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Südkorea und seine Präsidenten: Entmachtet, verhaftet, zum Tode verurteilt


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Südkoreas Chaos-Präsidenten
Entmachtet, verhaftet, zum Tode verurteilt


Aktualisiert am 04.12.2024 - 17:28 UhrLesedauer: 8 Min.
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Südkoreas wichtigster Oppositionsführer, Lee Jae Myung (unten in der Mitte), spricht auf einer Kundgebung gegen den Präsidenten Yoon Suk Yeol vor der Nationalversammlung in Seoul: In Südkorea wurde am Mittwoch kurzzeitig das Kriegsrecht verhängt. (Quelle: Ahn Young-joon/dpa)

Die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea wird den Präsidenten Yoon Suk Yeol wohl das Amt kosten. Damit steht er in der Tradition seiner Vorgänger – nur einer ist bisher von Vorwürfen unbelastet.

K-Pop, Hochtechnologie, Bildungsnation: Südkorea gilt bei vielen als Paradebeispiel für ein modernes, demokratisches Land. Besonders die südkoreanische Popkultur hat sich in den vergangenen Jahren in rasantem Tempo rund um den Globus verbreitet.

Bei einigen Beobachtern dürfte der Chaostag am Dienstag der Reputation Südkoreas zumindest einen kleinen Schlag versetzt haben. Präsident Yoon Suk Yeol hatte überraschend das Kriegsrecht ausgerufen, bald darauf sperrte das Militär das Parlament ab, Demonstranten stellten sich den Soldaten entgegen. Nach nur wenigen Stunden jedoch war das, was die Opposition einen versuchten Staatsstreich nennt, schon wieder vorbei: Das Parlament rief Präsident Yoon einstimmig zur Aufhebung des Kriegsrechts auf. Er folgte dem Antrag notgedrungen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Video | Soldaten stürmen Parlamentsgebäude
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Quelle: reuters

Die Opposition will den Präsidenten nun seines Amts entheben. Schon am Freitag könnte darüber abgestimmt werden. Zudem will sie Strafanzeige wegen Verrats gegen Yoon stellen. Dem noch amtierenden Präsidenten droht damit das gleiche Schicksal wie vielen seiner Vorgänger. Denn nur ein einziger der 13 Präsidenten Südkoreas seit 1948 war nach seiner Amtszeit bisher nicht mit Gerichtsverfahren, Amtsenthebungen oder Haftstrafen belastet. Einer wurde sogar zum Tode verurteilt. t-online stellt die bewegte politische Geschichte des Landes vor.

Eine Republik zwischen Militärdiktatur und Demokratie

Am 15. August 1948 wurde die Republik Korea im Süden der koreanischen Halbinsel gegründet. Gut einen Monat später gründete sich im Norden, genauer in Pjöngjang, die Demokratische Volksrepublik Korea. Beide Regierungen erhoben den Anspruch, über die gesamte Halbinsel herrschen zu wollen. 1950 kam es deshalb zum Koreakrieg, der 1953 mit einem Waffenstillstand endete. Einen Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea gibt es bis heute nicht.

Südkorea ist laut Verfassung eine präsidentielle Demokratie. In den ersten knapp 40 Jahren seit Staatsgründung regierten jedoch alle Präsidenten mit repressivem bis autoritärem Stil. Zwischen 1960 und 1987 waren sogar ausnahmslos Militärregierungen in Seoul an der Macht. Die politische Geschichte des Landes aber begann mit Rhee Syng Man.

Rhee Syng Man (1948–1960)

Rhee wurde 1948 zum ersten Präsidenten der Republik Korea gewählt. Diktatorische Züge prägten seine Amtszeit. Besonders hart ging er gegen die linke Opposition vor. So kam es 1948, rund zwei Monate nach Rhees Amtsantritt, zur ersten Ausrufung des Kriegsrechts in der noch jungen Republik. Der Präsident nutzte dies, um einen Aufstand linker Rebellen auf der Insel Jeju-do brutal niederzuschlagen. Mehr als 27.000 Menschen sollen dabei getötet worden sein, mehrheitlich Zivilisten.

