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Belarus: Die wichtigsten Antworten zur Lage nach der Präsidentschaftswahl


Die wichtigsten Fragen zur Belarus-Wahl
Die Wut auf "Europas letzten Diktator" wächst

Von dpa, afp, reuters, joh

Aktualisiert am 10.08.2020Lesedauer: 3 Min.
Belarus: Bei Ausschreitungen nach einem vermeintlich gefälschten Wahlergebnis sind etwa 3.000 Menschen festgenommen worden.Vergrößern des Bildes
Belarus: Bei Ausschreitungen nach einem vermeintlich gefälschten Wahlergebnis sind etwa 3.000 Menschen festgenommen worden. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Nach der Wahl in Belarus eskalieren die Proteste, viele Menschen vermuten Wahlfälschung. Tausende Demonstranten wurden festgenommen. t-online.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

In Belarus hat der langjährige Amtsinhaber Alexander Lukaschenko die Präsidentschaftswahl nach offiziellen Angaben mit überwältigender Mehrheit gewonnen. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, soll nur 9,9 Prozent der Stimmen erhalten haben. Die Opposition, die schon vor dem Urnengang mit Wahlbetrug rechnete, zweifelt das Ergebnis an. In der Nacht zu Montag demonstrierten deshalb landesweit Zehntausende Menschen gegen Wahlfälschung. Es kam zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei. 3.000 Menschen wurden laut Polizei festgenommen. Berichte, nach denen ein Demonstrant ums Leben kam, sind bislang noch nicht bestätigt worden.

In der Hauptstadt Minsk setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer, Gummigeschosse und Blendgranaten ein. Auf Videos war etwa zu sehen, wie Demonstranten aus Müllcontainern Barrikaden errichteten. Menschenmassen zogen durch die Straßen – auch in anderen Städten des Landes. In sozialen Netzwerken wurden immer wieder Szenen veröffentlicht, wie Polizisten brutal auf Menschen einprügelten.

Warum ist Amtsinhaber Lukaschenko so umstritten?

Der mit harter Hand regierende Amtsinhaber Alexander Lukaschenko kandidierte für eine sechste Amtszeit – er ist bereits seit 26 Jahren an der Macht. Seit Anfang an geht er gegen Oppositionelle vor, schränkt die Freiheit von Presse und politischen Organisationen ein. Unabhängige Beobachter werfen ihm zudem seit Jahrzehnten Manipulation bei Wahlen vor.

Ex-Außenminister Guido Westerwelle nannte ihn den "letzten Diktator Europas“. Lukaschenko soll darauf mit den Worten reagiert haben: "Es ist besser ein Diktator zu sein als schwul."

2010 hatte es nach der Präsidentschaftswahl Proteste gegeben. Danach hatte die EU Sanktionen gegen Belarus verhängt. Inzwischen sind diese allerdings wieder aufgehoben, unter anderem weil der Präsident den Westen wieder stark hofierte in Abgrenzung zu Russland.

Innerhalb von Belarus ist die Wut über Lukaschenko in der Corona-Pandemie noch einmal gestiegen. Während die Bevölkerung litt, tat der Staatschef die weltweiten Schutzmaßnahmen als "Psychose" ab, empfahl Wodka und Saunabesuche als Medizin. Lukaschenko selbst wurde später positiv getestet, überstand die Krankheit nach eigenen Angaben aber ohne Symptome. Die Bevölkerung sammelte schließlich selbst Masken und Geld für den Kampf gegen die Pandemie.

Wer ist die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja?

Die 37-Jährige kandidierte an Stelle ihres Ehemanns Sergej Tichanowski. Der regierungskritische Blogger sitzt in Haft – er soll an einer Verschwörung zur "Destabilisierung des Landes" beteiligt gewesen sein. Die Anschuldigungen könnten Experten zufolge politisch inszeniert sein.

Tichanowskaja wurde im Sommer unerwartet zur Wahl zugelassen und schloss daraufhin ein Bündnis mit zwei ausgeschlossenen Kandidaten. Mit deren Unterstützung organisierte Tichanowskaja Kundgebungen und veröffentlichte wirkungsvolle Videos in sozialen Netzwerken.

Einer der wichtigsten Punkte ihres Wahlprogramms war es, politische Gefangene freizulassen und freie Neuwahlen anzusetzen. Jetzt fordert sie Lukaschenko auf, die Macht abzugeben. Der Amtsinhaber redete ihre Erfolgschancen als "Hausfrau" und politische Newcomerin klein.

Wie ist die Lage für die Bevölkerung?

Symptomatisch: Viele der rund 6,8 Millionen Wahlberechtigten konnten wegen des großen Andrangs bis 19 Uhr ihre Stimme nicht mehr abgeben. Wahlleiterin Lilija Jermoschina sagte am Sonntagabend, dass die Anzahl der Stimmzettel nicht ausreichte. Niemand habe mit so einer hohen Beteiligung gerechnet, betonte sie.

Schon vor der Wahl beklagten Bürger, Regierungsgegner und Medien massive Internet-Probleme. Die Opposition warnte seit Tagen vor einer völligen Abschaltung. Die Bewegung "Ein Land zum Leben" von Oppositionskandidatin Tichanowskaja veröffentlichte für Internetnutzer Anleitungen, wie sie sich im Fall von Netzsperren verhalten sollten. Viele regierungskritische Portale waren gar nicht mehr aufrufbar. Selbst Korrespondenten russischer Staatsmedien beklagten, dass nichts mehr funktioniere.

Nicht nur die Freiheit der Menschen ist eingeschränkt. Die wirtschaftliche Situation ist für die Bevölkerung problematisch. Marieluise Beck vom Zentrum Liberale Moderne erklärte die "katastrophale" Lage in einem Interview mit dem Deutschlandfunk so: "Es ist ja fast noch eine weitgehende Staatswirtschaft, die ist antiquiert, sklerotisch würde ich sagen, erinnert ein bisschen an die DDR zu Honeckers Zeiten, und abhängig von Subventionen aus Russland."

Warum heißt Weißrussland jetzt Belarus?

Seit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit von Belarus 1991, ist das osteuropäische Land in Deutschland vor allem als Weißrussland bekannt. Vor einigen Monaten sind die Nachrichtenagenturen allerdings dazu übergegangen, anstelle von Weißrussland den Begriff Belarus zu verwenden. Diskussionen darüber gibt es allerdings seit Jahren.

Die Bezeichnung Weißrussland unterstellt noch immer eine starke Zugehörigkeit zu Russland, obwohl es sich um einen eigenständigen Staat handelt. Im Land selbst spricht die Bevölkerung von Belarus, auch das Auswärtige Amt nutzt diese Bezeichnung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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