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Syrien: USA greifen Ziele iranischer Milizen an – Droht eine Eskalation?


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US-Luftangriffe in Syrien
"Sie haben ein wichtiges Zeichen gesendet"


Aktualisiert am 28.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Joe Biden im Oval Office: Der US-Präsident hat Luftschläge gegen Ziele in Syrien angeordnet. (Quelle: Jonathan Ernst/dpa)
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Die USA haben Ziele im Osten Syriens aus der Luft angegriffen. Das Pentagon begründet die Attacken mit Selbstverteidigung. Was ist geschehen und ist eine weitere Eskalation zu befürchten?

Meldungen aus Syrien lassen Befürchtungen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten wachsen. Die USA haben im Osten Syriens aus der Luft Stellungen angegriffen, die mutmaßlich von den Iranischen Revolutionsgarden und ihren Verbündeten genutzt werden. Der Iran seinerseits hat inmitten der Spannungen in Nahost eine Militärübung angeordnet.

Zuletzt hatte der Iran den USA immer wieder gedroht und vor einem Eingreifen in den Krieg zwischen Israel und der Hamas gewarnt. Werden die USA nun tiefer in den Nahostkonflikt verwickelt? Und warum greift die US-Armee überhaupt Ziele in Syrien an? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist in Syrien passiert?

Die USA sind am frühen Freitagmorgen Luftangriffe auf Ziele im Osten Syriens geflogen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bezeichnete die Attacken als "Präzisionsschläge zur Selbstverteidigung" und nannte sie "eine Reaktion auf eine Reihe von anhaltenden und größtenteils erfolglosen Angriffen auf US-Personal im Irak und in Syrien durch vom Iran unterstützte Milizen." Laut den Angaben Austins hat US-Präsident Joe Biden die Luftschläge angeordnet. Mehr zu den Luftangriffen lesen Sie hier.

"Die US-Luftschläge haben laut den Informationen meiner Quellen in Syrien kaum Wirkung gehabt", sagt der Nahost-Experte Naseef Naeem im Gespräch mit t-online. Die Iraner seien bereits gewarnt gewesen und hätten die Angriffe der USA erwartet. "Dennoch haben die USA damit ein wichtiges Zeichen gesendet", erklärt der Forschungsleiter der Beratungsgruppe Zenith Council. Denn der Iran habe zuletzt viele Waffen nach Syrien geliefert. "Die Angriffe der US-Truppen haben den von Iran unterstützten Milizen zu verstehen gegeben: 'Wir sehen Euch.'"

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Quelle: t-online

Welche Angriffe auf US-Streitkräfte hatte es gegeben?

Lloyd Austin teilte am Donnerstag mit, dass die Angriffe auf das US-Personal in den beiden Ländern am 17. Oktober begonnen hätten. Das Pentagon erklärte später, dass es im Oktober insgesamt 16 solcher Angriffe gegeben habe. Dabei seien Stellungen der US-Streitkräfte sowie der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz IS angegriffen worden. Laut Austin ist dabei ein US-Bürger an einem Herzinfarkt gestorben, als er sich in Sicherheit bringen wollte. Zudem seien bei den Angriffen 21 Angehörige des US-Personals leicht verletzt worden.

Die US-Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy (TWI) hat bis Freitag sogar insgesamt 22 Attacken von islamistischen Milizen auf US-Ziele im Irak und Syrien gezählt. Drei der Angriffe seien jedoch von keiner Gruppe für sich reklamiert worden. Es handelt sich um mehrere schiitische Milizen, die die USA als Terrororganisationen einstufen und die insbesondere im Irak, aber auch in Syrien aktiv sind. Sie firmieren gemeinsam unter dem Namen "Islamischer Widerstand im Irak". All jene Gruppen sollen vom Iran finanziert werden.

"Unbestätigten Zahlen zufolge haben die Angriffe auf US-Ziele im Irak und Syrien jedoch schon seit Amtsantritt von US-Präsident Biden zugenommen", erklärt Nahost-Experte Naeem. Insgesamt soll es seit Januar 2021 schon 84 Attacken gegeben haben – mehr als während der Präsidentschaft Donald Trumps.

(Quelle: privat/t-online)

Naseef Naeem ist ein deutscher Jurist und Experte für politische Entwicklungen im Nahen Osten. Seine Heimatstadt ist Homs in Syrien. 2014 hat er gemeinsam mit dem Orientalisten Daniel Gerlach das Beratungsnetzwerk Zenith Council gegründet.

Welche Rolle spielt der Iran in Syrien und dem Irak?

Das islamische Regime im Iran ist neben Russland ein enger Verbündeter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Seit 2011, als der syrische Bürgerkrieg begann, ist Syrien in viele kleine Fraktionen zersplittert. Die Regierung beherrscht lediglich gut zwei Drittel des Territoriums. Im Osten Syriens haben sowohl Russland als auch der Iran und das Assad-Regime zuletzt ihre Truppen verstärkt, um die USA aus der Region zurückzudrängen. Das US-Militär ist noch mit 900 Soldaten in Syrien vertreten. Die Einheiten wurden 2015 nach Syrien geschickt, um die Terrormiliz IS zu bekämpfen. Mehr zu den Terrorgruppen im Nahen Osten lesen Sie hier.

