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Großbritannien: Rishi Sunak drückt Ruanda-Deal durch – Abschiebungen


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Umstrittener Deal in Großbritannien
Nun droht die Revolte


23.04.2024Lesedauer: 4 Min.
Für Großbritanniens Premier Rishi Sunak ist der umstrittene Abschiebe-Deal ein Prestigeerfolg.Vergrößern des Bildes
Für Großbritanniens Premier Rishi Sunak ist der umstrittene Abschiebe-Deal ein Prestigeerfolg. (Quelle: Leon Neal/Pool via REUTERS)
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Nach monatelangem Hickhack hat das britische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das Abschiebungen von Asylbewerbern nach Ruanda ermöglichen soll. Doch das Gesetz könnte der Regierung um die Ohren fliegen.

Aus London berichtet Sascha Zastiral

Die umstrittenen Pläne der Regierung in London, Asylbewerber noch vor Abschluss ihrer Verfahren nach Ruanda abzuschieben, führen in Großbritannien schon seit Jahren zu Streit. In der Nacht auf Dienstag kam für Premier Rishi Sunak der Durchbruch: Die letzten Gegner des Gesetzes, das die Abschiebungen ermöglichen soll, gaben ihren Widerstand im House of Lords, dem Oberhaus des britischen Parlaments, auf. Bereits im Juli möchte die Regierung die ersten Asylbewerber in das afrikanische Land verfrachten.

Dass die Schwierigkeiten für die Regierung in London damit enden, ist jedoch unwahrscheinlich. Am Dienstagmorgen kritisierten hochrangige Vertreter des Europarates und der Flüchtlingsagentur der Vereinten Nationen UNHCR das neue Gesetz scharf. Auch der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte übte scharfe Kritik. Alle drei Experten forderten die britische Regierung dazu auf, die neuen Befugnisse, die sie sich selbst gegeben hat, nicht zu nutzen.

"Fokus liegt jetzt darauf, Flüge in die Luft zu bekommen"

Damit dürften sie auf taube Ohren stoßen. Premier Rishi Sunak bekräftigte am Dienstagmorgen, dass seine Regierung an den geplanten Abschiebungen nach Ruanda festhalten werde. Er versuchte, die Maßnahme so darzustellen, als diene sie in erster Linie dem Schutz von Flüchtlingen: Die Abschiebungen sollten "gefährdete Migranten von riskanten Überquerungen" abhalten und "das Geschäftsmodell der kriminellen Banden zerstören", die sie ausbeuteten. "Unser Fokus liegt jetzt darauf, Flüge in die Luft zu bekommen, und ich bin entschlossen, dass nichts uns dabei im Wege stehen wird, Leben zu retten."

Dass die Überfahrten über den Ärmelkanal, bei denen jedes Jahr Tausende von Menschen irregulär nach Großbritannien einreisen, gefährlich sind, bezweifelt niemand. Erst am Dienstagmorgen kamen bei einer solchen Überfahrt fünf Menschen ums Leben, darunter ein Kind. Ob die Abschiebeflüge nach Ruanda Flüchtlinge von der gefährlichen Überfahrt abhalten werden, ist jedoch zweifelhaft. Zudem möchte Sunak mit den Abschiebungen wohl in erster Linie seine schwer angeschlagene Regierung retten.

Direkte Folge des Brexits

Das Phänomen der Bootsflüchtlinge ist eine direkte Folge des EU-Austritts. Seit dem Ende der Brexit-Übergangsfrist Anfang 2021 hat Großbritannien kein Rückführungsabkommen für Flüchtlinge mit seinen europäischen Nachbarländern mehr. Für eine konservative Regierung, die mit Sunak auch noch von einem langjährigen Brexit-Unterstützer angeführt wird, sind die Boote daher ein massives Imageproblem. Zumal Sunak den Stopp der Boote zu einer seiner höchsten Prioritäten erklärt hat.