Während seiner Amtszeit rief Rhee insgesamt zehnmal das Kriegsrecht aus. 1952, 1956 und 1960 ließ er sich wiederwählen. Insbesondere die beiden letztgenannten Wahlen sollen jedoch manipuliert gewesen sein. 1960 fuhr er sogar ein 100-Prozent-Ergebnis ein, weil sein Konkurrent vor den Wahlen verstorben war. Infolgedessen kam es zur sogenannten Aprilrevolution, die von Studenten angeführt wurde und zu Rhees Rücktritt führte. Der erste Präsident Südkoreas floh mit Hilfe der USA nach Hawaii, wo er fünf Jahre später starb.

Yun Bo Seon (1960–1962)

Von Rhee übernahm Yun Bo Seon, der politische Zögling des ersten Staatschefs. Große Wirkkraft entfaltete er jedoch nicht, vor allem wegen innerparteilicher Streitigkeiten. Schon 1961 putschte das Militär unter Generalmajor Park Chung Hee gegen Yun, der 1962 zurücktrat. 1963 und 1967 trat er zwar erneut bei Wahlen an, verlor jedoch beide Male gegen Park.

Park Chung Hee (1962–1979)

Mit dem Militärputsch von Park wurde in Südkorea bereits zum elften Mal das Kriegsrecht ausgerufen. 1964 griff der Militär erneut zum Kriegsrecht, um Studentenproteste niederzuschlagen. 1972 rief er erneut das Kriegsrecht aus, um die Yushin-Verfassung durchzusetzen, die ihm diktatorische Macht verlieh sowie die Begrenzung von Wiederwahlen aufhob. 1974 entging Park einem Attentat.

Parks Amtszeit war von einem wirtschaftlichen Aufschwung Südkoreas geprägt, aber ebenso von der Verfolgung politischer Gegner. 1979 putschte Parks Geheimdienstchef Kim Jae Gyu gegen den Präsidenten, wobei Kim den Staatschef in dessen Residenz, dem Blauen Haus, mit mehreren Pistolenschüssen tötete. Kim gelangte jedoch nicht an die Macht, sondern wurde ein Jahr später in Seoul gehängt.

Choi Kyu Ha (1979–1980)

Für eine kurze Übergangszeit regierte Choi Kyu Ha, der zuvor bereits unter Park mehrere Jahre lang Außenminister sowie Diplomat gewesen war. Während seiner Präsidentschaft galt das Kriegsrecht ganze 440 Tage lang. Das Militär entmachtete Choi 1981.

Chun Doo Hwan (1980–1988)

Chun Doo Hwan gelangte nach dem Militärputsch an die Macht. Vor seiner Zeit als Präsident hatte er eine lange Karriere in der Armee gemacht. Als Staatschef griff er dann erneut hart gegen Oppositionelle durch. Schon im Mai 1980 rief Chun wegen des sogenannten Gwangju-Aufstands erneut das Kriegsrecht aus. Es war das letzte Mal, dass ein Präsident zu dieser Maßnahme griff – bis zum vergangenen Dienstag.

Wieder hatten sich damals Studenten gegen die Militärregierung gestellt. Die Regierung unterdrückte die Proteste mit aller Gewalt. Zwischen dem 18. und dem 27. Mai 1980 starben beim Gwangju-Massaker laut offiziellen Angaben 154 Demonstranten, mehr als 4.000 wurden verletzt. Das Hilfswerk "Terre des Hommes" hingegen geht von mehr als 2.000 Todesopfern aus.

1987 kam es dann zum sogenannten Juni-Kampf, zu weitgehend unblutigen Protesten gegen eine geplante Verfassungsänderung. Die Demonstrationen veranlassten die Regierung zu demokratischen Reformen. Der Nachfolger von Chun im Präsidentenamt wurde dennoch erneut ein Militär: Roh Tae Woo. Südkoreas letzter Militärdiktator Chun Doo Hwan wurde 1996 wegen Verschwörung und Aufstand zur Todesstrafe verurteilt. Später wurde das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. 1997 aber begnadigte der damalige Präsident Kim Young Sam seinen Vorvorgänger Chun.

