Brexit-Gesetz im Oberhaus Jetzt haben die britischen Lords das Wort
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das britische Unterhaus will die Regierung zur Verschiebung des Brexits zwingen. Ein entsprechendes Gesetz muss nun durchs Oberhaus. Wird es dort noch gestoppt?
Im erbitterten Streit um den Brexit hatte das britische Oberhaus bislang wenig zu entscheiden. Da die Macht des Parlaments fast ausschließlich in den Händen des Unterhauses liegt, blieb den Mitgliedern der altehrwürdigen Kammer praktisch nur die Beobachterrolle. Am Donnerstag wird sich das zumindest kurzfristig ändern.
Dann nämlich sind die über 800 Mitglieder des seit dem 14. Jahrhundert bestehenden House of Lords aufgerufen, über ein heikles Gesetz abzustimmen. Die Vorlage verpflichtet die britische Regierung, einen weiteren Aufschub für den Brexit zu beantragen, sollte kein Deal für einen geregelten Austritt vorliegen. Der Antrag war am Vorabend im Unterhaus mit nur einer Stimme Mehrheit angenommen worden – sehr zum Ärger der Regierung, die nun ihre Verhandlungsposition mit der EU geschwächt sieht.
Oberhaus drückt aufs Tempo
Die Peers, wie die Mitglieder des Oberhauses genannt werden, haben sich zum Ziel gesetzt, das Gesetz noch heute durch die Kammer zu bringen, damit es rechtzeitig vor dem 12. April in Kraft treten kann – dem Datum für den No-Deal-Brexit. Dazu müssen zunächst einige parlamentarische Richtlinien ausgesetzt werden, die verbieten, dass alle Lesungen eines Gesetztes innerhalb eines Tages stattfinden.
Die Chancen, dass das Gesetz das Oberhaus rasch passiert, stehen gut. Den regierenden Tories steht nur eine Minderheit in der Kammer nahe. Mehrfach hatten sich die Peers sehr kritisch zum Brexit geäußert. Premierministerin May machten sie klar, dass sie den Brexit nicht am Parlament vorbei verhandeln kann. Pro-Brexit-Peers könnten aber versuchen, die Gesetzgebung mit Änderungsanträgen zu verlangsamen.
Kaum noch politischer Einfluss
Anders als am heutigen Donnerstag fristet das House of Lords die meiste Zeit ein Schattendasein. Seit weitreichenden Gesetzesänderungen in den Jahren 1911 und 1949 hat die Kammer nur noch wenig Einfluss auf die Politik. Die Peers haben die Aufgabe, Gesetze zu prüfen. Sie können deren Inkrafttreten verzögern, um maximal zwölf Monate. Verhindern können sie sie nicht; weil beim Brexit aber die Zeit so drängt, hätte das Oberhaus in diesem Fall eine Möglichkeit, das Gesetz durch Langsamkeit zu verhindern. Deshalb spielt das House of Lords diesmal eine wichtigere Rolle als sonst.
Dem Oberhaus gehören derzeit 782 Mitglieder an. Sie werden überwiegend auf Lebenszeit ernannt, weshalb die Kammer heute viele recht betagte Mitglieder hat. 26 Mitglieder haben ihren Sitz aufgrund ihrer Rolle in der Kirche: zwei Erzbischöfe und 24 weitere Bischöfe. 1999 wurde das House of Lords grundlegend reformiert. Das bis dahin gültige Prinzip, die Sitze in der Kammer zu vererben, wurde auf noch 92 Peers begrenzt. Vorschläge für Neubesetzungen im House of Lords kommen vom Premierminister oder einer Nominierungskommission.
Ernennung auf Lebenszeit umstritten
Seit Jahren gibt es Forderungen, das Oberhaus weiter zu reformieren. So drängten Mitglieder des Unterhauses immer wieder darauf, das House of Lords radikal zu verkleinern, die Mehrzahl der Sitze nicht mehr über Ernennung zu vergeben, oder die Amtszeit zu limitieren. Auch die Bezeichnung "Lord", die jedes Mitglied bisher als Namensbestandteil führt, soll abgeschafft werden.
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Den letzten Reformvorstoß zog die liberal-konservative Regierung von David Cameron 2012 kurz vor der Abstimmung zurück. Rund 100 konservative Abgeordnete hatten damals angekündigt, die Pläne blockieren zu wollen.
- Sky News: How bid could race through the House of LordsNachrichtenagenturen dpa, AFP
- Eigene Recherchen