johnson-Nachfolge
Sympathischer Aufsteiger – oder überehrgeiziger Intrigant?

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 13.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Rishi Sunak: Der ehemalige britische Finanzminister möchte Boris Johnson in der Downing Street ablösen.Vergrößern des Bildes
Rishi Sunak: Der ehemalige britische Finanzminister möchte Boris Johnson in der Downing Street ablösen. (Quelle: Zuma Wire/imago-images-bilder)

Rishi Sunak gilt im Moment als aussichtsreichster Kandidat, Boris Johnson als britischer Premier zu beerben. Doch sein Kurs ist riskant.

Es waren einfache Worte, die Rishi Sunak zu Beginn seiner Wahlkampagne am Dienstag verwendete. Ein "erwachsenes Gespräch" brauche das Land – darüber, "wo wir uns befinden, wie wir dorthin gelangt sind und was wir dagegen tun wollen." Vor allem müsse dieser Dialog mit den Bürgern geführt werden, "und es fängt damit an, dass wir zueinander ehrlich sind."

Was zu gewöhnlichen Zeiten eine Selbstverständlichkeit sein sollte, hat in diesen Tagen in Großbritannien Seltenheitswert. Nach Jahren voller Lügen, politischer Intrigen und Schlammschlachten mit Boris Johnson versucht Sunak, seine Kampagne als Neustart zu inszenieren. "Vertrauen wiederherstellen, die Wirtschaft wieder aufbauen, das Land wieder vereinen", sind die drei Wahlslogans des 42-Jährigen.

Rücktritt löste eine Lawine aus

Es klingt fast so, als wolle Sunak die Zeit zurückdrehen. Dabei hatte der 42-Jährige erst in der vergangenen Woche seinen Rücktritt aus Johnsons Kabinett als Finanzminister verkündet. Es habe zwischen ihm und Johnson unterschiedliche Auffassungen in der Finanzpolitik gegeben, stand in seinem Rücktrittsgesuch. Nahezu zeitgleich gab auch Gesundheitsminister Sajid Javid seinen Rückzug bekannt.

Tatsächlich stand Johnson zur gleichen Zeit unter Druck wegen der Affäre um den Tory Chris Pincher: Dem Politiker wurde sexuelle Belästigung vorgeworfen. Johnson hievte Pincher 2019 in das wichtige Amt des "Chief Whip" in der Fraktion, obwohl er von den Vorwürfen bereits gewusst hatte.

Obwohl Sunak Pincher mit keiner Silbe erwähnte, war es wohl nicht nur für ihn der eine Skandal zu viel: Es folgte ein beispielloser Exodus weiterer Regierungsmitglieder, bis zwei Tage später auch Johnson öffentlich bekannt gab, nach der Wahl eines neuen Tory-Vorsitzenden die Downing Street zu verlassen.

Geschichte eines Aufsteigers

Laut Umfragen hätte Sunak derzeit sehr gute Chancen, der nächste Premierminister zu werden. Allerdings entscheiden am Ende nur die Parteimitglieder der Konservativen, wer Johnson zunächst als Parteichef und dadurch höchstwahrscheinlich auch als Premier beerben wird – und Sunaks Saubermann-Kurs ist nicht ohne Risiko: Der noch immer mächtige Zirkel von Johnson versucht ihn auf allen erdenklichen Ebenen zu attackieren. Zudem könnten ihn im Wahlkampf auch Fehler aus seiner Vergangenheit einholen. Hält er das durch?

Die Geschichte, die Sunak von sich in der Öffentlichkeit präsentiert, ist die eines Aufsteigers aus einer Einwandererfamilie: Seine Großeltern kamen in den 1960er-Jahren nach Southampton, Sunaks Mutter arbeitete als Apothekerin, sein Vater war Arzt. Sunak studierte in Oxford und Stanford. Dort lernte er seine spätere Frau Akshata Murty kennen, Tochter eines milliardenschweren indischen IT-Unternehmers. Vor seiner Politkarriere war Sunak im Finanzwesen tätig, unter anderem bei der Investmentbank Goldman Sachs.

Mangelnde Bodenhaftung?

"Meine Familie gab mir Möglichkeiten, von denen sie selbst nur träumen konnte", erzählt Sunak in einem Video, in dem er seine Kandidatur bekannt gab. Er sei Politiker geworden, weil jeder in Großbritannien die Chance haben sollte, seinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Doch seine Aufstiegsgeschichte bekam schnell Risse: Im Netz kursieren zurzeit Ausschnitte einer BBC-Dokumentation, die Sunak mit Anfang 20 zeigen. Dort spricht er davon, dass er Freunde aus der Oberschicht oder mit Adelstiteln habe, aber keine aus der Arbeiterklasse. Gerne ermutige er auch Kinder aus staatlichen Schulen dazu, sich später in Oxford zu bewerben. Er selbst besuchte als Schüler ein Eliteinternat.

