t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAusland

Prinzessin von deutschem Verein auf Propaganda-Mission für Putin


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Russophilen-Bewegung
Prinzessin von deutschem Verein auf Propaganda-Mission für Putin


Aktualisiert am 17.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Prinzessin Vittoria Alliata di Villafranca: Die Präsidentin der Deutsch-Arabischen Gesellschaft gründete die Internatione Russophilen-Bewegung mit.Vergrößern des Bildes
Prinzessin Vittoria Alliata di Villafranca: Die Präsidentin der Deutsch-Arabischen Gesellschaft gründete die sogenannte "Internationale Russophilen-Bewegung" mit. (Quelle: IMAGO/Sergei Savostyanov)
News folgen

Kreml-Erzählungen haben im Westen wenig prominente Unterstützer. Jetzt hat der Propaganda-Apparat eine echte Prinzessin dafür gefunden – und sie ist die Präsidentin einer deutschen Vereinigung.

Als kürzlich der russische Propaganda-Apparat im Moskauer Puschkin-Museum eine neue Weltvereinigung von Russlandunterstützern ins Leben rief, waren illustre Gäste dabei. Außenminister Sergej Lawrow, der christlich-fundamentalistische Oligarch Konstantin Malofejew mit seinem faschistischen Vordenker Alexander Dugin, der Malofejews Medien dirigiert, Schauspieler Steven Seagal und der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Waldemar Herdt, der sogar eine Rede hielt.

Wenig Beachtung in Deutschland fand bisher, dass auch eine sizilianische Prinzessin unter den Teilnehmern war: Vittoria Alliata di Villafranca. Diese stellte sich als Präsidentin der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG) vor und sagte, sie trete für eine "Botschaft des Friedens" ein. Doch dabei blieb es nicht: Sie warf der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock das Eintreten für Frauenrechte im Ausland vor, sprach von organisiertem Russlandhass, um die Welt zu beherrschen, und machte die USA für die Mafia in Italien zur Unterjochung des Landes verantwortlich.

Die Sizilianerin entstammt einer Dynastie byzantinischer Herrscher, die bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen soll. Die Prinzessin gilt in Italien als "Frau der Ringe", weil sie J. R. R. Tolkiens Roman ins Italienische übersetzt hat. Sie ist Orientalistin, spricht neben Arabisch sechs weitere Sprachen und schreibt Reise- und Lifestyle-Romane.

Und seit Februar ist sie Präsidentin der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Das ist eine lange bestehende internationale Lobbyvereinigung in Deutschland, sie hatte zeitweise einen großen Namen, Einfluss und weit über 1.100 Mitglieder. Im Präsidium waren prominente Vertreter aus allen großen politischen Parteien vertreten. Der frühere Bundesminister Jürgen Möllemann war ihr Präsident, genauso wie Journalismus-Ikone Peter Scholl-Latour.

Doch jetzt wirft der Auftritt der Prinzessin bei der Gründungsveranstaltung der sogenannten "Internationalen Russophilen-Bewegung" ein schlechtes Licht auf die Gesellschaft. Die neue prorussische Bewegung soll künftig im Ausland Verbände gründen, um für russische Interessen zu werben.

Putins Prinzessin attackiert Baerbock

Wenig überraschend fiel demnach auch die Rede von Alliata aus: Sie sagte etwa, der Westen habe vor einem Jahr begonnen, russische Kultur auszulöschen. Hass auf Russland sei bewusst orchestriert worden und eine neue Doktrin, "die von den Angelsachsen verabschiedet wurde, um die ganze Welt zu beherrschen und die natürlichen Ressourcen auszubeuten". Putin finde sie netter als Biden, aber es gehe ihr nicht um persönliche Sympathien. Schließlich sei sie mit Obamas Stief-Schwester befreundet, sagte sie dem britischen "Guardian", dem sie sich als Vertreterin der Deutsch-Arabischen Gesellschaft vorstellte.

Eine Frage zum von Russland geführten Angriffskrieg in der Ukraine wollte sie nicht beantworten: "Ich bin keine Expertin auf diesem Gebiet." Russische Medien stellten sie auch als Chefin der DAG vor und zitierten sie mit Äußerungen über die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Sie weigere sich, den Namen der deutschen Annalena Baerbock (Grüne) für das Konzept feministischer Außenpolitik zu nennen. Es verfolgt die Idee, dass es insgesamt die Welt krisenfester macht, wenn weltweit die noch immer herrschenden strukturellen Benachteiligungen von Frauen mitbedacht werden.

