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Sinkende Sterne: Wie die Politik den Europawahlkampf vergeigt


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Sinkende Sterne: Wie die Politik den Europawahlkampf vergeigt

MeinungEin Gastbeitrag von CDU-Politikerin Jenna Behrends

Aktualisiert am 16.05.2019Lesedauer: 3 Min.
Wahlplakate der Parteien zur Europawahl: Gastautorin Jenna Behrends vermisst Zukunftsthemen in den Debatten vor der Wahl.Vergrößern des Bildes
Wahlplakate der Parteien zur Europawahl: Gastautorin Jenna Behrends vermisst Zukunftsthemen in den Debatten vor der Wahl. (Quelle: imago-images-bilder)
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Deutschland debattiert über Sozialismus, aber Zukunftsthemen wie Digitalisierung spricht im Europawahlkampf kaum einer an, findet CDU-Politikerin Jenna Behrends. Ein Gastbeitrag.

Es ist nur noch eine Woche bis zur Europawahl, aber in Deutschland fehlt das zündende Wahlkampfthema. Zwar sind die Straßenränder gesäumt von Plakaten, aber selbst die Spitzenkandidaten der etablierten Parteien sind den meisten Wählern unbekannt. Knapp die Hälfte kennt laut einer dpa-Umfrage keinen einzigen. Deutschlands bekannteste Politikerin, Angela Merkel, hält sich komplett aus dem Wahlkampf heraus.

Die wenigen Themen, die überhaupt diskutiert werden, wirken wie aus der Zeit gefallen. Kevin Kühnerts Vorstoß, Unternehmen zu vergesellschaften und Wohnungen zu enteignen, klingt zum Beispiel nicht nach 2019. Leider sind selbst die Reaktionen darauf nicht mehr als eine Wiederauflage des vergangenen Jahrhunderts. "Freiheit statt Sozialismus" war die wichtigste Wahlkampfparole der CDU im Jahr 1976. In Düsseldorf hängen die Plakate von damals heute wieder auf den Straßen. Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erinnerte unlängst beim Landesparteitag der CDU Sachsen-Anhalt an die Aktualität des alten Slogans. Und das 30 Jahre nach dem Fall der Mauer.

Jeder muss seinen Teil in Europa beitragen

Ja, wir sollten über die Zukunft der europäischen Wirtschaft sprechen. Aber wir brauchen keinen eingeschlafenen Wahlkampf von vorgestern, wir müssen über Themen sprechen, die heute wichtig sind. Das nächste Europäische Parlament wird viele entscheidende Weichen für Europas Wohlstand stellen. Wir müssen unter anderem endlich eine Lösung finden, wie alle ihren Teil zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Das ist kein Thema für die Linke, das geht uns alle an.

Große Digitalkonzerne wie Apple und Facebook erzielen bei uns große Umsätze, Steuern zahlen sie hingegen aufgrund juristischer Konstruktionen fast keine. Stattdessen verschieben sie ihre Gewinne über Ländergrenzen, teilweise sogar zu unseren europäischen Nachbarn wie Irland und Luxemburg. Eine mögliche Lösung, die Besteuerung der Umsätze, ist erst kürzlich bei einem Treffen der EU-Finanzminister gescheitert. Der Vorstoß war zwar nicht perfekt, aber jetzt auf die Weltgemeinschaft in der OECD zu warten oder auf nationale Alleingänge zu setzen, wo wir Europa bräuchten, ist bestenfalls feige.

Europa braucht schleunigst eine eigene digitale Infrastruktur

Mir fehlt im Wahlkampf das Selbstbewusstsein, dass wichtige Technologien zukünftig aus Europa kommen sollen. Dafür müssten wir allerdings endlich die Rahmenbedingungen schaffen. Mit dem schnellen Internet (auch in abgehängten Regionen) kommen wir nur schleichend voran. Digitale Bildung hat bis heute keine Priorität. Und wo bleiben europäische Server, eine eigene europäische Infrastruktur, um Big Data besser zu nutzen und nicht auf amerikanische Konkurrenten angewiesen zu sein?

Das Bundesinnenministerium verwendet Amazon-Server, um Fotos zu speichern, die Bodycams der Polizei aufgenommen haben. Der Anbieter sei gegenwärtig der einzige, der in Deutschland eine entsprechende vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierte Cloudlösung zur Verfügung stelle, begründet das Ministerium diese Entscheidung. Was sagt das über Europa, wenn wir eine solch sicherheitsrelevante Infrastruktur bisher nicht selbst aufbauen konnten?


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, geboren 1990, ist Politikerin der CDU und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte. Sie hat Jura studiert, eine journalistische Ausbildung und ist Autorin des Buches "Rabenvater Staat. Warum unsere Familienpolitik einen Neustart braucht". (Foto: Andi Weiland)

Es mag sein, dass Künstliche Intelligenz und Datensicherheit auf den ersten Blick nach Nerdthemen klingen. Sie sind komplizierter zu beschwören als Interrail, Erasmus und Urlaube ohne Geldwechsel. Über Digitalisierung lassen sich keine so schönen Anekdoten erzählen wie über die Liebe zwischen den Kulturen. Das Thema ist längst nicht so emotional aufgeladen wie aktuell der Klimawandel. Aber ein Wahlkampf, in dem Wirtschaftsthemen allenfalls in einer neu aufgelegten Kapitalismusdebatte vorkommen, traut den Wählerinnen und Wählern nichts zu. Das sind die Kulissen des 20. Jahrhunderts, als die Konkurrenz aus China, unser Verhältnis zu Afrika und Trumps Vorstöße noch keine Rolle spielten.

Kaum Debatte über Zukunftsthemen

Wer sich über Zukunftsthemen informieren möchte, muss sich die Informationen mühsam selbst zusammensuchen. Öffentlich ausdiskutierte Meinungsverschiedenheiten zwischen den Spitzenkandidaten finden sich kaum. Selbst der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung stellt keine einzige Frage zu Digitalisierung. Jede Partei habe angegeben, für mehr Digitalisierung zu sein. Eine Differenzierung sei so nicht möglich.


Es ist gut, dass über das Ob mittlerweile Einigkeit besteht. Aber dann müssen wir endlich auch über das Wie streiten. Und zwar auf der großen Bühne. Niemand liest die insgesamt mehr als 500 Seiten Wahlprogramm der Parteien. "Dazu haben wir doch etwas auf Seite 17 ab Zeile 23 geschrieben" reicht nicht aus, wenn es um Europas Zukunft geht.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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