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Roh Tae Woo (1988–1993)

Seine Wahl kam überraschend: Rohs Vorgänger Chun hatte ihn bereits zu seinem Nachfolger auserkoren, die Proteste dagegen machten ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. Da die Opposition bei den folgenden Wahlen aber mehrere Kandidaten ins Rennen schickte, konnte keiner von ihnen den Ex-Militär überflügeln. So wurde er demokratisch gewählt und trat seine fünfjährige Amtszeit an. Zuvor war die Verfassung geändert worden, sodass Präsidenten nur noch einmal für fünf Jahre gewählt werden können.

Mitte der 1990er-Jahre, nach seiner Amtszeit, wurde Roh wegen der Vorkommnisse während der Militärdiktatur vor Gericht gestellt. Wegen Hochverrats, Meuterei und Korruption erklärte ihn ein Richter für schuldig und verhängte eine 22-jährige Haftstrafe. Wenig später wurde die Haftdauer auf 17 Jahre verkürzt. Auch Roh wurde 1997 von Präsident Kim Young Sam begnadigt.

Kim Young Sam (1993–1998)

Nach 32 Jahren der Militärherrschaft kam mit Kim Young Sam der erste Zivilist an die Macht. Anders als seine Vorgänger kam Kim nach seiner Präsidentschaft nicht in Haft. Stattdessen war er bereits vor seiner Präsidentschaft im Hausarrest. Während der 1970er- und -80er-Jahre war Kim einer der führenden Oppositionspolitiker. Als solcher fiel er der politischen Verfolgung zum Opfer und wurde unter Hausarrest gestellt.

Kim Dae Jung (1998–2003)

Kim Dae Jung hatte bereits eine bewegte Karriere hinter sich, als er das Amt des Präsidenten übernahm. Wie auch sein Vorgänger war er während der Militärdiktatur ein führender Oppositionspolitiker, flüchtete wegen politischer Repressionen 1971 sogar nach Japan. Dort entführte ihn ein südkoreanisches Killerkommando, ließ ihn nach Intervention der USA jedoch wieder frei. Zurück in Südkorea, kam er dennoch in Hausarrest.

Als Präsident setzte er sich für eine Aussöhnung mit Nordkorea ein; die Ära wird heute als die der Sonnenschein-Politik bezeichnet. Im Jahr 2000 kam es dann sogar zum ersten Treffen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Il in Pjöngjang. Für seine Bemühungen bekam der südkoreanische Präsident im selben Jahr den Friedensnobelpreis.

Seine Annäherung an Nordkorea wurde jedoch zum Fallstrick. Zum Ende seiner Präsidentschaft wurde bekannt, dass vor dem Treffen mit Nordkoreas Machthaber Gelder des Hyundai-Konzerns unerlaubt in das Nachbarland geflossen waren. Auch Vertraute von Kim Dae Jung sollen profitiert haben. Kim starb 2009.

Roh Moo Hyun (2003–2008)

Auch Kims Nachfolger Roh Moo Hyun setzte sich für eine Aussöhnung mit Nordkorea ein. Als einer der Anführer des Juni-Kampfs von 1987 musste er für drei Wochen ins Gefängnis. Als Präsident hatte er vor den Wahlen für die Nationalversammlung 2003 seine Unterstützung für seine eigene neu gegründete Uri-Partei geäußert. Ein Jahr später stimmte das Parlament deshalb für seine Amtsenthebung. Das Verfassungsgericht hob die Entscheidung jedoch wegen unzureichender Argumentation auf.