In Moskau erklärte die Prinzessin, Frauen seien der Haupttreiber, "traditionelle Werte" zu untergraben. Mit dieser Aussage wird sie in einem Medium des Milliardärs Malofejew zitiert, der Russland selbst als Garanten für die Bewahrung "traditioneller Werte" sieht. Im Gegensatz dazu steht das "Diktat eines Landes, das antichristliche, antimenschliche, satanische Abscheulichkeiten auferlegt" – die USA. Auf der Veranstaltung warb er für Russophilie, weil Russland und die Russen den "Widerstand gegen den neuen, liberalen Faschismus an[führen], der in seiner Russophobie und Menschenfeindlichkeit mit Hitlers Nazismus vergleichbar ist".

Deutsch-Arabische Gesellschaft reagiert

Die ablehnende Position gegenüber mehr Frauenrechten dürfte in der Deutsch-Arabischen Gesellschaft Unterstützer haben. Im Beirat sitzen die Botschafter der arabischen Länder. Doch was sagt die DAG zu den prorussischen Aussagen ihrer Präsidentin?

Harald Bock war vor fast 60 Jahren Mitgründer der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und ist bis heute ihr Generalsekretär. Am Telefon spricht Bock zunächst in höchsten Tönen von der neuen Präsidentin und kommentiert ihren Auftritt in Moskau wohlwollend, auch wenn ihm einzelne Aussagen nicht vorliegen würden. Als ihm t-online seine Zitate später zur Autorisierung vorlegt, verweigert er die Freigabe und reagiert nicht mehr.

Stattdessen kommt eine kurze Mail des Vizepräsidenten der Gesellschaft, Bassam Helou: Die Prinzessin sei nach den Angaben von Bock nicht im Namen der DAG nach Moskau gereist. "Über die in den Artikeln genannten Aktivitäten der Präsidentin in Bezug auf die Gründung der 'Internationalen Russophilen-Bewegung' habe ich selber erst aus der Presse erfahren." Anlass für eine Distanzierung von den Aussagen sieht die DAG aber offenbar dennoch nicht. Helou selbst plant aber, mit seinem Unternehmen an einer Wohnsiedlung für Binnenflüchtlinge im ukrainischen Riwne mitzwirken und hofft auf Unterstützung der Bundesregierung.

In die Politik hat seine Gesellschaft nur noch wenig Brücken. Den Rang hat ihr da längst die 2007 gegründete Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft abgelaufen. Die DAG ist nicht im Lobbyregister des Bundestags eingetragen, und die Zeiten sind vorbei, in denen die Vertreter der großen Parteien die Vizepräsidenten stellten. Diese Ära endete 2002 unter Jürgen W. Möllemann und mit einem Eklat.

Der FDP-Politiker und einstige Vizekanzler Möllemann hatte im Bundestagswahlkampf 2002 in Millionenauflage Flugblätter verteilen lassen, in denen er Israels damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und den Fernsehmoderator Michel Friedman scharf angriff. Das und die ungeklärte Finanzierung löste die "Flugblatt-Affäre" aus.

Steht die Rückendeckung für Alliata?

Der Zentralrat der Juden in Deutschland wertete Möllemanns Erklärung, Juden seien mit ihren Äußerungen selbst für Antisemitismus verantwortlich, als "die größte Beleidigung, die eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik nach dem Holocaust ausgesprochen" habe. Die damaligen Vorstandsmitglieder Christoph Moosbauer (SPD), damals Staatsminister im Auswärtigen Amt, Joachim Hörster (CDU) und Rudolf Kraus (CSU) legten ihre Funktionen nieder.

Die Gesellschaft veröffentlichte damals Erklärungen, die sinngemäß Möllemanns Position entsprachen, und Möllemann lehnte einen Rücktritt ab. 2003 wurde er wiedergewählt, ehe er wenige Wochen später bei einem Fallschirmsprung in den Tod stürzte. Tags zuvor hatte er mit seinem Generalsekretär Bock telefoniert und war für den Tag mit ihm verabredet. Bock hat Möllemann immer öffentlich verteidigt.

Zur prorussische Prinzessin an der Spitze der Deutsch-Arabischen Gesellschaft mag er sich offenbar so öffentlich nicht bekennen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • guardian.com: Italian princess, conspiracy theorists and Steven Seagal: meet Russia’s friends overseas
  • d-a-g.de: Deutsch-Arabische Gesellschaft (DAG) hat neue Präsidentin
  • tsargrad.tv: Prinzessin Vittoria Alliata; "Russophobie wird für neue Arten der Kolonisierung benötigt (russisch, archiviert)
  • tsargrad.tv: Prinzessin weigerte sich, die deutsche Außenministerin nach missbräuchlichem Verhalten namentlich zu nennen (russisch)
  • taz.de: Bleibt Möllemann?
  • spiegel.de: Deutsch-arabische Gesellschaft "Möllemann war kein Antisemit"
  • manager-magazin.de. Jürgen W. Möllemann Chronik einer Polit-Affäre
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website