Rückstand bei Wärmepumpen Deutsche Firma baut lieber in Dänemark
Während Deutschland noch über die Wärmewende diskutiert, ist sie in Dänemark Realität. Dort soll gar ein ganzes Fernwärmenetz per Wärmepumpe versorgt werden.
Deutschland diskutiert über die Wärmepumpe. Die Geräte sind effizient, im Betrieb günstig – und verursachen keine CO2-Emissionen, wenn sie mit Ökostrom gespeist werden. Damit stehen sie im Zentrum der Wärmewende, die die Bundesregierung mit dem umstrittenen Heizungsgesetz vorantreiben will.
Viele Deutsche sind skeptisch. Anders läuft es in vielen deutschen Nachbarländern. Insbesondere die skandinavischen Länder sind mit dem Ausbau der Technologie schon deutlich weiter als die Bundesrepublik, der Absatz an Wärmepumpen ist deutlich höher.
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In Dänemark geht man sogar noch einen Schritt weiter, als nur ein einzelnes Haus per Wärmepumpe zu beheizen. In Esbjerg soll ein ganzes Fernwärmenetz auf diese Weise versorgt werden – mit der Anlage eines deutschen Herstellers.
Die Stadt an der Nordseeküste hat es sich zum Ziel gemacht, bis 2030 klimaneutral zu werden – 15 Jahre früher als Deutschland. Elektrobusse fahren durch die Stadt, der Hafen dient als größter Umschlagplatz für Offshore-Windkraftanlagen, es soll einer der größten Elektrolyseure der Welt für grünen Wasserstoff gebaut werden. Die Halle am Hafen, die die größte auf CO2 basierende Meerwasser-Wärmepumpe der Welt beherbergt, passt ins Bild.
Technologie aus Deutschland
Der Hersteller kommt aus Deutschland: MAN Energy Solutions (MAN ES), mit Sitz in Augsburg. "Der deutsche Wärmemarkt ist ein schlafender Riese, und die Wärmewende kommt bislang nur schleppend voran", kritisierte der Vorstandsvorsitzende Uwe Lauber kürzlich gegenüber der "Berliner Zeitung". Großwärmepumpen seien die ideale Technologie für die Wärmewende. In Deutschland gibt es bislang jedoch nur Pilotprojekte.
Mehr über die deutsche Debatte rund um die Wärmewende und das sogenannte Heizungsgesetz erfahren Sie im aktuellen t-online-Podcast "Diskussionsstoff":
Die Riesen-Wärmepumpe in Esbjerg sei auch für das Unternehmen eine Premiere, sagte der Bürgermeister der Stadt, Frost Rasmussen, dem "Spiegel". Sie hat eine Leistung von rund 70 Megawatt. Eine normale Wärmepumpe für den Privatgebrauch kommt auf rund 0,015 Megawatt – die Anlage in Esbjerg soll also das 4.600-Fache leisten.
Wärmepumpe statt Kohlekraftwerk
Die neue Anlage soll die CO2-Bilanz von Esbjerg Klimaziel-konform machen. 60.000 Tonnen des Treibhausgases jährlich sollen durch den Umstieg von Steinkohle, die bisher die Energie für das Fernwärmenetz liefert, auf die Wärmepumpe eingespart werden. Laut "Spiegel" entspricht das den Emissionen, die durchschnittlich 40.000 Kleinwagen mit Verbrennungsmotor pro Jahr verursachen.
Etwa zwei Drittel der Haushalte in Dänemark sind an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Die Großwärmepumpe in Esbjerg soll ab Oktober 100.000 Menschen versorgen – die somit nicht privat auf eine neue Heizung umstellen müssen.
Wärme aus dem Meer
Die Energie liefert das Meer. 4.000 Liter Wasser pro Sekunde werden aus dem Hafenbecken in die Anlage gepumpt, wo ihm zwei bis drei Grad an Wärme entzogen werden. An anderer Stelle wird es zurückgeleitet, durch die Gezeiten wird es abtransportiert und wärmeres Wasser fließt nach. So wird die Anlage den Betreibern zufolge auch ökologisch verträglich, schließlich ist das Wattenmeer Unesco-Weltnaturerbe und somit streng geschützt.
Als Kühlmittel dient CO2. Durch die Verdichtung und Wiederverflüssigung in zwei Kompressoren entsteht den Technikern der Anlage zufolge dreimal mehr Wärmeenergie, als für den Betrieb per Strom zugeführt werden muss. Im Fernwärmenetz kommen so bis zu 90 Grad Vorlauftemperatur an. Der Strom kommt hauptsächlich von Windrädern vor der dänischen Küste – und ist somit grün. In Deutschland sind solche Großwärmepumpen noch Pilotprojekte.
"Wir machen einfach"
Den deutschen Streit um die Wärmewende versteht man in Esbjerg nicht. In Dänemark dürfen schon seit 2013 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. "Wir reden nicht, wir machen einfach", so Bürgermeister Rasmussen zum "Spiegel". "Und wir machen es schnell." Per Brief bot die Stadt den Einwohnern vor einem halben Jahr an, sie an das Fernwärmenetz anzuschließen, wenn gewünscht und technisch möglich.
Auch in Deutschland soll die Fernwärme ausgebaut und zugleich grüner werden. Die Bundesregierung plant ein Gesetz, das einen Anteil von 50 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 vorsieht. Es soll zudem die Kommunen verpflichten, in den nächsten Jahren verbindliche Pläne für den Ausbau zu erstellen – damit möglichst schnell feststeht, wo Eigentümer mit einer Anschlussmöglichkeit rechnen können und wo sie sich privat um ihren Heizungsumstieg kümmern müssen.
"Wärmepumpen und Fernwärmenetze sind die effizienteste Lösung, um schnell von Öl und Gas loszukommen", sagte der Esbjerger Bürgermeister dem "Spiegel". Wer jetzt handle, sei ganz vorne mit dabei – "auf der Gewinnerseite".
- spiegel.de: "Das Wärmewunder von Esbjerg"
- berliner-zeitung.de: "Weltgrößte Wärmepumpe: Warum können unsere Nachbarn das und wir Deutschen nicht?"
- welt.de: "Heizen mit kaltem Meerwasser – die "Großwärmepumpe" kommt jetzt auch nach Deutschland"
- man-es.com: "Esbjerg heat pump reference case"