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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Er ist stabil" Orbán entsetzt mit Putin-Aussage
Trotz Wagner-Revolte und ukrainischer Gegenoffensive glaubt Victor Orbán nicht, dass Wladimir Putin geschwächt ist. In einem Interview erklärt Ungarns Ministerpräsident, warum er mit einem russischen Sieg rechnet.
Angesichts der russischen Invasion rechnet der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán nicht mit einem Kriegssieg der Ukraine. "Ich spreche über den Ausgang des Krieges, und das Problem ist, dass den Ukrainern die Soldaten früher ausgehen werden als den Russen, und das wird am Ende der entscheidende Faktor sein" so Orbán am Dienstag in einem Interview mit "Bild".
Ungarns Ministerpräsident hält es für ein "Missverständnis", dass es im Westen die Meinung gebe, dass die Ukraine gewinnen könne, wenn man sie militärisch und finanziell unterstützt. "Das ist unmöglich", erklärte Orbán. Viele Russen seien davon überzeugt, dass die Zeit auf ihrer Seite sei und nicht auf der Seite des Westens. Der 60-Jährige weiter: "Das hat sich leider bewahrheitet."
Orbán sieht USA in der Verantwortung
Was Orbán genau damit meint, bleibt offen. Immerhin hatte die Ukraine bei ihren vergangenen Offensiven ab dem Spätsommer 2022 immer wieder Territorium befreien können – darunter Teile von Charkiw und Cherson. Außerdem attestieren Militärökonomen Russland große Probleme bei der Produktion schwerer Waffen für den Krieg. Ohne Hilfe beziehungsweise Subkomponenten wie Halbleiter aus China hätte Russland noch größere Probleme bei der Rüstungsproduktion.
Doch Orbán nahm in dem Interview ausschließlich die USA in die Pflicht. Er sei für Frieden, wiederholte er mehrmals. "Die Ukraine ist kein souveränes Land mehr. Sie haben kein Geld. Sie haben keine Waffen. Sie können nur kämpfen, weil wir im Westen sie unterstützen. Wenn die Amerikaner also beschließen, dass sie Frieden haben wollen, wird es Frieden geben." Dabei erwähnt er nicht, dass Putin jederzeit für Frieden sorgen könnte – indem er sich aus der Ukraine zurückzieht.
"Putin ist stabil"
Orbán scheint davon auszugehen, dass Putin noch immer stark ist. Die Revolte von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und seinen Wagner-Söldnern am Wochenende redet der ungarische Ministerpräsident klein. Er geht sogar davon aus, dass der Aufstand ein Zeichen der Stärke Putins war, weil er innerhalb von 24 Stunden schon wieder vorbei war. "Putin ist stabil, er ist ein gewählter Führer Russlands und er ist beliebt und die Strukturen hinter ihm sind ziemlich stark", sagte Orbán. "Wir müssen also den ganzen russischen Komplex ernst nehmen."
Für einen Großteil der Experten war dagegen die Wagner-Revolte ein Indiz dafür, wie schwach Putin durch seinen Ukraine-Krieg geworden ist. "Es war auffällig, wie wenig Leute aus der Umgebung Putins sich zu Wort gemeldet und ihre Loyalität gegenüber dem Präsidenten bekundet haben", sagte der Russland-Experte Gerhard Mangott im Gespräch mit t-online. "Leute aus dem Geheimdienst oder Innenminister Kolokolzew haben laut geschwiegen. Das wird Putin zu denken geben müssen."
Entweder ist die Analyse Orbáns eine andere oder er betrachtet Putin noch immer als Verbündeten. Darauf angesprochen, ob er ein Putin-Freund sei, reagierte er jedoch erbost. "Provozieren Sie mich mit dieser Frage?", schimpfte Orbán. "Ich kämpfe für Ungarn. Ich kümmere mich nicht um Putin. Ich kümmere mich nicht um Russland. Ich kümmere mich um Ungarn."
Auf die Frage, ob Putin für ihn ein Kriegsverbrecher sein, antwortete Orbán: "Nein, für mich nicht."
- bild.de: "Putin ist stabil"