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Zum journalistischen Leitbild von t-online.G7-Gipfel in Hiroshima Die Stadt, auf die die Atombombe fiel
Der Tod kam 1945 über Hiroshima, als die USA eine Atombombe über der Stadt fallen ließen. Nun beraten am selben Ort die G7-Staaten über den Krieg in der Ukraine.
Es ist ein Gipfel mit gewaltiger Symbolik: Vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und seiner Drohung mit Atomwaffen tagen die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) erstmals in Hiroshima.
Über dem Zentrum der japanischen Stadt hatte der US-Bomber "Enola Gay" am Morgen des 6. August 1945 eine Atombombe mit dem harmlos klingenden Namen "Little Boy" abgeworfen. Eine zweite Bombe traf drei Tage später Nagasaki. Es waren die ersten Atomwaffenangriffe der Kriegsgeschichte. Und bislang die einzigen. Die Hintergründe.
Was hat die Atombombe in Hiroshima angerichtet?
Zur Zeit des Bombenabwurfs hielten sich etwa 350.000 Menschen in Hiroshima auf, überwiegend Zivilisten sowie von der japanischen Armee verschleppte Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Innerhalb von Sekunden machte eine Druck- und Hitzewelle von mindestens 6.000 Grad die Stadt zu einer lodernden Hölle und zerstörte sie zu etwa 80 Prozent.
Schätzungsweise mehr als 70.000 Menschen starben auf einen Schlag, bis Ende 1945 waren es schon 140.000. In Nagasaki starben bis Jahresende etwa 70.000 Einwohner. Die genaue Opferzahl wird sich nie ermitteln lassen, weil viele erst an den Spätfolgen der Strahlung starben.
Zu den Symptomen, unter denen die Opfer ihr Leben lang litten, gehören Wachstums- und Entwicklungsstörungen, Blut- und Hautkrankheiten, Schädigung des zentralen Nervensystems und dauernde Angstzustände. Hinzu kam die massive Diskriminierung, der die Überlebenden in ihrer eigenen Gesellschaft später ausgesetzt waren.
Warum warfen die USA die Atombombe ab?
Viele in den USA glauben noch heute der offiziellen Lesart: dass die Atombombe eine Invasion überflüssig gemacht und so Hunderttausenden amerikanischen Soldaten das Leben gerettet habe. Tatsächlich aber war die Bombe Historikern zufolge militärisch unnötig. Japan lag bereits am Boden. Für seine Führung war es bloß eine weitere Zerstörung einer Stadt mit Brandbomben. Nicht Hiroshima, sondern die Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan am 8. August sei es gewesen, die Kaiser Hirohito und sein Militär am 15. August 1945 kapitulieren ließ.
Historiker messen den politischen Gründen für den Abwurf der Bombe das größte Gewicht bei: Die Sowjetunion galt den USA als neuer Gegner. Mit der Atombombe habe man als alleinige Atommacht den Sowjets die eigene Stärke beweisen wollen. Und nicht zuletzt suchte Washington nach einer passenden Antwort auf Japans Überfall auf Pearl Harbor 1941. Als erster US-Präsident besuchte Barack Obama 2016 Hiroshima. Eine Entschuldigung aber sprach er dabei nicht aus. Sein Nachfolger Joe Biden kündigte bereits ebenfalls an, sich beim G7-Gipfel am Wochenende nicht entschuldigen zu wollen. Lesen Sie hier mehr dazu.
Welchen Stellenwert hat die Erinnerung an Hiroshima in Japan heute?
In Japan ist die Geschichte der Atombombe unvermeidlich durch die Opferperspektive bestimmt. Dass Hiroshima eine "gerechte Strafe" für Japans Aggressionskrieg war, akzeptieren nur wenige. Japan habe zwar Unrecht begangen. Trotzdem sei die Atombombe ein Verbrechen an unschuldigen Zivilisten gewesen.
Die Atombombe wurde zur Grundlage für den Pazifismus, der Japans Nachkriegsgesellschaft prägt. Doch den noch verbliebenen Überlebenden, den "Hibakusha" (Bombardierte), fällt es zunehmend schwerer, die Erinnerungen wach zu halten. Die Wirkung ihrer Augenzeugenberichte und ihr Appell gegen Atomwaffen verblasst.
Es gibt auch in Japan inzwischen Stimmen, die angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und des Machtstrebens Chinas eine nukleare Bewaffnung des eigenen Landes fordern. Die politische Führung hält zwar weiter an den Prinzipien fest, wonach Japan weder Atomwaffen produziert noch besitzt oder auf eigenem Boden erlaubt. Zugleich ist Japan aber auf den atomaren Schutzschild seines heutigen Verbündeten USA angewiesen. Zudem beschloss die Regierung in Tokio kürzlich eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Wie sieht es in Hiroshima heute aus?
Hiroshima wurde wieder aufgebaut und ist heute eine Großstadt mit rund 1,2 Millionen Einwohnern. Sie sieht wie viele andere japanische Städte aus, dennoch ist sie einzigartig: In ihrem Zentrum südlich der Aioi-Brücke, die das angegebene Abwurfziel war, befindet sich der Friedensgedächtnispark mit Dutzenden Gedenkstätten und Mahnmalen. Auf der anderen Seite eines Flusses steht der Atombombendom.
Die ausgebrannten Mauern dieses Gebäudes mit seinem Kuppeldach waren teilweise stehen geblieben, da die Druckwelle der Bombe sie fast von oben traf. Es war eine Ausstellungshalle für die Industrieförderung. Die Ruine ist heute Symbol des Friedens und Zeugnis des Schreckens atomarer Waffen. In der Nähe liegt das Friedensgedächtnismuseum.
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Welche Botschaft geht heute von Hiroshima aus?
Verteidiger der Atombomben weisen gelegentlich darauf hin, dass an anderen Kriegsschauplätzen ähnlich viele Menschen umkamen wie in Hiroshima und Nagasaki. Ein solches Reduzieren des nuklearen Infernos auf Opferzahlen dient laut Kritikern jedoch nur jenen, die solche Waffen einsetzbar machen wollen.
Japans Ministerpräsident Fumio Kishida, der in Hiroshima aufwuchs und dort seinen Wahlkreis hat, will den G7-Gipfel auch dazu nutzen, dass die G7-Staaten sich gegen Atomwaffen aussprechen – wenngleich mit den USA, Großbritannien und Frankreich drei dieser sieben Länder selbst Atomwaffen besitzen.
Es wird erwartet, dass sie zum Auftakt das Friedensgedächtnismuseum besuchen. Angesichts der weltweit zunehmenden atomaren Bedrohung bekommen sie dort Zeugnisse des Schreckens dieser Waffen zu sehen. Auch Obama war dort zu Besuch, wenngleich nur kurz. Überlebende und Aktivisten hoffen, dass es diesmal mehr als nur ein Fototermin wird.
- Nachrichtenagentur dpa