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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verbleibende Hamas-Geiseln Die Uhr tickt
Die Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel ist beendet und damit auch die Freilassung israelischer Geiseln. Mehr als 100 Entführte werden noch vermisst.
Der Deal zwischen Israel und Gaza ist vorerst vorbei: Am Freitagmorgen sind Raketen auf israelisches Staatsgebiet geflogen und im Norden des Gazastreifens brachen schwere Kämpfe aus. In den vergangenen sieben Tagen hatten die Waffen in Nahost geschwiegen – und die Hamas hatte 105 Geiseln im Gegenzug für 240 palästinensische Gefängnisinsassen freigelassen.
Mehr als 100 Menschen werden weiter vermisst, nach israelischen Angaben sollen es 137 sein. Darunter sind hauptsächlich Israelis, aber auch ausländische Staatsbürger wie Thailänder und Nepalesen. Sie waren als Gastarbeiter in Israel, als die Hamas am 7. Oktober in das Land einfiel, mehr als 1.200 Menschen tötete und etwa 240 verschleppte.
Vieles über ihren Verbleib ist unsicher: Wo sich die Geiseln befinden, etwa. Wie es ihnen geht. Wie viele von ihnen noch leben. Die israelischen Truppen konnten bislang die Leichen von mindestens zwei Geiseln in Gaza sicherstellen. Und am Freitagmittag meldete die Siedlung Nir Oz, dass zwei ihrer entführten Bewohner tot seien, offiziell bestätigt ist das bislang nicht. In einem Fernsehinterview am Donnerstag sagte ein Hamas-Sprecher auf die Frage, wie viele Geiseln noch leben: "Ich weiß es nicht." Auf die schockierte Nachfrage der Reporterin, was das bedeuten solle, antwortete er lediglich: "Die Zahl ist nicht so wichtig."
Für die verbliebenen Geiseln tickt die Uhr
Klar ist, dass die Zeit gegen die Geiseln arbeitet. Zurückgekehrte berichteten, dass sie nur wenig zu essen bekommen hätten, an einigen Tagen gar nichts. Sie hätten teilweise deutlich Gewicht verloren – auch die Kinder unter ihnen. Der Großteil der entführten Minderjährigen ist zwar in den vergangenen Tagen freigekommen, die Hamas hatte vorrangig Minderjährige, Mütter mit Kindern und alte Menschen übergeben. Doch noch immer werden ein zehn Monate altes Baby und dessen vierjähriger Bruder vermisst. Sie waren mit ihrer Mutter entführt worden.
Die Hamas behauptete am Mittwoch, sie seien durch einen israelischen Luftschlag ums Leben gekommen, lieferte aber keine Belege. Die Terrororganisation zerrte dafür den ebenfalls entführten Vater, Yarden Bibas, vor die Kamera. Der sichtlich trauernde Mann beschuldigte dort die israelische Regierung, für den Tod seiner Familie verantwortlich zu sein. Eine ähnliche Behauptung hatte sich in einem anderen Entführten-Fall als unwahr herausgestellt. Mehr dazu lesen Sie hier.
Zuvor hatte das israelische Militär mitgeteilt, dass die Hamas die Mutter und ihre Kinder nach ihren Informationen an eine andere Terrororganisation übergeben habe – die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Die nichtreligiöse PFLP hat eine marxistisch-leninistische Ausrichtung.
Die Seite "Bring them home now" listet neben der vierköpfigen Familie noch 112 weitere Israelis auf, die weiter vermisst sind. Unter ihnen ist auch die 26-jährige Noa Argamani, die das Musikfestival in der Negev-Wüste besuchte, das eines der Hauptziele der Hamas war. Ein Video zeigt, wie sie von ihrem Freund, Avinatan Or, ebenfalls noch vermisst, getrennt und von Männern in Zivilkleidung auf einem Moped entführt wird. "Tötet mich nicht", schreit sie. Weitere Männer führen Or ab, die Hände auf dem Rücken gefesselt.
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Die Entführung am 7. Oktober überlebte sie, Bilder zeigten sie einige Tage später in Geiselhaft. Doch es ist unklar, wie es für sie und den 30-jährigen Or weiterging. Es ist allerdings davon auszugehen, dass beide nicht zusammen sind. Die Hamas hält den Berichten von Zurückgekehrten zufolge Männer und Frauen nicht gemeinsam gefangen.
Das Paar lebte vor der Entführung in Tel Aviv, plante, zusammenzuziehen. Die beiden schafften es auf dem Musikfestival, sich mehrere Stunden lang vor den Terroristen zu verstecken. Wie "The Times of Israel" berichtet, sprach Or währenddessen kurz mit Argamanis Vater am Telefon. "Wir sind okay, ich rufe in zehn Minuten zurück." Danach war Funkstille.
Ebenfalls weiter vermisst wird die 18-jährige Liri Albag. Sie war als Soldatin auf dem Stützpunkt Nahal Oz stationiert, der von der Hamas überfallen wurde. Erst drei Tage zuvor war sie dort angekommen. Am frühen Morgen des 7. Oktober ließ sie ihre Mutter noch wissen, dass sie sich vor Raketen in einem Schutzraum versteckt. Später identifizierte Shira Albag ihre Tochter auf einem Entführungsvideo, berichtet "The Times of Israel".
"Die Frage ist, ob sie es wollen"
Derzeit mehren sich die Berichte, dass selbst die Hamas nicht genau weiß, wo sich viele der Geiseln befinden. So wird etwa vermutet, dass die Terrororganisation Geiseln in ihren Tunneln gefangen hielt, die Israel vor der Waffenruhe gezielt angegriffen hat. Nun soll die Hamas Schwierigkeiten haben, die Geiseln wiederzufinden.
Einige Geiseln befinden sich zudem in den Händen anderer Terrorgruppen, wie dem Islamischen Dschihad. Die Gruppe behauptete am Mittwoch, sie habe 30 Geiseln in ihrer Gewalt, 20 weitere könnten bei kleineren Gruppierungen sein, berichtet die US-Nachrichtenagentur Reuters. Einige von ihnen könnten mittlerweile aber schon frei sein, denn der Islamische Dschihad kooperierte offenbar bei der Rückgabe der Geiseln mit der Hamas.
In Israel wird vermutet, dass hinter diesem Chaos Kalkül steckt. "Es ist bequem für sie zu sagen, dass sie nicht alle Geiseln festhalten, um Zeit zu gewinnen", sagte die israelische Quelle Reuters. Auf die Frage, ob die Hamas in der Lage sei, alle anderen Geiseln ausfindig zu machen, antwortete sie: "Die Frage ist, ob sie es wollen."
- thetimesofisrael.com: "Taken captive: Avinatan Or, planning to move in with girlfriend" (englisch)
- thetimesofisrael.com: "Taken captive: Surveillance soldier Liri Albag, after 3 days at base" (englisch)
- stories.bringthemhomenow.net: Webseite (Stand 1. Dezember)
- reuters.com: "Can Hamas locate remaining hostages in mayhem of Gaza war?" (englisch)
- youtube.com: "Senior Hamas leader says he doesn't know how many hostages are left in Gaza" (englisch)