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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Keine Verräter" Vertrauter distanziert sich von Putin
Putins ehemaliger Leibwächter widerspricht dem Putin-Narrativ. Alexei Djumin sagte, Prigoschin sei kein Verräter gewesen.
Wladimir Putin verzeiht keinen Verrat. Das hat er selbst einmal in einem TV-Interview gesagt und das nährt die Theorie, dass Putin hinter dem Flugzeugabsturz des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin und des Gründers der Miliz Dmitri Utkin stecken könnte.
Alexei Djumin, einst Putins Leibwächter und heutiger Gouverneur der Oblast Tula, sagte nun über die beiden mutmaßlich Toten, Fehler und Feigheit könne man verzeihen, Verrat niemals. Aber: "Sie waren keine Verräter."
Damit widerspricht Djumin dem Narrativ von Putin. Der russische Präsident sprach nach dem Putsch-Versuch der Wagner-Söldner, den Prigoschin mit einem Marsch auf Moskau anführte, von "Verrat" und "Hochverrat". Putin selbst hatte in einer Ansprache nach dem Flugzeugabsturz gesagt, Prigoschin war ein "Mensch mit einem schwierigen Schicksal". Er habe "ernsthafte Fehler" gemacht.
"Ich kannte Prigoschin als einen wahren Patrioten, einen Mann mit Entschlossenheit und Furchtlosigkeit", sagte Djumin. "Er hat viel für unser Land getan, und das Vaterland wird ihn nicht vergessen." Er sprach von einem "Verlust für das Land".
Djumin machte sich Hoffnungen auf neuen Posten
Djumin gilt eigentlich als Vertrauter Putins. Er war ehemaliger Leibwächter des Präsidenten, zwischenzeitlich Vize-Verteidigungsminister und seit 2016 Gouverneur der Oblast Tula, eine Region südlich von Moskau. Eins galt er als möglicher Nachfolger von Putin.
Offenbar machte sich Djumin nach dem Putschversuch Hoffnungen, Sergei Schoigu als Verteidigungsminister abzulösen, berichtete die amerikanische Denkfabrik "Institute for the Study of War" (ISW). Doch erst vor wenigen Tagen meldete das ISW, Schoigu habe Putins Gunst wiedererlangt. Damit scheint für Djumin kein Platz im Kreml.
Putin soll Djumin kürzlich aufgefordert haben, Verteidigungsminister Schoigu öffentlich bei einem Rundgang über die Militärmesse "Army 2023" in Moskau zu begleiten. Dem Präsidenten geht es laut ISW darum, öffentlich zu zeigen, dass Djumin einen niedrigeren Rang bekleide als Schoigu – ein Hinweis auf Schoigus gefestigte Position in der Kreml-Elite. Gut möglich, dass Djumin nun auf seine Art die Loyalität mit Putin infrage stellt.
- meduza.io: ""Предателями они не были". Губернатор Тульской области и бывший охранник Путина Алексей Дюмин — о Евгении Пригожине и Дмитрии "Вагнере" Уткине" (russisch)
- understandingwar.org: "RUSSIAN OFFENSIVE CAMPAIGN ASSESSMENT, AUGUST 25, 2023" (englisch)
- sueddeutsche.de: "Profil: Alexej Djumin"