Schulden an EU nicht zahlen? Frankreich kontert Boris Johnsons Brexit-Drohung kühl
Boris Johnson wollte die Brexit-Schulden als Druckmittel in den Verhandlungen mit der EU einsetzen. Doch Frankreich erinnert den möglichen May-Nachfolger an eine simple ökonomische Realität.
Boris Johnson hat der EU damit gedroht, die 44 Milliarden Euro Ausstiegszahlungen zurückzuhalten, um bessere Brexit-Konditionen auszuhandeln. Ein "großartiges Schmiermittel" sei das, sagte er der "Sunday Times". Doch in Frankreich zeigt man sich wenig beeindruckt. Eine Quelle aus dem Umfeld des französischen Präsidenten Emmanuel Macron machte klar, was das bedeuten würde: nämlich die Pleite Großbritanniens.
"Wenn man seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, verstößt man gegen internationale Zusagen, was einem Zahlungsausfall von Staatsschulden entspricht", sagte die Macron nahe stehende Person der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Konsequenzen daraus sind wohlbekannt."
Johnson gilt als Favorit für die May-Nachfolge
Der britische Ex-Außenminister Johnson gilt als Favorit für die Nachfolge von Premierministerin Theresa May und wollte mit seinen Einlassungen offenbar Härte gegenüber der Europäischen Union demonstrieren. Die knapp 44 Milliarden Euro, die Johnson zurückhalten will, entsprechen den Verbindlichkeiten Großbritanniens gegenüber der EU.
Mays Brexit-Vertrag zufolge soll das Geld über mehrere Jahre an die EU fließen. Brüssel besteht darauf, dass London seinen Anteil für gemeinsam getroffene Finanzentscheidungen bezahlt – für den EU-Haushalt, gemeinsame Fonds und Pensionslasten. Die EU hat mehrfach erklärt, sie werde die Austrittsvereinbarung nicht mehr neu verhandeln.
Vergangene Woche hatte auch US-Präsident Donald Trump den Briten empfohlen, diese Schulden nicht zu zahlen – und Johnson bescheinigt, ausgezeichnete Fähigkeiten für das Amt des Partei- und Regierungschefs zu haben.
Jonson will auch Änderungen in der Grenzfrage
Bei der heiklen Frage der irischen Grenze will Johnson ebenfalls Änderungen durchsetzen: Vereinbarungen zur Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitgliedsstaat Irland könnten nur als Teil eines langfristigen Vertrages getroffen werden, sagte er. Um die Grenzen offenzuhalten, hatte May mit der EU eine Notfallklausel, den sogenannten Backstop vereinbart, die von konservativen Abgeordneten heftig kritisiert wird.
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Die Nachfolge von Premierminister Theresa May soll Ende Juni feststehen. In der ersten Auswahlphase wird das Bewerberfeld in mehreren Wahlgängen nach und nach reduziert. Nach einem Bericht des Senders Sky News stimmen dabei zunächst nur die Tory-Abgeordneten ab. Erst wenn nur noch zwei Kandidaten übrig bleiben, sollen alle rund 160.000 Parteimitglieder per Briefwahl den neuen Vorsitzenden bestimmen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, dpa