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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diskussion zum Europatag Lauterbach: "Europa ist nicht blöd"
Viele prominente Gäste diskutierten anlässlich des Europatags zur Zukunft der Union. Europa müsse seine Freiheit verteidigen, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Dazu sei man bereit.
Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat SPD-Politiker Karl Lauterbach dazu aufgerufen, die europäische Wertegemeinschaft gegen Feinde im Innern und Äußeren zu verteidigen. Beim "EuroJam", einer Veranstaltung des Vereins "Tu was für Europa" in Berlin, sagte er: "Es ist bestürzend, wenn Menschen in Europa für Länder demonstrieren, in denen sie gar nicht demonstrieren dürfen. Sie sägen quasi an dem Ast, auf dem sie sitzen."
Der Gesundheitsminister sagte weiter: "Der verbrecherische Angriffskrieg von Putin ist auch ein Krieg gegen Europa, gegen unser Wertemodell." Von innen würde Europa gleichzeitig von Populisten angegriffen. Deshalb müsse Europa seine Freiheit verteidigen: "Europa ist nicht blöd. Europa kann sich wehren – wir sind dazu bereit." Beispiele seien die Abwahl der AfD aus dem Parlament in Schleswig-Holstein am vergangenen Wochenende oder die Niederlage von Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich.
Mitten in herausfordernden Wochen für die Europäische Union diskutierten am Montag Prominente aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen über die Zukunft Europas. Zum Europatag am 9. Mai lud der Verein "Tu was für Europa" im Berliner Glashaus zum Austausch ein. In kurzen Beiträgen entwickelten die Redner ihre Impulse für ein geeintes Europa – ohne Motto, Thema oder Absprachen. t-online war dabei Medienpartner der Veranstaltung.
Lutz: "Die größte Hilfsaktion in der Geschichte der DB"
Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, betonte die zentrale Rolle der Bahn für den europäischen Zusammenhalt. Ein Beispiel sei Interrail: "Es gibt kaum eine Initiative, die so schön zeigt, wie Schiene Menschen miteinander verbinden und zum Zusammenwachsen von Ländern und Leuten beitragen kann", sagte der Bahn-Chef. Wegen des Krieges in der Ukraine stehe die europäische Idee vor einer "Renaissance", an der die Schiene einen Anteil habe. So sei nach Beginn des russischen Angriffskriegs "die größte Hilfsaktion in der Geschichte der DB" organisiert worden. Gemeinsam mit der EU wolle die Deutsche Bahn zudem die transeuropäischen Netze stärken.
Die Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar forderte dagegen, Europa müsse mehr sein als eine "wirtschaftliche Verhandlungsmasse". Europa sei dann sinnvoll, wenn es bereit sei, der Welt zu dienen. Dabei könne jeder Einzelne helfen, indem er Europa seine Träume und Visionen gebe. Sie träume etwa davon, dass es Grundeinkommen auch über die Grenzen hinweg geben könne.
"Was ist das denn für ein Glück?"
"Ich denke, wir müssen Europa einfach mehr fühlen", sagte Baydar nach ihrem Auftritt im Gespräch mit t-online. Das Problem ist aus ihrer Sicht, dass häufig Dankbarkeit fehle. Viele Menschen würden nicht mehr wissen, was Europa für eine Leistung sei. "Ich habe ein Dach über dem Kopf, ich habe innerhalb von acht Sekunden per Gesetz warmes Wasser. Ich kann mit öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinfahren, wo ich will. Ich lebe in Frieden: Was ist das denn für ein Glück?"
Daher sei Dankbarkeit der erste Schritt für ein besseres Europa. "Das bedeutet nicht Stolz, sondern Demut. Und wenn ich das alles für mich haben kann, dann wünsche ich mir das für jeden anderen auch." Wer Frieden habe wolle, müsse zunächst auf sich schauen "und sich erstmal selbst lieben."
Hayali: "Ich finde es beschämend"
Die Journalistin Dunja Hayali lobte den "starken Schulterschluss" der EU-Mitgliedsstaaten im Umgang mit dem "perversen" Angriffskrieg Russlands. Ihr reiche das jedoch nicht: "Europa muss und möchte mehr sein als ein kollektiver Nicht-Angriffspakt." Menschen, die in Europa täglich angegriffen, ausgegrenzt, beleidigt und herabgewürdigt werden, würden nicht ausreichend geschützt. Dabei gehe es um die europäischen Werte und letztlich die Größe der Union. "Ich finde es beschämend, dass sich die Europäische Union bei der Frage eines menschenwürdigen Umgangs mit allen Flüchtenden dieser Welt noch immer nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen konnte", sagte Hayali.
"Bis wann warten wir?"
Dabei kritisierte Hayali die Politik, indirekt auch den anwesenden SPD-Politiker Martin Schulz, der zwischen 2012 und 2017 Präsident des Europäischen Parlaments war. "Seit wie vielen Jahren hören wir eigentlich, wir brauchen eine Lösung, bis wann warten wir?"
2019 hatte Schulz die gemeinnützige Initiative "Tu was für Europa" mitgegründet und ist heute deren Vorstandschef. Ebenfalls trat bei der Veranstaltung der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, auf. Die Grünen-Politikerin Marina Weisband wurde für ihre Rede zugeschaltet.
Der Europatag am 9. Mai erinnert an die Schumann-Erklärung vor 72 Jahren, in welcher der damalige französische Außenminister seinen Plan für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) darlegte. Die EGKS gilt als Grundlage für die Entstehung der Europäischen Union.
- Eigene Recherchen
- Bericht von vor Ort