Kurz vor den Wahlen UN-Vermittler in Libyen tritt zurück
New York/Tripolis (dpa) - Rückschlag im Friedensprozess: Nur einen Monat vor der geplanten Präsidentenwahl in Libyen ist der UN-Sonderbeauftragte für das Krisenland, Jan Kubis, überraschend zurückgetreten. Das bestätigten die Vereinten Nationen.
Die genauen Hintergründe blieben zunächst unklar. Ein UN-Sprecher betonte jedoch, dass der Slowake bis auf Weiteres im Amt bleibe und nach einem Nachfolger gesucht werde. Mit dem Rücktritt schwindet die Hoffnung auf längerfristige politische Stabilität in dem Wüstenstaat.
Kubis war erst Anfang des Jahres Vermittler geworden, nachdem UN-Generalsekretär António Guterres große Probleme hatte, die Stelle zu besetzen. Der eigentliche Favorit, der vorherige bulgarische Nahostgesandte Nikolai Mladenow, hatte sich kurz vor der Ernennung überraschend zurückgezogen. Zuvor war der ursprüngliche Vermittler, der Libanese Ghassam Salamé, unter Verweis auf hohen Stress und seine Gesundheit zurückgetreten. Zu Kubis Rücktritt sagte ein Sprecher ohne nähere Erläuterung, dies sei "keine totale Überraschung" für Guterres gewesen.
Die Libyer sollen am 24. Dezember einen Präsidenten und einige Wochen später ein Parlament wählen. Ein monatelanger Streit über Kandidaten, verfassungsrechtliche Grundlagen und den Ablauf sowie die Sicherheitslage im Land lässt viele zweifeln, ob die Wahlen stattfinden. In dem ölreichen Land am Mittelmeer war nach dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, in dem unzählige Milizen um Macht und Einfluss ringen und diverse Staaten mitmischen.
Ein direktes Aus für die Wahl bedeutet der Rücktritt nicht. Er ist aber die zentrale Figur im UN-Vermittlungsprozess, unter dem auch eine im Oktober 2020 vereinbarte Waffenruhe zustande kam. So entstanden der politische Fahrplan für Wahlen und die derzeit amtierende Übergangsregierung. Aus dem Sicherheitsrat verlautete, ein Grund könnte sein, dass Kubis sich nicht ausreichend unterstützt gefühlt habe. Auch von Unstimmigkeiten mit Guterres war die Rede - was der UN-Sprecher allerdings zurückwies.
Trotz der vielen Zweifel laufen die Vorbereitungen zur Wahl. Fast 100 Bewerber reichten Unterlagen ein. Die Wahlkommission teilte am Dienstag mit, deren Legitimität überprüfen lassen zu wollen. Ihre Unterlagen seien dafür auch an die Kriminalpolizei und die Generalstaatsanwaltschaft übermittelt worden.
Unter den 98 Bewerbern sind einige höchst umstrittene Namen. Kandidieren will unter anderem General Chalifa Haftar, dessen selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) über ein Jahr versucht hatte, die Hauptstadt Tripolis gewaltsam einzunehmen. Auch Gaddafis Sohn Saif al-Islam, der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gesucht wird, will antreten. Unter den Kandidaten sind zwei Frauen.