Nach seiner Amtszeit kam es zu einem Verfahren wegen angeblicher Bestechung in seiner Familie, in die sowohl seine Frau als auch sein Bruder verwickelt waren. Roh nahm sich noch vor Ende des Verfahrens 2009 das Leben.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

Lee Myung Bak (2008–2013)

Lee verschärfte während seiner Präsidentschaft den Kurs gegenüber Nordkorea. Davon abgesehen, setzte sich der neue Präsident für niedrigere Unternehmenssteuern ein und ging gegen Gewerkschaften vor. 2018 – fünf Jahre nach Ende seiner Präsidentschaft – kam Lee wegen Vorwürfen der Korruption, des Machtmissbrauchs, der Steuerhinterziehung sowie Unterschlagung in Untersuchungshaft. Er wurde zunächst zu 15 Jahren Haft verurteilt, später wurde die Strafe auf 17 Jahre erhöht. 2022 begnadigte ihn der noch amtierende Präsident Yoon Suk Yeol.

Park Geun Hye (2013–2016)

Mit Park Geun Hye kam 2013 erstmals eine Frau in Südkorea an die Macht. Park ist die Tochter des Generals Park Chung Hee, der zwischen 1962 und 1979 Diktator war. Sie brachte ihre Amtszeit nicht zu Ende: Bereits 2016 wurde sie wegen Korruptionsvorwürfen suspendiert, im März 2017 dann des Amtes enthoben. Das Verfahren endete für Park mit einem Schuldspruch und einer 22-jährigen Haftstrafe. 2021 begnadigte Parks Nachfolger Moon Jae In die ehemalige Präsidentin.

Moon Jae In (2017–2022)

Anders als seine Vorgänger ist Moon bisher von Gerichtsverfahren, Korruptionsvorwürfen oder Haftstrafen verschont geblieben. Moon setzte sich erneut für eine Annäherung an Nordkorea ein, traf sich im September 2018 auch mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Dieser schenkte ihm bei der Gelegenheit zwei Jagdhunde. Wegen späterer Differenzen mit dem Kim-Regime gab Moon die Hunde 2022 wieder ab. Sie leben heute im Zoo von Gwangju.

Yoon Suk Yeol (2022–heute)

Der noch amtierende Präsident Yoon Suk Yeol ließ am vergangenen Dienstag längst verblasste Erinnerungen der Südkoreaner an die Militärdiktatur wieder aufleben, als er überraschend das Kriegsrecht ausrief. Jetzt könnte er der nächste in der Reihe des Amtes enthobener und mit Strafverfahren belegter südkoreanischer Staatschefs werden.

Yoon arbeitete einst als Staatsanwalt. 2022 kam er mit nur einem Prozent Vorsprung an die Macht. Yoon hatte zur Begründung für die Verhängung des Kriegsrechts erklärt, die Opposition sei Handlanger des kommunistischen Nordens. Die Ankündigung stieß umgehend auf vehemente Kritik und Widerstand. Das Parlament stimmte für eine Aufhebung des Kriegsrechts. Nicht nur die oppositionelle DP, die im Parlament über die Mehrheit verfügt, sprach sich dafür aus, sondern auch Yoons eigene Partei, die konservative Volksmacht-Partei (PPP). Es war das erste Mal seit 1980, dass in Südkorea das Kriegsrecht verhängt wurde.

Die kurzzeitige Ausrufung des Kriegsrechts könnte Experten zufolge innenpolitisch motiviert sein. Der Präsident leidet seit Monaten unter miserablen Umfragewerten. Während der vergangenen Wochenenden gingen vermehrt Demonstranten in der Seouler Innenstadt auf die Straßen, um Yoons Amtsenthebung zu fordern. Zudem kursieren seit Längerem Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Gleichzeitig stritten sich das Regierungslager und die Opposition im Parlament um den Staatshaushalt für das kommende Jahr.

Im südkoreanischen Staatssystem hat der Präsident eine starke Position. Auch der Ministerpräsident ist ihm deutlich untergeordnet. Die Macht des direkt gewählten Präsidenten ist also vergleichsweise umfassend, allerdings darf er nach einer einmaligen, fünfjährigen Legislaturperiode nicht wiedergewählt werden. Angesichts des öffentlichen Drucks halten Experten es für unwahrscheinlich, dass Yoon bis zum Ende seiner Legislaturperiode 2027 im Amt bleiben wird.

Verwendete Quellen
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