Nach Video pro Nawalny Russischer Polizist nach stundenlangem Verhör gefeuert
Ruslan Agibalow ist Polizist in Russland – und rief zur Solidarität mit Kreml-Kritiker Alexej Nawalny auf. Dafür wurde er umgehend gefeuert, wie die zuständige Behörde mitteilte. Er habe die Ehre der Behörde beschmutzt.
Ein Polizist in Russland ist aus dem Dienst entlassen worden, nachdem er in einem Internetvideo Solidarität mit dem inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny bekundet hat. Ruslan Agibalow aus der Stadt Kursk rund 450 Kilometer südlich der Hauptstadt Moskau hatte vor den großen landesweiten Nawalny-Protesten am Wochenende den Clip "zur Unterstützung Alexej Nawalnys und aller politisch Gefangenen" veröffentlicht.
Er habe Angst, dass seine Kinder ihn irgendwann fragen würden: "Papa, was hast du dafür getan, dass wir in einem freien, florierenden Land leben können?", sagt Agibalow darin unter anderem. "Und ich habe darauf dann keine Antwort."
Agibalow: Wurde vier Stunden lang verhört
Der Polizist bat darum, seine Worte nicht als Aufruf zu den Protesten von Nawalny-Anhängern zu verstehen, die am Samstag in ganz Russland stattfanden. Dennoch wurde er wenig später entlassen, wie die Kursker Abteilung des Innenministeriums mitteilte. Der Polizist habe die Ehre seiner Behörde beschmutzt, hieß es als Begründung.
In einem zweiten Video auf dem Messenger-Dienst Telegram schildert Agibalow das Geschehen aus seiner Sicht: Der Polizist im Range eines Majors gibt an, mehr als vier Stunden lang verhört worden zu sein. Unter anderem sei er gefragt worden, ob er für das Video bezahlt worden sei. Schließlich habe man ihn mit der Begründung gefeuert, er habe mit seinem Verhalten das Ansehen der Polizei beschädigt.
Brutales Vorgehen gegen Demonstranten, Tausende Festnahmen
In einer beispiellosen Protestwelle hatten am Samstag nach Angaben der Organisatoren Zehntausende Menschen in mehr als 100 russischen Städten für die Freilassung des Oppositionsführers Nawalny demonstriert. Sie folgten dabei dem Ruf Nawalnys, der zum Protest gegen Putin aufrief. Allein in Moskau waren es nach einer Schätzung der Nachrichtenagentur AFP 20.000 Menschen, in St. Petersburg etwa 10.000.
In mehreren Orten kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Bei den landesweiten Protesten wurden nach Angaben von Bürgerrechtlern am Samstag mehr als 3.500 Menschen festgenommen worden. Allein in Moskau habe es etwa 1.360 Festnahmen gegeben, teilte die Organisation OWD Info am Sonntag mit. Mehrere Demonstranten wurden schwer verletzt. Die EU und die USA verurteilten das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Protest-Teilnehmer.
Das US-Außenministerium verurteilte das "harsche Vorgehen" gegen die Demonstranten und forderten eine sofortige Freilassung von Nawalny. Der britische Außenminister Dominic Raab kritisierte die Anwendung von Gewalt "gegen friedliche Demonstranten und Journalisten".
Frankreich fordert weitere Sanktionen gegen Russland
Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian rief im Gespräch mit dem Radiosender France Inter am Sonntag zu weiteren Sanktionen gegen Russland auf. Italien erklärte sich zur Unterstützung von EU-Sanktionen bereit, wie Außenminister Luigi Di Maio dem TV-Sender Rai sagte.
Der deutsche Europaminister Michael Roth erklärte sich solidarisch "mit denen, die friedlich protestieren und für Meinungsfreiheit einstehen". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warf Russland Unverhältnismäßigkeit vor. Der EVP-Fraktionschef im EU-Parlament, Manfred Weber, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: "Die EU-Außenminister dürfen sich nicht einmal mehr wegducken und es bei allgemeinen Appellen belassen."
Staatsanwaltschaft will wegen Polizeigewalt ermitteln
Die Staatsanwaltschaft von St. Petersburg teilte derweil mit, sie gehe Hinweisen auf mögliche Polizeigewalt bei den Protesten nach. Örtliche Medien hatten zuvor ein Video veröffentlicht, auf dem eine Demonstrantin mittleren Alters zu sehen ist, die zu Boden fällt, nachdem ein Polizist ihr in den Bauch trat.
Nawalny, der im August Opfer eines Giftanschlags geworden war, wurde vor einer Woche direkt nach seiner Rückkehr in Moskau inhaftiert. Der 44-Jährige soll gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben, während er sich in Deutschland von dem Attentat erholte.
- Nachrichtenagentur dpa und AFP