Mehr als 100 Tote Kritik und Sanktionsforderungen nach Eskalation in Myanmar
Berlin/Washington (dpa) - Die Bundesregierung und US-Präsident Joe Biden haben die exzessive Gewalt des Militärs in Myanmar gegen die landesweiten Proteste scharf kritisiert.
Regierungssprecher Steffen Seibert nannte es am Montag erschütternd, dass es fast täglich Todesopfer gebe, darunter auch Kinder. Die Bundesregierung fordert von den Militärmachthabern einen sofortigen Verzicht auf Gewaltanwendung, die Freilassung von Gefangenen und eine Rückkehr zur Arbeit demokratischer Institutionen.
Biden bezeichnete die Lage als abscheulich. Auf die Frage nach Sanktionen und einer Reaktion sagte Biden knapp: "Wir arbeiten gerade daran." Das Büro der Handelsbeauftragten Katherine Tai teilte am Montag mit, die USA setzten ein 2013 mit Myanmar geschlossenes Rahmenabkommen über Handel und Investitionen ab sofort und so lange aus, bis es in dem Land wieder eine demokratisch gewählte Regierung gebe.
Wie am Montag aus Kreisen des UN-Sicherheitsrats verlautete, hat Großbritannien für Mittwoch eine Sitzung des Gremiums hinter verschlossenen Türen angefragt. Nach einem früheren Treffen hatte der Rat die Gewalt in dem asiatischen Land bereits verurteilt - Einfluss auf das brutale Vorgehen des Militärs schien das aber nicht zu haben.
Auch Frankreich verurteilte aufs Schärfste die "blinde und mörderische Gewalt" der Sicherheitskräfte. Diese hätten Waffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt, Myanmar versinke jeden Tag tiefer in der "Tragödie", mahnte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Er forderte ein Ende der Gewalt und die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen.
In Myanmar hatte die Militärgewalt am Wochenende bei landesweiten Protesten mit mehr als 100 Toten einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Vereinten Nationen bezeichneten den Samstag als den "blutigsten Tag" seit dem Militärputsch vom 1. Februar. Unter den Toten waren Berichten zufolge mehrere Kinder und Jugendliche im Alter von5bis 15 Jahren.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte von der Bundesregierung, eigene Sanktionen zu erlassen. "Wir als Bundesrepublik Deutschland können ganz alleine - dafür braucht man keinen Sicherheitsrat - den Militärattaché und seinen Stab aus Deutschland ausweisen", sagte sie.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter machte sich für einen internationalen Krisengipfel stark. Europa müsse zudem gegenüber Moskau und Peking volle Kooperation im UN-Sicherheitsrat einfordern. "Wir müssen als Europäerinnen und Europäer geschlossen deutlich machen, dass wir ein Ende jeder Unterstützung und volle Kooperation im UN-Sicherheitsrat erwarten", sagte er der "Heilbronner Stimme".
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, sagte: "Deutschland und die Europäische Union sollten umgehend in enger Abstimmung mit den USA das bisher erlassene Sanktionsregime gegen die Militärführung ausweiten." Gyde Jensen (FDP), Vorsitzende des Bundestagsausschuss für Menschenrechte, sagte: "Es ist die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, konsequent die finanziellen Quellen der Militärjunta auszutrocknen, mit denen sie den Massenmord an der eigenen Bevölkerung finanziert." Auch sie sprach sich für neue Sanktionen aus. Die USA, die Europäische Union und Großbritannien haben nach dem Militärputsch bereits einzelne Sanktionen verhängt.
Das Militär hatte in Myanmar Anfang Februar gegen die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi geputscht. Die 75-Jährige sitzt seither im Hausarrest und wird von der Justiz verschiedener Vergehen beschuldigt. Die Demonstranten fordern eine Wiedereinsetzung von Suu Kyis ziviler Regierung.
Angesichts des brutalen Vorgehens der Militärjunta in Myanmar gegen Demonstranten bereitet sich das benachbarte Thailand auf eine Welle von Flüchtlingen vor. Wie Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha am Montag sagte, bereiten die örtlichen Behörden demnach Areale zur Unterbringung vor.
Auch am Montag protestierten Tausende gegen die Junta, darunter auch in der früher als Rangun bekannten Hauptstadt Yangon. Örtlichen Berichten zufolge gingen Einsatzkräfte mit Gewehren und Granaten gegen Demonstranten vor. Dabei sollen mehrere Menschen getötet und weitere verletzt worden sein.