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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Parteichef Jordan Bardella Für ihn ist das Urteil gegen Marine Le Pen die große Chance

Jordan Bardella gilt in Frankreich als politischer Star, steht mit gerade 29 Jahren an der Spitze des Rassemblement National. Seine Karriere dürfte gerade einen Schub bekommen haben.
Es ist ein schwerer Schlag für Frankreichs Rechtsextreme und ein Urteil, das die politische Karriere von Marine Le Pen hart trifft. Nach dem Schuldspruch wegen der Veruntreuung von EU-Geldern darf die 56-Jährige fünf Jahre nicht mehr für politische Ämter kandidieren. Außerdem hat sie eine Haft- sowie eine Geldstrafe bekommen. Doch ein anderer Politiker des Rassemblement National (RN) könnte von dem juristischen Beben profitieren – Jordan Bardella.
Der 29-Jährige ist seit Ende 2022 Vorsitzender der rechtspopulistischen bis rechtsextremen Partei und so etwas wie ein Superstar der französischen Politik. Als einziger Politiker tauchte er im Jahr 2023 in der Liste der 50 populärsten Persönlichkeiten auf, die die Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" jedes Jahr aufstellt. Als Spitzenkandidat bei der Europawahl im Juni 2024 holte Bardella für den RN das beste Ergebnis aller französischen Parteien mit mehr als 31 Prozent der Stimmen.
Bardella hat Millionen Follower in den sozialen Medien
Auch bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2027 hat Bardella wohl gute Chancen, zumindest in die Stichwahl zu kommen. Bardella galt schon bislang als "Ersatzkandidat" für Marine Le Pen. Diese führte das Feld der Bewerber in den Umfragen zuletzt an. Auch Bardella kommt bei den Franzosen gut an. Aber warum?
Anja Czymmeck, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Frankreich, sagte im Gespräch mit t-online voriges Jahr: "Bardella wirkt sehr jung, sehr dynamisch und kommt besonders bei jungen Leuten sehr gut an". Ein Grund dafür ist, dass er in den sozialen Medien sehr präsent ist. Auf TikTok folgen dem 29-Jährigen 2,1 Millionen Menschen, auf Instagram etwas mehr als 850.000, auf X mehr als 550.000 und alle seine Accounts werden täglich bespielt.
"Das hat etwas von einer Art 'Popstar-Tum'"
In den Videos zeigt er sich meist im Anzug, mal sind es Ausschnitte von Reden und Fernsehinterviews von ihm, in einem anderen Bild schaut er vor einem hellen Hintergrund mit aufgeknöpftem Hemd an der Kamera vorbei in die Ferne. In anderen Videos zeigt sich Bardella volksnah. Manchmal isst er Wurst, oft trinkt er Bier oder Wein und immer wieder knipst er Selfies inmitten der Massen, die ihn umgeben.
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Selfies inmitten seiner Anhänger, auf denen Bardella das immer gleiche Lächeln aufsetzt, sind Teil seines Images. "Das hat etwas von einer Art 'Popstar-Tum' wie bei Boyband-Stars", meint Czymmeck. Bardella stelle sich gerne als "Mann aus dem Volk" dar, der den sozialen Aufstieg geschafft hat. "Er betont immer wieder, aus einem armen Vorort von Paris zu kommen und Sohn einer alleinerziehenden Mutter zu sein."
"Mit ihm wird versucht, die Partei zu entdämonisieren"
Bardella kommt aus einer Familie mit italienischen Wurzeln, trat dem RN mit 17 Jahren bei – nach eigener Aussage, weil er von Marine Le Pen fasziniert war. Er arbeitete sich zügig nach oben und leitete bald die Jugendorganisation der Partei, die damals noch Front National hieß.
Mit 23 trat er zum ersten Mal als Spitzenkandidat bei der Europawahl an und verschaffte seiner Liste einen knappen Vorsprung vor der Regierungspartei. Vor zwei Jahren setzte Bardella sich dann gegen Le Pens Ex-Partner Louis Alliot bei der Wahl zum Parteivorsitzenden durch.
Das Bild, das Bardella in der Öffentlichkeit von sich zeichnet, wirkt insgesamt sehr konstruiert, meint Czymmeck, "aber es funktioniert offensichtlich." Seine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei nutze dieses junge dynamische Image: "Mit ihm wird versucht, die Partei zu entdämonisieren."