"Der Iran will die USA aus Syrien verdrängen", bestätigt Naeem. Allein darum gehe es bei den jüngsten Angriffen auf US-Ziele. Interessant sei dabei, dass eben jene schiitischen Milizen, die die USA jetzt angreifen, zuvor mit den Vereinigten Staaten gemeinsame Sache im Kampf gegen den IS gemacht hätten, erklärt der Experte. "Nun ist der IS nicht mehr da und alle gehen wieder zu ihren ursprünglichen Interessen zurück. Und auch die Milizen beteiligen sich wieder an Angriffen auf die USA."

Der Irak wiederum gehört zum sogenannten schiitischen Halbmond. Damit wird eine geopolitische Allianz von schiitischen Gruppen und Staaten im Nahen Osten bezeichnet. Dazu zählen neben Iran und Irak auch Bahrain und der Libanon. Im Irak sind fast 2.500 US-Soldaten stationiert.

Syrien wird eigentlich nicht von einer schiitischen Mehrheit bewohnt, wohl aber von ihr regiert. Die Familie Baschar al-Assads gehört zu den Alawiten, einer religiösen Gemeinschaft, die dem schiitischen Islam zugerechnet wird. Der schiitische Halbmond gilt als wichtigste Einflusssphäre des Iran.

Werden die USA nun tiefer in den Nahostkonflikt hineingezogen?

Die US-Regierung weist dies noch von sich. "Die Vereinigten Staaten suchen keinen Konflikt und haben weder die Absicht noch den Wunsch, sich auf weitere Feindseligkeiten einzulassen, aber diese vom Iran unterstützten Angriffe auf US-Streitkräfte sind inakzeptabel und müssen aufhören", erklärte Verteidigungsminister Austin.

Dennoch: Man wolle nicht zulassen, dass der Iran weiterhin seine Rolle bei den Angriffen gegen US-Kräfte verdecken könne. "Wenn die Angriffe der iranischen Stellvertreter gegen die US-Streitkräfte anhalten, werden wir nicht zögern, weitere notwendige Maßnahmen zum Schutz unserer Bevölkerung zu ergreifen", warnte Austin.

US-Verteidigungsminister Austin wies zudem darauf hin, dass die Luftschläge der US-Streitkräfte nichts mit dem derzeit laufenden Konflikt zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas zu tun hätten. Die Angriffe der Vereinigten Staaten dienten demnach "ausschließlich dem Schutz und der Verteidigung des US-Personals in Irak und Syrien". Austin appellierte an alle Akteure in der Region, "keine Maßnahmen zu ergreifen, die zu einem breiteren regionalen Konflikt führen würden".

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"Trotz amerikanischer Dementis, dass dies nichts mit Israel zu tun habe, geschieht das Ganze durchaus im Kontext des Kriegs in Nahost", widerspricht Ali Fathollah-Nejad. Der Experte für den Nahen und Mittleren Osten sowie Direktor des Berliner Center for Middle East and Global Order (CMEG) sagt t-online: "Dabei hat der Iran zuletzt mit einer Reihe von Drohungen versucht, Israel und auch die USA abzuschrecken, so massiv gegen den iranischen Verbündeten Hamas vorzugehen, dass seine Kampffähigkeit ausgelöscht wird." Die US-Schläge seien ein Signal an Teheran, dass Angriffe von Terrororganisationen nicht unbeantwortet blieben, so Fathollah-Nejad.

Droht ein Flächenbrand im Nahen Osten?

"Kein Akteur in der Region hat jedoch aktuell ein Interesse an einem umfassenden Krieg im Nahen Osten", sagt Naseef Naeem. "Auch wenn das Regime im Iran offen droht, ist es doch klüger, als sich in einen direkten Krieg verwickeln zu lassen." Denn eines sei klar: "In Teheran weiß man, dass dies das Ende des Regimes bedeuten würde." Deshalb habe der Iran die palästinensische Terrororganisation Hamas zwar unterstützt, sich zuletzt aber auch etwas von der Gruppe distanziert.

Auch die Drohungen der Terrororganisation Hisbollah im Libanon seien zu vernachlässigen. "Denn zu drohen, ist eine Sache. Die Drohungen dann umzusetzen, aber eine andere", meint Naeem. "Ich denke deshalb, dass es beim Status quo im Nahen Osten bleiben wird, auch wenn Israel in den Gazastreifen einmarschiert."

Ähnlich sieht es Ali Fathollah-Nejad: "Spätestens ab dem 10. Oktober war zu beobachten, dass in Teheran die Angst vor einem großen Krieg wächst – ein Krieg gegen Israel und womöglich auch gegen die USA", sagte der Experte kürzlich im Interview mit t-online. Dafür machte er auch die Abschreckung durch US-Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer verantwortlich. Das ganze Interview lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Naseef Naeem vom Zenith Council
  • Schriftliches Statement des CMEG-Direktors Ali Fathollah-Nejad
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • washingtoninstitute.org: "Tracking Anti-U.S. Strikes in Iraq and Syria During the Gaza Crisis" (Stand: 27.10.2023, englisch)
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