Es sind Aussagen, die im noch immer klassenbewussten Königreich für Aufmerksamkeit sorgten. Plötzlich wirkte Sunak weniger als sympathischer Aufsteiger, sondern vielmehr wie ein Karriererist, dem es früh an Bodenhaftung mangelte.

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Beschädigt wurde Sunaks Image auch durch Meldungen im April: Während durch den Ukraine-Krieg auch auf der Insel die Preise stiegen, wurde öffentlich, dass seine Frau jahrelang Steuern in Millionenhöhe vermieden hat. Sie war in Großbritannien nicht offiziell gemeldet – eine legale Praxis. Doch die oppositionelle Labour-Partei warf Sunak Heuchelei vor.

Zur gleichen Zeit erhielt er im Zuge der "Partygate"-Affäre zudem einen Bußgeldbescheid: Gemeinsam mit Johnson und weiteren Regierungsmitgliedern hatte er im Juni 2020 gegen die Corona-Regeln verstoßen, als sie den Geburtstag des Premiers feierten.

Sunaks Umfragewerte sanken, nachdem er sich in der Pandemie eigentlich viel Sympathien erarbeitet hatte: Gegen die konservative Parteilinie ließ der Finanzminister die Schulden steigen, um viele Arbeitsplätze zu sichern.

Parteibasis entscheidet

Trotz der schlechten Publicity gilt Sunak weiter als Favorit auf die Nachfolge von Johnson. Um von den Parteimitgliedern gewählt zu werden, muss er zunächst mehrere Wahlrunden der konservativen Unterhausmitglieder überstehen. Berechnungen der Seite "Electionmaps" gehen davon aus, dass Sunak von mehr als 50 Parlamentariern gestützt wird. Mit etwas Abstand folgen dann die ehemalige Verteidigungsministerin Penny Mordaunt, Außenministerin Liz Truss und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Tom Tugendhat. Allerdings haben von den mehr als 350 Abgeordneten viele öffentlich noch keine Tendenz erkennen lassen.

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Zudem kommt es am Ende auf das Votum aller Parteimitglieder der Konservativen an. Dort lag Sunak in einer Umfrage von "Conservativehome" nur auf dem dritten Rang. Auch der Politologe Anthony Glees sieht derzeit noch ein offenes Rennen: "Es gibt keine einzige Figur, die sofort als Premierministerin antreten könnte", sagte Glees t-online unmittelbar nach dem angekündigten Rückzug von Boris Johnson.

Schlammschlacht droht

Zudem ist unklar, welche Wendungen der Wahlkampf noch nehmen wird: Politisch greifen ihn etwa seine Konkurrenten an, indem sie Steuersenkungen in Milliardenhöhe versprechen. Sunak stellt dagegen erst eine Senkung in Aussicht, wenn die Wirtschaft sich erholt und die Inflation zurückgegangen ist.

Doch die Konkurrenz greift auch zu deutlich schmutzigeren Methoden: Im Lager von Boris Johnson wird versucht, Sunak als Intriganten darzustellen, der von langer Hand den Sturz des Premiers geplant habe. Ein Mitarbeiter Johnsons nannte Sunak gegenüber der "Financial Times" einen "verräterischen Bastard."

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Lob für Johnson

Sunak will sich zumindest öffentlich nicht auf das Spiel einlassen. Am Mittwoch sprach er trotz der vielen Skandale von Johnson in den höchsten Tönen: Der Premier sei eine der bemerkenswertesten Personen, die er jemals getroffen habe, und habe zudem ein gutes Herz. Auch wolle er nicht dazu beitragen, Johnson und seine Leistungen zu "dämonisieren".

Dass er allerdings wohl schon länger Ambitionen auf Johnsons Posten hegt, ist kaum zu übersehen. Seine Kampagnenseite "readyforrishi.com" wurde bereits im Dezember des vergangenen Jahres angemeldet. Allerdings ist Sunak auch damit nicht allein: Seine Konkurrentin Penny Mordaunt sicherte sich die Seite "pm4pm.com" bereits am 24. Mai 2019. Es war der Tag, als Johnsons Vorgängerin Theresa May ihren Rücktritt vom Parteivorsitz verkündete.

Verwendete Quellen
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