Dutzende Tote Proteste gegen Putsch – Militär in Myanmar verhängt Kriegsrecht
In Myanmar geht das Militär offenbar immer brutaler gegen die eigene Bevölkerung vor. Aus dem ganzen Land kommen Berichte über Menschen, die bei Protesten getötet oder schwer verletzt wurden.
Die Junta in Myanmar hat am Sonntag nach neuen Protesten das Kriegsrecht in zwei Stadtteilen von Yangon verhängt. Der Kommandeur in der Region Yangon erhalte entsprechende Vollmachten, um "effizienter die Sicherheit aufrechtzuerhalten sowie Rechtsstaatlichkeit und Ruhe zu gewährleisten", sagte ein Nachrichtensprecher im Staatsfernsehen.
Zehntausende Menschen waren am Wochenende in Myanmar wieder auf die Straßen gegangen, um gegen den Militärputsch zu protestieren. Allein zwischen Freitag und Sonntag sollen Militär und Polizei dabei mindestens 33 Menschen getötet haben. Die meisten Toten gab es laut Medien und Teilnehmern in der ehemaligen Hauptstadt Yangon (früher: Rangun).
Militär in Myanmar geht brutal gegen Demonstrierende vor
Im früheren Birma hatte sich das Militär am 1. Februar an die Macht geputscht und die bisherige faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi entmachtet sowie festgesetzt. Seitdem gibt es immer wieder Massenproteste. Polizei und Armee reagieren zunehmend mit Gewalt. Mehr als 80 Menschen wurden bereits getötet, wie die gemeinnützige Organisation für politische Gefangene, Assistance Association for Political Prisoners (AAPP), schätzte. Etwa 2.134 Menschen wurden ihr zufolge zudem festgenommen.
Tausende Demonstranten kamen einem Augenzeugen zufolge allein am Sonntag in der Gemeinde Hlaing Thar Yar im Westen von Yangon zusammen. Mindestens 15 wurden dort getötet, als Sicherheitskräfte die Proteste zerschlagen wollten, wie die Nachrichtenagentur Myanmar Now unter Berufung auf Krankenhausquellen und Rettungsdienste berichtete. Mindestens weitere fünf Menschen starben Berichten zufolge in anderen Stadtteilen Yangons.
Dutzende Schwerverletzte im ganzen Land
"Wir protestieren gegen das Militär und stellen uns diesem brutalen Durchgreifen", sagte der Anwohner Nay Ko Lin der dpa. "Die vielen Tausend Demonstranten in unseren Gemeinden heute zeigen, dass wir Ungerechtigkeit nicht akzeptieren und Gerechtigkeit wollen."
In Bago nordöstlich Yangons sei zudem ein Demonstrant am Sonntag erschossen worden, berichtete ein anderer Augenzeuge. Ein weiterer kam in Hpakant im nördlichen Staat Kachin ums Leben. Mindestens elf weitere Demonstranten waren zwischen Freitagabend und Samstag getötet worden, darunter in Yangon, Mandalay oder Pyay. Dutzende wurden Augenzeugen zufolge über das Wochenende schwer verletzt. Die Zahl der Toten werde deshalb wohl noch steigen, hieß es.
Vertrauter von Suu Kyi wendet sich an Öffentlichkeit
Mahn Win Khaing Than, ein Politiker der bisher regierenden Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) von Aung San Suu Kyi, wandte sich am Samstag erstmals als Chef einer neugegründeten Gruppe vom Militär abgesetzter Politiker an die Öffentlichkeit. Auf Facebook schwor er, die "Revolution" weiterzuführen. "Dies ist der dunkelste Moment unserer Nation und der Augenblick, in dem die Morgendämmerung naht", erklärte er.
Der Sender BBC berichtete, er und andere NLD-Politiker seien einer Festnahme entkommen und hätten im Untergrund eine Art zivile Gegenregierung gegründet. Mahn Win Khaing Than sei zum kommissarischen Leiter ernannt worden. Die Gruppe versuche nun, auf internationaler Ebene als rechtmäßige Regierung Myanmars anerkannt zu werden.
Sorge um Reporter in Myanmar
Unterdessen fordert die Deutsche Botschaft umgehenden Zugang zu dem festgenommenen polnischen Journalisten Robert Bociaga, der in Myanmar auch für die Deutsche Presse-Agentur arbeitet. Der Reporter war am Donnerstag Medienberichten zufolge in Taunggyi von Einsatzkräften festgenommen worden. Der 30-Jährige soll dabei auch geschlagen worden sein.
Die deutsche Botschaft in Myanmar, die dort auch für Polen die Interessen polnischer Staatsbürger vertritt, bemüht sich um Zugang zu dem Reporter, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist. Sie rief die Behörden am Samstag zu einer "fairen und menschlichen Behandlung" Bociagas auf.
Amnesty International (AI) verurteilte die zunehmenden Repressionen gegen Journalisten scharf. Einheimische Reporter müssten sich teilweise vor Verfolgung verstecken und inzwischen würden auch ausländische Medienvertreter an ihrer Arbeit gehindert und verfolgt, sagte der AI-Deutschlandchef Markus Beeko. Die Verhaftung Bociagas "passt in dieses Bild und ist aufs Schärfste zu verurteilen".
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP