Ausschreitungen Protest gegen britisches Polizeigesetz eskaliert
Bristol (dpa) - Brennende Polizeiautos, Angriffe mit Feuerwerkskörpern und etwa 20 verletzte Beamte: In Bristol sind Proteste gegen ein neues britisches Polizeigesetz eskaliert.
"Kill the Bill" lautete das Motto der zunächst friedlichen Demonstration - Kritiker wiesen am Montag darauf hin, dass dieses doppeldeutige Schlagwort die Gewalt angestachelt haben könnte. Denn "Bill" ist nicht nur das englische Wort für einen Gesetzentwurf, sondern auch - als "Old Bill" - ein Slang-Begriff für die Polizei. Das Motto konnte also auch als "Tötet die Polizei" gelesen werden.
Die Einsatzkräfte in der westenglischen Hafenstadt zeigten sich von der heftigen Attacke überrascht. Mit großer Mühe stemmten sie sich Hunderten Gewaltbereiten entgegen und verhinderten ein Eindringen in eine Polizeistation. Als "Mob wilder Tiere" bezeichnete ein Beamter die Angreifer. Bilanz: Mindestens zwei schwer verletzte Polizisten, sieben Festnahmen, die Fassade der Polizeistation beschädigt. Mehrere Einsatzfahrzeuge gingen in Flammen auf. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson verurteilte die "völlig inakzeptablen" Szenen.
Die schweren Ausschreitungen kamen unangekündigt. Aber sie werfen Schlaglichter auf gleich mehrere Themen, die derzeit die britische Gesellschaft umtreiben - und die alle eng miteinander verwoben sind.
Da ist zunächst das umstrittene Polizeigesetz (Police, Crime, Sentencing and Courts Bill) selbst. Das Vorhaben, das zuletzt vom Unterhaus angenommen wurde, sieht schärfere Strafen für eine Reihe von Verbrechen vor. Andererseits aber - und dieser Punkt sorgt für Kritik - soll die Polizei weitreichendere Befugnisse erhalten. So darf sie friedliche Demonstrationen bereits einschränken, wenn sie etwa wegen Lärms "die Öffentlichkeit einschüchtern" oder "schweres Missbehagen" auslösen. Bestraft werden können auch Demonstranten, die Beschränkungen nicht befolgen, von denen sie hätten wissen müssen - selbst wenn keine direkte Anordnung von Beamten vorliegt.
"Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Veränderungen in Protest-Taktiken gesehen, wobei Demonstranten Schlupflöcher im Gesetz ausgenutzt haben, die zu einem unverhältnismäßigen Maß an Behinderungen geführt haben", verteidigte Innenministerin Priti Patel ihren Entwurf jüngst im Parlament. Damit zielt die konservative Politikerin unter anderem auf Proteste der Umweltbewegung Extinction Rebellion, die London mehrmals lahmgelegt und die Polizei an ihre Grenzen gebracht hatten. Die Opposition wirft der Regierung hingegen vor, "unverhältnismäßige Kontrollen der freien Meinungsäußerung und des Demonstrationsrechts" durchsetzen zu wollen.
Dass ausgerechnet in Bristol die Proteste eskalieren, ist angesichts einer anderen Änderung, die das Gesetz vorsieht, auffällig. Künftig soll die Höchststrafe für die Beschädigung von Denkmälern massiv erhöht werden: auf zehn Jahre Haft. Hintergrund sind die Black-Lives-Matter-Proteste im Sommer 2020. In Bristol hatten damals Demonstranten die Statue eines Sklavenhändlers ins Hafenbecken geworfen. Anstatt Verständnis für die Beweggründe zu zeigen, sprachen Premier Johnson und Innenministerin Patel von Angriffen auf die britische Geschichte. Nun verschärft die Regierung die Tonart deutlich - und könnte die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben.
Für die britische Polizei ist es kein guter Zeitpunkt. Die Behörde steht stark in der Kritik. Das liegt an der teils gewaltsamen Auflösung einer Mahnwache: In London hatten vor gut einer Woche Hunderte Menschen einer 33-Jährigen gedacht, die mutmaßlich von einem Polizisten getötet wurde. Unter Berufung auf Corona-Maßnahmen schritt die Polizei ein - Bilder von Frauen in Handschellen und von männlichen Beamten, die zu Boden gerungen wurden, sorgten für Empörung.
Kritiker des Polizeigesetzes warnen nun, dass die Einsatzkräfte künftig einfacher gegen solche Versammlungen vorgehen könnten - Gewalt gegen Frauen in dem Entwurf hingegen aber gar nicht erwähnt werde. Doch die Eskalation in Bristol dürfte den Gesetzesgegnern nicht geholfen haben. Vielmehr hätten die Krawalle den Befürwortern in die Hände gespielt, befürchtet Bristols Bürgermeister Marvin Rees.