Bei Angriff auf Kurden Erdogan und Trump diskutieren Sicherheitszone in Nordsyrien
Istanbul/Washington/Damaskus (dpa) - Im Ringen um eine Lösung für Nordsyrien nach dem Abzug der US-Truppen diskutieren die Türkei und die USA die Einrichtung einer "Sicherheitszone" entlang der syrisch-türkischen Grenze.
Trump habe die Idee während eines Telefonats in der Nacht wieder aufgebracht, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Rede vor Abgeordneten am Dienstag. Er finde das positiv. Nach der Rede sagte er der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge zu Journalisten: "Wenn die Koalitionskräfte, allen voran Amerika, uns logistisch und finanziell unterstützen, können wir so eine Sicherheitszone umsetzen."
Trump hatte die Zone vor zwei Tagen in einem Tweet erwähnt, ohne aber näher auf die Idee einzugehen. Erdogan zufolge soll die Zone rund 30 Kilometer tief sein. Wo sie beginnen und enden soll, blieb offen.
Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin sagte am Abend nach einer Kabinettssitzung, dass Erdogan so eine Zone schon seit vier Jahren fordere. Jetzt habe erstmals ein amerikanischer Präsident signalisiert, dass das umsetzbar sei. "Das ist erfeulich." Er zog einen Vergleich mit der von türkischen Truppen und ihren syrischen Verbündeten kontrollierten Zone westlich des Euphrat. Ein ähnliches Modell könne in Manbidsch und im Osten des Euphrats umgesetzt werden.
Wer in so einer Zone aus türkischer Sicht leben dürfte, blieb unklar. Allerdings liegen mit Kobane, Amudah und Kamischli wichtige Städte der syrischen Kurden direkt an der Grenze zur Türkei. Es ist fraglich, ob die Kurdenmiliz YPG einer solchen wahrscheinlich weitgehend entmilitarisierten Zone zustimmen und sich aus ihr zurückziehen würde.
US-Außenminister Mike Pompeo hatte am Montag in Riad zum Thema Sicherheitszone gesagt, aus US-Sicht gebe es zwei Ziele: Man wolle sicherstellen, dass die Türkei nicht von "Terroristen" aus Syrien angegriffen werden könne. Und: Sicherheit für die kurdische Miliz YPG, die den USA im Kampf gegen die Terrormiliz IS geholfen habe.
Der Umgang mit den mit den USA verbündeten kurdischen Kämpfern ist der größte Streitpunkt zwischen den USA und der Türkei beim Thema Syrien. Die Türkei plant seit langem eine Offensive gegen die YPG-Miliz in Syrien. Für die Türkei sind die kurdischen Kämpfer, die an der Grenze zur Türkei Gebiete beherrschen, Terroristen. Für die USA sind sie wichtige Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz IS.
Das Telefonat zwischen Erdogan und Trump folgte auf eine via Twitter ausgetragene Eskalation des Streits zwischen Washington und Ankara über die geplante türkische Offensive und sollte offenbar den Schaden begrenzen. Trump hatte in der Nacht auf Montag der Türkei mit "wirtschaftlicher Zerstörung" gedroht, sollte sie die kurdischen Verbündeten der USA angreifen.
Nach dem Telefonat vollzog er - ebenfalls via Twitter - aber wieder eine Kehrtwende: Man habe auch über die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder gesprochen, schrieb er - "großes Potenzial für einen deutlichen Ausbau!"
Das Telefongespräch sei "überaus positiv" gewesen, sagte Erdogan. Er und Trump seien sich zu vielen Themen einig gewesen - das habe "historische Bedeutung", sagte er laut Anadolu.
Die Sprecherin von Trump, Sarah Sanders, sagte nach dem Telefonat wiederum, der Präsident habe Erdogan versichert, dass man mit der Türkei zu ihren Sicherheitsbedenken in Nordost-Syrien arbeiten werde. Er habe aber gleichzeitig betont, dass die Kurden und andere Streitkräfte, mit denen die USA gegen den IS gekämpft hätten, nicht misshandelt werden dürften. Sie verwies auf ein Gespräch zwischen US-Generalstabschef Joseph Dunford und türkischen Repräsentanten bei einem Nato-Treffen in Brüssel. Dazu gab es zunächst keine Details.
Gleichzeitig rüstete die Türkei an der Grenze zu Syrien weiter auf. Der regierungsnahen Zeitung "Daily Sabah" vom Dienstag zufolge waren dort wieder Militärkonvois angekommen. Die Türkei steht in Nordsyrien gleich mehreren Herausforderungen gegenüber. Die umstrittene Offensive gegen die YPG plant das Militär für Gebiete östlich des Flusses Euphrat. Zugleich haben al-Kaida-nahe Rebellen die türkischen Stellungen westlich des Euphrat, wo die Türkei in der Provinz Idlib eine sogenannte Deeskalationszone überwachen soll, nun vollständig eingekreist, wie der türkische Syrien-Experte Fehim Tastekin am Montag im Polit-Blog Al-Monitor berichtete.
Am 23. Januar will sich Erdogan zum Thema Syrien auch mit Kreml-Chef Putin treffen. Unterdessen hat der neue UN-Vermittler Geir Pedersen erstmal Syrien besucht. Er traf am Dienstag in der Hauptstadt Damaskus mit Außenminister Walid al-Muallim zusammen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete. Al-Muallim erklärte demnach, Syrien sei bereit, mit Pedersen zu kooperieren. Ziel sei, eine politische Lösung für die Krise in Syrien zu finden.