Medientrainer arbeitete monatelang an Bardellas Auftreten
Und auch Bardellas ehemaliger Medientrainer Pascal Humeau spricht von einem mühsam antrainierten Auftreten. Er erklärte in der französischen TV-Sendung "Complément d’enquête", monatelang mit Bardella an seiner "Leichtigkeit, Ungezwungenheit und seinem Enthusiasmus" gearbeitet zu haben, "sodass die Leute zumindest sagen: Für einen Faschisten wirkt er sympathisch".
Die Rassemblement National wurde 1972 unter dem Namen Front National von dem rechtsextremen Politiker und verurteilten Holocaustleugner Jean-Marie Le Pen gegründet. Seine Tochter Marine Le Pen führte die Partei von 2011 bis 2022 und versuchte zunehmend, sich und die Partei von dem rechtsextremen Image ihres Vaters zu befreien.
Sein Nachname könnte Bardella helfen
Seit 2022 steht nun Bardella an der Spitze der RN und soll zu diesem Ziel beitragen. "Zusätzlich zu seinem Auftreten kommt ihm zugute, dass er den Namen 'Le Pen' nicht trägt", sagt Czymmeck. Das könnte den Leuten helfen, die Partei zu wählen, die von dem rechtsextremen Image zuvor abgeschreckt waren, meint sie. "Das ist ein Trick dieser Partei und auch die große Gefahr." Mit dem freundlichen Gesicht eines netten jungen Mannes werde nun der Eindruck erweckt, die Partei sei "nicht mehr so schlimm", sondern ganz normal und bürgerlich. Grundlegend geändert habe sich die Ideologie der RN aber nicht, so Czymmeck.
Ex-Frontex-Chef steht auf Bardellas Wahl-Liste
Im Europawahlkampf voriges Jahr machte Bardella mit flammenden Reden gegen die "massive Einwanderung" Stimmung, versprach seinen Wählern Volksentscheide "gegen die Überflutung mit Migranten". Auf seiner Wahl-Liste stand auch Fabrice Leggeri, Ex-Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Zwei Hilfsorganisationen stellten Ende April 2024 Strafanzeige gegen ihn und warfen ihm Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Beihilfe zur Folter vor. Nach der Recherche mehrerer internationaler Medien soll Leggeri in seiner Amtszeit das gewaltsame Zurückdrängen von Flüchtlingen, sogenannte Pushbacks, geduldet haben. Diese sind nach internationalem Recht illegal. Leggeri selbst wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete sie als "politisches Manöver".
Abgesehen von dem Thema der Einwanderung blieb Bardellas Wahlprogramm allerdings relativ unpräzise. "Er wirkt meist wie eine Hülle ohne Inhalt", so Frankreich-Expertin Czymmeck. Die Forderung nach einem EU-Austritt Frankreichs hat er wie auch Le Pen aufgegeben – zu radikal wirkt sie für viele Wählerinnen und Wähler. Ein "Europa der Nationen" ist das erklärte Ziel des RN. Wie das aussehen solle, erklärt Bardella so: Eine europäische Zusammenarbeit sei für Austauschprogramme in Ordnung, ansonsten aber unerwünscht.
Bislang ist unklar, wie sich das Urteil gegen Parteichefin Marine Le Pen auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich 2027 auswirkt. Anzunehmen ist, dass der RN seine Frontfigur zu einer politischen Märtyrerin stilisieren wird. Davon könnte wohl auch Bardella profitieren.
- Telefonat mit Anja Czymmeck
- tiktok.com: @jordanbardella
- instagram.com: @jordanbardella
- twitter.com: @J_Bardella
- lalsace.fr: "Ce qu'il faut retenir du "Complément d’enquête" sur Jordan Bardella" (französisch)
- lejdd.fr: "Top 50 du JDD : voici les personnalités préférées des Français" (französisch)
- harris-interactive.fr: "BAROMÈTRE D’INTENTIONS DE VOTE AUX ÉLECTIONS EUROPÉENNES 2024 – VAGUE 9" (französisch)
- spiegel.de: "NGOs werfen Leggeri Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor"
- mit Material der Nachrichtenagentur AFP
- Ergebnisse der Europawahl 2024
- eigene Recherche