Scholz verteidigt Ukraine-Kurs "Möglichkeiten der Bundeswehr sind weitgehend erschöpft"
Der Druck auf Deutschland steigt, der Ukraine Panzer und andere schwere Waffen zu liefern. Kanzler Scholz hat nun in einem Interview die Lieferung seinen Kurs verteidigt.
Olaf Scholz (SPD) hat in einem "Spiegel"-Interview weitere Waffenlieferungen an die Ukraine versprochen – räumte aber eine mangelnde Verfügbarkeit bei der Bundeswehr ein. "Die Möglichkeiten der Bundeswehr, aus ihrem Arsenal weitere Waffen zu liefern, sind weitgehend erschöpft. Was noch verfügbar gemacht werden kann, liefern wir aber auf jeden Fall noch – Panzerabwehrwaffen, Panzerrichtminen und Artilleriemunition", so Scholz.
Auch bezüglich gepanzerter Fahrzeuge und Artillerie wolle er Weiteres möglich machen: Truppentransporter und Artillerie seien schnell einsetzbar, sagt Scholz. Deshalb sei Deutschland bereit, "unseren Verbündeten beim Schnelltraining auf diesen Geräten zu helfen" und zu schauen, "ob sich geeignetes Gerät unsererseits noch beschaffen lässt".
Kurzfristig seien allerdings Waffen aus ehemaligen sowjetischen Beständen am sinnvollsten, mit denen die Ukrainer gut vertraut seien. Mittelfristig werde Deutschland der Ukraine jedoch dabei helfen, ihre Verteidigungsfähigkeit auszubauen, "auch mit westlichen Waffen".
Kanzler kontert "Arroganz"-Vorwurf
Bislang habe die Bundesregierung im Gespräch mit der deutschen Industrie und dem ukrainischen Verteidigungsministerium eine Liste von militärischer Ausrüstung erstellt, darunter wie bisher "Verteidigungswaffen und Mörser für Artilleriegefechte".
Embed
Zu dem jüngsten Vorwurf, er gehe arrogant mit Kritikern seiner Waffenexportpolitik um, sagte Scholz, man merke "wie angespannt die Lage ist, wenn ein Spruch in einem Radiointerview gleich als Beleidigung aufgefasst wird". Scholz hatte kritische Abgeordnete in dem entsprechenden Beitrag als "Jungs und Mädels" abqualifiziert, die sich ihr Wissen zusammengegoogelt hätten. "Natürlich gibt es bei einer so aufwühlenden Frage wie Waffenlieferungen viele, die eine andere Meinung haben als ich und das auch öffentlich sagen. Das gehört in einer guten Demokratie dazu."
Gefahr eines Atomkriegs mit Russland
Seine Zurückhaltung hinsichtlich der Lieferung schwerer Waffen erklärte Scholz mit der Gefahr eines Nuklearschlags durch Russland. "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem Dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben", so Scholz. Damit stellt der Bundeskanzler erstmals die kontinuierliche Weigerung der Bundesregierung, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern, in den Kontext einer atomaren Eskalation zwischen Russland und der Nato.
Bei der Frage von Waffenlieferungen stehe für ihn nicht "Angst" im Vordergrund, sagt Scholz, sondern seine "politische Verantwortung": "Ich habe einen Amtseid geschworen. Ich habe sehr früh gesagt, dass wir alles tun müssen, um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden."
Zwar gebe es "kein Lehrbuch für diese Situation, in dem man nachlesen könnte, ab welchem Punkt wir als Kriegspartei wahrgenommen werden, das Buch wird täglich neu geschrieben, manche Lektionen liegen noch vor uns". Aber aus Sicht von Scholz hätte schon die Einführung einer Flugverbotszone die Nato zur Kriegspartei gemacht.
Scholz: Putin steckt in Schwierigkeiten
Die Sorge des Kanzlers vor einer nuklearen Eskalation gründet auf der Zwangslage, in der Scholz den russischen Präsidenten Wladimir Putin sieht: "Russland steckt in dramatischen Schwierigkeiten, die Sanktionen richten gewaltige Schäden in Russlands Wirtschaft an, die Kette militärischer Niederlagen kann von keiner Regierungspropaganda mehr schöngeredet werden", so Scholz.
"Ein kalter Frieden, der nicht mit einem Abkommen besiegelt wurde, wird Russland nicht aus dem Sanktionsregime befreien. Putin steht gewaltig unter Druck."
- Spiegel: "Es darf keinen Atomkrieg geben"