Reaktionen auf Irans Angriff Baerbock: Iran führt Nahen Osten "an den Rand des Abgrunds"
Nach dem iranischen Angriff auf Israel steigt die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Israel diskutiert weitere Maßnahmen, China zeigt sich besorgt, die USA rufen ein G7-Treffen ein. Die Reaktionen um Überblick.
Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und den erklärten Erzfeind Israel erstmals direkt angegriffen. Rund 300 Drohnen und Raketen feuerte das Mullah-Regime nach israelischen Angaben auf Israel, nur wenige allerdings schlugen ein. Einen Überblick über den Angriff finden Sie hier. Nun steigt die Sorge vor einem Flächenbrand in Nahost, wie die internationalen Reaktionen zeigen.
Nach den Worten von Verteidigungsminister Joav Gallant hat Israel die erste große Welle iranischer Drohnen- und Raketenangriffe abgewehrt. Die Konfrontation sei aber noch nicht vorbei, sagt er in einer Video-Botschaft. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt auf dem Kurznachrichtendienst X: "Wir haben abgefangen, wir haben abgewehrt, zusammen werden wir gewinnen."
Der Chef-Sprecher des israelischen Militärs, Konteradmiral Daniel Hagari, bezeichnete Irans Vorgehen als "sehr schwerwiegend". Die Region werde dadurch in eine Eskalation gedrängt. Die israelischen Streitkräfte seien weiterhin voll einsatzfähig. Weitere Maßnahmen würden diskutiert.
China äußert "tiefe Besorgnis"
China zeigte sich angesichts der Eskalation tief besorgt. "China bringt seine tiefe Besorgnis über die aktuelle Eskalation zum Ausdruck und fordert die maßgeblichen Parteien auf, Ruhe und Zurückhaltung zu üben, um weitere Eskalationen zu verhindern", sagte ein Außenamtssprecher.
Die Volksrepublik rufe die internationale Gemeinschaft, "insbesondere Länder mit Einfluss, dazu auf, eine konstruktive Rolle für den Frieden und die Stabilität der Region zu spielen".
Biden ruft G7-Treffen ein
US-Präsident Joe Biden wird sich an diesem Sonntag mit der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien beraten. Er werde die Staats- und Regierungschefs der G7 zusammenrufen, "um eine gemeinsame diplomatische Reaktion auf den dreisten Angriff des Irans zu koordinieren", teilte Biden in Washington mit. Er habe kurz zuvor mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu telefoniert und ihm Amerikas unerschütterliche Unterstützung für die Sicherheit Israels zugesichert.
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Israel sei in der Lage gewesen, eine beispiellose Angriffswelle abzuwehren. Dies sei "eine klare Botschaft an seine Feinde, dass sie die Sicherheit Israels nicht wirksam bedrohen können". Auf der Plattform X schrieb er: "Unser Engagement für die Sicherheit Israels gegen die Bedrohungen durch den Iran und seine Stellvertreter ist unumstößlich", schrieb Biden einem Beitrag auf X. Dazu veröffentlichte er ein Foto von einem Treffen mit seinem Krisenstab im Situation Room, dem Einsatzzentrum im Weißen Haus.
Kritik kam aus dem eigenen Land. Der voraussichtliche republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump sagte bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Pennsylvania: "Die Schwäche, die wir gezeigt haben, ist unglaublich." Er fügte hinzu: "Es wäre nicht passiert, wenn wir im Amt wären."
Baerbock: Iran hat Nahen Osten "an den Rand des Abgrunds geführt"
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wirft der iranischen Regierung vor, mit dem Großangriff auf Israel eine schwerwiegende Eskalation in der Region riskiert zu haben. "Das iranische Regime hat sehenden Auges den ganzen Nahen und Mittleren Osten an den Rand des Abgrunds geführt", sagte Baerbock am Sonntag nach einem Treffen des Krisenstabs im Auswärtigen Amt. Die "weltweiten Verurteilungen" des iranischen Vorgehens zeigten, dass Teheran mit seinem "aggressiven Verhalten" isoliert sei.
Wie Biden kündigte auch Kanzler Olaf Scholz Beratungen an. "Wir stehen eng an der Seite Israels und werden jetzt mit unseren Verbündeten alles Weitere besprechen", schrieb er auf der Plattform X. "Der Luftangriff auf israelisches Staatsgebiet, den Iran heute Nacht begonnen hat, ist unverantwortlich und durch nichts zu rechtfertigen. Iran riskiert einen Flächenbrand."
