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Europawahl: Russland mischt sich offenbar verstärkt beim EU-Wahlkampf ein


Experten warnen
Russland mischt sich offenbar verstärkt beim EU-Wahlkampf ein

Von afp, dpa, aj

Aktualisiert am 13.05.2019Lesedauer: 4 Min.
Das Europäische Parlament in Brüssel: Kurz vor der Europawahl berichten Experten von vermehrten Falschmeldungen im Netz.Vergrößern des Bildes
Das Europäische Parlament in Brüssel: Kurz vor der Europawahl berichten Experten von vermehrten Falschmeldungen im Netz. (Quelle: imago images)

EU-Vertreter zeigen sich äußerst besorgt: Zwei Wochen vor der EU-Wahl gibt es neue Hinweise auf eine versuchte Einflussnahme des Kremls. Ein Bericht der "New York Times" über Unterstützung lokaler Antifa-Gruppen ist aber mit Vorsicht zu genießen.

Knapp zwei Wochen vor der Europawahl hat EU-Justizkommissarin Vera Jourová vor Wahlmanipulation insbesondere durch Russland gewarnt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur in einem Mitgliedstaat die Wahlergebnisse durch Manipulation verfälscht werden. Nicht nur, aber auch, weil diese Wahlen Schicksalswahlen für Europa sind", sagte Jourová den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Organisierte Desinformationskampagnen aus dem Ausland zielten darauf ab, existierende Polarisierungen in der Gesellschaft aufzugreifen und zu verstärken, sagte die tschechische Politikerin demnach. "Das macht es schwer, sie zu erkennen. Wir erleben ein digitales Wettrüsten. Europa muss sich darauf einstellen."

Mittlerweile gibt es mit "StratCom" eine eigene Einheit im europäischen Auswärtigen Dienst, die Desinformation aus Russland aufdecken soll. Der Kampf gegen Desinformationskampagnen sei ein "zentrales Thema, auch nach den Europawahlen", sagte Jourová. Die Arbeitsgruppe für "strategische Kommunikation Ost" (East StratCom Task Force) soll russische Medien auswerten und manipulierte Meldungen auch in anderen Publikationen identifizieren.

New York Times-Bericht deutet Hilfe für Antifa an

Unterdessen macht ein Bericht der New York Times Wirbel, der zwei konkrete Beispiele für eine mögliche russische Unterstützung linker Kräfte in Deutschland anführt. An der Beweisführung gibt es allerdings erhebliche Kritik. In dem Bericht geht es um russisches Interesse an einer Destabilisierung des Westens und Zweitracht unabhängig von politischer Ausrichtung zu säen. So hat der russische Staatsmedienkonzern über ein Tochterunternehmen etwa auch einen Kanal gestartet, der sich sich gezielt an Linke richtet.

In dem Bericht der New York Times wird aber ein anderes Beispiel genannt, und t-online.de hatte das berichtet, ohne auf Zweifel an der Darstellung einzugehen.* "Antifa West Berlin" und "Antifa Nord Ost" nutzen dem Bericht zufolge einen Server, den auch russische Hacker zuvor benutzt hätten. Die New York Times stützt sich dabei auf Daniel Jones, einen früheren FBI-Analysten, der nun eine gemeinnützige Gruppe "Advance Democracy" leitet.

Er wies auch darauf hin, dass einer der beiden lokalen Antifa-Gruppen ihre Seite mit einer Mailadresse registriert hat, mit der auch zwei russische Spearphishing-Webseiten eingerichtet wurden. Spearphishing ist der Versuch, gezielt die Accounts bestimmter Personen zu attackieren und an Informationen daraus zu gelangen. Die Faktencheckerin Karolin Schwarz äußert aber Kritik an der Beweisführung: "Die angeblich dubiose Mail-Adresse ist einfach die Mail-Adresse eines anonymen Domain-Registrierungsdienstes." Aus der Nutzung anonymer Dienste dürfe nicht auf eine Verbindung nach Russland geschlossen werden. Registriert wurden die Adressen auch bereits in den Jahren 2013 und 2015.

Auch die Nutzung des Servers sei kein zweifelsfreier Beleg. Mit dieser Einschränkung zitiert die New York Times bereits Experten. Der Server sei sehr verdächtig, werde aber mutmaßlich nicht nur von russischen Hackern genutzt. Dort liegen zahlreiche Seiten, darunter einige, die auch Betrugsabsicht nahelegen.

In dem New York Times-Bericht wird unabhängig davon berichtet, dass auf Hunderten Konten in sozialen Netzwerken in den Wochen vor der EU-Wahl Falschinformationen zu Europa, Migration und der Nato verbreitet wurden. Auch über Whatsapp seien vermehrt Falschnachrichten versendet worden – wie zum Beispiel Verschwörungstheorien rund um das Notre-Dame-Feuer. Eine der Behauptungen ist, die Kirche sei von einer islamistischen Terrorgruppe in Brand gesteckt worden. Verbindungen nach Russland lassen sich jedoch im Detail in der Regel nicht nachweisen.

Kampagnen weniger sichtbar als bei anderen Wahlen

Ranghohe Geheimdienstvertreter hatten schon zu Beginn des Wahlkampfes betont, dass das russische Vorgehen bislang weniger sichtbar seien als vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2016 oder der Wahl in Frankreich im Mai 2017. Damals waren in den USA unter anderem gehackte Mails der Demokraten veröffentlicht worden, um deren Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu schaden. In Frankreich wurde die rechtspopulistische und russlandfreundliche Kandidatin Marine Le Pen sogar mit russischen Geldern unterstützt.

Wer genau hinter den russischen Kampagnen zur Wahlbeeinflussung steckt, ist selbst für europäische Geheimdienste schwer zu durchschauen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die politische Führung in Moskau strategische Ziele ausgebe. Diese könnten zum Beispiel lauten, russlandfreundliche Kräfte zu fördern oder Streit innerhalb der EU oder Nato zu schüren.

Die Ziele würden dann von den verschiedenen Diensten oder anderen Akteuren relativ eigenständig und ohne viel Koordination umgesetzt. So sei neben dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und dem militärischen Auslandsgeheimdienst GRU vor allem die sogenannte Internet Research Agency in Sankt Petersburg in dem Bereich aktiv. Letztere versuche gezielt, die öffentliche Meinung im Internet zu manipulieren – zum Beispiel, indem sie in Diskussionsforen die Stimmung beeinflusse oder entsprechende Inhalte mit fingierten Identitäten über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter verbreite.

Die Regierung in Moskau wies die Vorwürfe der Geheimdienste schon vor einigen Wochen als haltlos zurück. Russland mische sich nicht in die Europawahl ein und habe das auch bei anderen Wahlen nicht vor, teilte das Außenministerium mit. Die EU sei in einer schweren Krise, in der die traditionellen Parteien nicht mehr auf die Wähler eingingen und somit Euroskeptiker und Populisten stärkten.

*Anm. d. Red.: t-online.de hat diese Passage überarbeitet mit der Kritik an dem Beispiel. In der früheren Version hatte t-online.de berichtet, von dem Server seien auch Falschinformationen verbreitet worden. Das beruhte auf einem Missverständnis und ist durch die Berichterstattung der New York Times" nicht gedeckt.

Verwendete Quellen
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