Die kontroversen Pläne hat Sunak dabei von seinem Vor-Vorgänger Boris Johnson geerbt. Der gab diese im April 2022 bekannt – just zu der Zeit, als er sich nach einer Reihe von Skandalen gegen Rücktrittsforderungen stemmte. Die damalige Innenministerin Priti Patel und Ruandas Außenminister Vincent Biruta unterzeichneten kurz darauf ein entsprechendes Abkommen.

"Schritt in Richtung Totalitarismus"

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg stoppte im Juni desselben Jahres jedoch den ersten geplanten Flug. Britische Gerichte begannen, sich mit den geplanten Abschiebungen zu befassen. Der Supreme Court in London, das oberste Gericht des Landes, erklärte die Pläne im vergangenen November in letzter Instanz für illegal. Die Richter bemängelten unter anderem, dass keine ordnungsgemäße Bewertung darüber vorgenommen worden sei, ob Ruanda für Flüchtlinge sicher ist.

Rishi Sunaks Regierung unterzeichnete daraufhin im Dezember ein leicht abgewandeltes Abkommen mit der Regierung in Kigali. Und sie setzte das umstrittene Gesetz in Gang, das nun in Kraft tritt. Und dieses Gesetz hat es in sich.

Denn es legt einseitig fest, dass Ruanda ein sicherer Drittstaat sei – und widerspricht damit der Entscheidung des Supreme Court. Das Gesetz legt zudem fest, dass Gerichte, die sich mit Abschiebungsentscheidungen befassen, nicht länger in Erwägung ziehen dürfen, ob Ruanda ein sicheres Land ist oder nicht. Kritiker sehen in dem geplanten Gesetz einen autoritären Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz. Der Jurist Alex Carlile, der als parteiloses Mitglied im Oberhaus sitzt, bezeichnete die Pläne der Regierung während einer Debatte als "Schritt in Richtung Totalitarismus".

Klagewelle bahnt sich an

Dass Sunak die Entscheidung des obersten Gerichts im November nicht zum Anlass genommen hat, um die umstrittene Maßnahme aus der Johnson-Ära fallenzulassen, könnte ihm noch auf die Füße fallen. Denn jetzt bahnt sich eine Klagewelle an, die seine Pläne ein weiteres Mal verzögern oder sogar stoppen könnte. So droht die Gewerkschaft FDA, die hochrangige Beamte vertritt, bereits mit einer Klage gegen die Regierung. Der Vorwurf: Beamte könnten gegen internationales Recht verstoßen, wenn sie das Ruanda-Gesetz der Regierung umsetzen.

Menschenrechtsanwälte dürften gegen jede einzelne geplante Abschiebung prozessieren. Und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg könnte die geplanten Abschiebeflüge per Eilantrag abermals stoppen. Spätestens dann könnte innerhalb der regierenden Tory-Partei eine offene Revolte gegen Rishi Sunak ausbrechen. Deren rechter Flügel fordert schon lange, dass Großbritannien die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen soll.

Tories droht eine vernichtende Niederlage

Bei den Tories ist die Stimmung ohnehin miserabel. Denn Umfragen zufolge droht ihnen bei den kommenden Wahlen, die spätestens im Januar abgehalten werden müssen, eine vernichtende Niederlage.

Umfragen deuten zudem darauf hin, dass die geplanten Abschiebungen – die schon jetzt mindestens 340 Millionen Pfund verschlungen haben – bestenfalls einen minimalen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen haben werden. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage erklärten gerade einmal zehn Prozent der Befragten, dass sie eine erfolgreiche Umsetzung der Abschiebeflüge in jedem Fall als Erfolg bewerten würden. 22 Prozent erklärten, dass die Flüge die Zahl der Bootsüberfahrten über den Ärmelkanal deutlich verringern müssten, um erfolgreich zu sein. 25 Prozent sagen, die Abschiebungen wären nur dann ein Erfolg, wenn sie die Ankunft der Flüchtlinge per Boot ganz stoppen würden.

Letzteres ist kaum zu erwarten. Die Zahl der Personen, die irregulär über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangen, stieg zuletzt um ein Viertel. Die oppositionelle Labour-Partei bekräftige am Dienstag, dass sie die Abschiebungen nach Ruanda im Fall eines wahrscheinlichen Wahlsieges stoppen würde.

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