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Auch der britische Premierminister Rishi Sunak hat den iranischen Angriff auf Israel "auf das Schärfste" verurteilt. "Diese Angriffe bergen die Gefahr, die Spannungen zu verschärfen und die Region zu destabilisieren", sagte Sunak einer Mitteilung vom Samstagabend. "Der Iran hat wieder einmal gezeigt, dass er vorhat, Chaos in seinem eigenen Hinterhof zu stiften."
Iran rechtfertigt Angriff mit "Recht auf Selbstverteidigung"
Das iranische Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat in den sozialen Medien seine Drohungen gegen den jüdischen Staat bekräftigt. "Das boshafte Regime wird bestraft werden", heißt es beim offiziellen Account des Religionsführers auf der Plattform X. Das Zitat stammt aus einer Rede vom vergangenen Mittwoch.
Der Iran hat sich in einer Stellungnahme auf den Artikel 51 der UN-Charta berufen, um seinen Angriff auf Israel zu rechtfertigen. Dieser behandelt das Recht auf Selbstverteidigung. Man habe auf die "Aggression" Israels durch einen Bombenangriff auf eine iranische diplomatische Mission in Damaskus reagiert. Dabei waren hochrangige Militärvertreter getötet worden.
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Russland: Probleme mit politischen und diplomatischen Mitteln lösen
Russland stellte sich an die Seite Irans. Das Land berufe sich bei seinem Raketenangriff auf Israel auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta nach der Attacke auf die iranische Botschaft in Damaskus, erklärte das russische Außenministerium. Russland habe den damaligen Vorfall klar verurteilt. "Leider konnte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wegen der Haltung seiner westlichen Mitglieder nicht angemessen auf den Schlag gegen die iranische konsularische Vertretung regieren."
Der Kreml stellte die Eskalation in den Zusammenhang zahlreicher ungelöster Konflikte im Nahen Osten, vor allem des israelisch-palästinensischen Konflikts. Diese Konflikte würden durch "unverantwortliche provokative Handlungen" noch verschärft, hieß es in der Mitteilung. "Wir rufen alle beteiligten Seiten zu Zurückhaltung auf." Die Staaten der Region sollten die Probleme mit politischen und diplomatischen Mitteln lösen. Dazu sollten die "konstruktiv gesonnenen internationalen Kräfte" beitragen.
Oppositioneller: "Chameneis Krieg ist nicht Krieg des Iran"
Der iranische Kronprinz Reza Pahlavi, ein Oppositioneller, verurteilt hingegen den Angriff auf Israel: "Chameneis Krieg ist nicht der Krieg des Iran oder der iranischen Nation", schreibt Pahlavi, der in den Vereinigten Staaten im Exil lebt, auf Facebook. "Chamenei und sein Regime haben den Iran in ein rückständiges und isoliertes Land verwandelt, und indem sie die Nation und den Staat in einen weiteren Krieg verwickeln, tragen sie nur zum Elend der Iraner bei", fügt er hinzu.
Der Weg zu "dauerhaftem Frieden und Sicherheit im Nahen Osten", schreibt Pahlavi, "besteht darin, das iranische Volk zu unterstützen, das dafür kämpft, unser Land und unseren rechtmäßigen Platz in der Welt zurückzuerobern." Auch weitere prominente iranische Oppositionelle verurteilen den Angriff und bezeichnen ihn als Verstoß gegen den Willen der meisten Iraner. Sie fordern die Bevölkerung auf, sich dem Regime entgegenzustellen.
Djir-Sarai fordert andere Iran-Politik der EU
Deutsche Politiker fordern die EU auf, ihre Politik zu überdenken. "Die EU braucht dringend eine andere Iran-Politik", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem "Spiegel". Iran habe viele Konflikte im Nahen Osten verursacht. "Das Regime in Teheran finanziert und unterstützt Terrororganisationen."
Auch SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sieht ein Versagen der europäischen Diplomatie. "Auch wenn die Aggression des iranischen Regimes durch nichts zu rechtfertigen ist, wird hier auch deutlich, wie sehr gerade die europäische Diplomatie in der Region versagt hat", sagte er dem "Spiegel".
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, fordert von Kanzler Olaf Scholz, klare Worte an die chinesische Regierung zu richten. Scholz ist am Samstag zu einem Besuch in China aufgebrochen, am Dienstag soll er Präsident Xi Jinping treffen. "Anlässlich des Besuches des Kanzlers sollte der chinesische Präsident daher Teheran klarmachen, dass die Angriffe auf Israel umgehend gestoppt gehören. Ich bin sicher, sein Arm reicht so weit", sagte Strack-Zimmermann dem "Spiegel".
Die militärischen Spannungen im Nahen Osten hatten sich verschärft, nachdem es bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff am 1. April auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus mehrere Tote gegeben hatte. Darunter waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa