"Antideutsch" – "revisionistisch" CDU-Politiker überzieht Macron mit heftigen Vorwürfen
Ein wichtiger deutscher Europaabgeordneter überzieht den französischen Präsidenten mit ungewöhnlich scharfen Vorwürfen. Grund ist der Streit um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten.
Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Ringen um die europäischen Spitzenposten außergewöhnlich scharf kritisiert. "Ich sehe keine deutsch-französische Achse. Sondern ich sehe einen revisionistischen Herrn Macron, der alles tut, die europäische Demokratie zu zerstören", sagte der CDU-Politiker am Montag vor Gremiensitzungen seiner Partei in Berlin.
Caspary beließ es nicht bei diesen heftigen Vorwürfen: Macron tue alles dafür, "das europäische Parteiensystem zu zerstören". Der französische Präsident scheine im Moment "leider auch antideutsch unterwegs zu sein", ergänzte Caspary. "Das ist eine Vorgehensweise, die mit den proeuropäischen Reden von ihm nicht im Ansatz irgendwas zu tun hat."
Streit um Manfred Weber
Hintergrund ist die Suche nach einem Kommissionspräsidenten. Große Teile der CDU und CSU wollen Manfred Weber (CSU) durchsetzen, der als Spitzenkandidat der konservativen Parteien in die Europawahl gegangen war. Insbesondere Frankreich lehnt den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei bei der Europawahl, CSU-Vize Manfred Weber, kategorisch als Kommissionspräsidenten ab – wie Macron überhaupt das Prinzip der Spitzenkandidaten ablehnt. Durch Spitzenkandidaten soll der Einfluss des Europaparlaments, das als einzige Institution der EU direkt gewählt und direkt legitimiert ist, gestärkt werden.
Den Kommissionspräsidenten wählt das EU-Parlament, den Vorschlag machen aber die Staats- und Regierungschefs. Am 30. Juni wollen die Staats- und Regierungschefs der EU wegen der verfahrenen Lage erneut bei einem Sondergipfel in Brüssel beraten.
Auch andere Unionspolitiker kritisieren Macron
Caspary sagte dazu: "Wir kämpfen dafür, dass der Spitzenkandidatenprozess erhalten bleibt und Manfred Weber Präsident der Europäischen Kommission wird." Wenn in Berlin bei den letztlich gescheiterten Jamaika-Sondierungen von Union mit FDP und Grünen nach der Bundestagswahl 2017 mit der Unions-Spitzenkandidatin Angela Merkel so umgegangen worden wäre, wie im Moment mit Weber in Brüssel, "dann wäre Angela Merkel seit zwei Jahren nicht mehr Bundeskanzlerin in Deutschland. Deswegen: Jetzt gilt es, Flagge zu zeigen und hart zu bleiben. Und dafür stehen wir im europäischen Parlament."
Dass Caspary Macrons Versuch kritisiert, ist ebenso wenig überraschend wie sein Eintreten für Weber, den bisherigen Fraktionschef der EVP im Europaparlament. Auch andere Spitzenpolitiker der Unionsparteien kritisieren Macron in diesen Tagen heftig. "Ich bin von Herrn Macron jetzt nicht begeistert", sagte CSU-Chef Markus Söder vor einer CSU-Vorstandssitzung in München vor Journalisten. Macron betreibe eine "klassische europäische Hinterzimmerpolitik des letzten Jahrhunderts". Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hatte sich offensiv für Weber ausgesprochen.
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Doch die Schärfe der Angriffe Casparys ist ungewöhnlich: Die enge Partnerschaft zu Frankreich war stets ein Kern der CDU-Außenpolitik. Noch im Januar hatten Angela Merkel und Emmanuel Macron den Aachener Vertrag unterzeichnet, der beide Länder historisch eng aneinanderbindet. Dem französischen Präsidenten jetzt "antideutsche" Politik vorzuwerfen und die deutsch-französische Achse für beendet zu erklären, kommt einem Bruch mit der bisherigen Haltung gleich.
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherchen