Waffenruhe in Nahost? Das sind die Details des Geiseldeals
In Israel und Gaza hoffen viele Menschen auf ein Ende des Krieges. Doch das Geiselabkommen mit der Hamas hat viele Fallstricke.
Nach mehr als 15 Monaten Krieg gibt es erstmals Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe zwischen Israel und der islamistischen Terrorgruppe Hamas im Gazastreifen. Unter Vermittlung der USA und Katars haben sich beide Seiten auf ein mehrstufiges Abkommen geeinigt, das eine Freilassung israelischer Geiseln und eine Waffenruhe vorsehen. Viele Fragen sind noch offen, viele Aussichten ungewiss – ein Überblick.
Was sieht das Geiselabkommen mit der Hamas im Einzelnen vor?
Nach Angaben von US-Präsident Joe Biden sieht das Abkommen drei Phasen vor. Die erste Phase soll sechs Wochen dauern, sie sieht eine vollständige Waffenruhe und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens vor. Palästinenser sollen in alle Teile des Gazastreifens zurückkehren können. Es sollen außerdem zunächst Frauen, Ältere und verletzte Geiseln frei kommen.
Während Phase eins sollen die notwendigen Vereinbarungen für Phase zwei getroffen werden: einem dauerhaften Ende der Kämpfe. Die Waffenruhe soll andauern, solange diese Verhandlungen liefen – auch wenn sich dies länger als sechs Wochen hinzieht. In der zweiten Phase sollten dann alle restlichen lebenden Geiseln freigelassen werden, darunter auch männliche Soldaten. Israels Militär soll sich dann komplett aus dem Gazastreifen zurückziehen.
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In der dritten Phase sollen laut Biden die letzten Überreste getöteter israelischer Geiseln an ihre Familien zurückgegeben werden. Außerdem soll dann der Wiederaufbau im Gazastreifen beginnen.
Wann tritt das Abkommen in Kraft?
Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani hatte gestern verkündet, die Waffenruhe solle am Sonntag um 11.15 Uhr MEZ in Kraft treten und zunächst für 42 Tage gelten. Laut israelischen Medien sollen noch am selben Tag die ersten Geiseln nach Israel zurückkehren.
Während der Waffenruhe sollen 33 der insgesamt 98 Entführten im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikommen – wobei ungewiss ist, wie viele Geiseln überhaupt noch am Leben sind. Krankenhäuser in Israel haben sich auf die Aufnahme zutiefst traumatisierter und teilweise auch kranker und verletzter Menschen vorbereitet.
Wie stehen die Chancen, dass der Geiseldeal hält?
Angesichts des tiefen Misstrauens zwischen beiden Seiten ist offen, ob sich Israel und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden. So ist fraglich, ob man sich in der zweiten Phase der Abmachung auf die Freilassung der restlichen Geiseln wird einigen können.
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Israels Premierminister Netanjahu sieht sich bereits mit Vorwürfen konfrontiert, er habe mit dem jetzigen Deal die vorerst weiter im Gazastreifen verbleibenden Geiseln im Stich gelassen. Beobachter warnen, dass die Kämpfe nach Ablauf der Waffenruhe wieder beginnen könnten zumal es auf beiden Seiten Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt.
Andererseits gibt es in beiden Bevölkerungen eine große Sehnsucht danach, dass die Waffen nach 15 Monaten Krieg schweigen – die Kriegsmüdigkeit könnte daher stabilisierend wirken.
Wer soll in Zukunft regieren?
Weit auseinander liegen Israel und die Hamas bei der Frage, wer den großflächig zerstörten Gazastreifen künftig regieren soll. Israel lehnt eine weitere Herrschaft der Islamisten kategorisch ab und droht, es könne den Kampf wiederaufnehmen, bis die Macht der schon stark dezimierten Hamas endgültig gebrochen sei.
Die Hamas hingegen will eine Garantie, dass der Krieg endet – wohl auch, um sich neu aufzustellen und ihre alte Machtposition wieder einzunehmen. Zu klären wäre auch, wer den kostspieligen Wiederaufbau in einer auf zwei bis fünf Jahre angelegten dritten Phase des Abkommens übernehmen und finanzieren soll.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters