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Pressestimmen zu Mays Kehrtwende: "Spannend, welchen Preis Corbyn für sein Mitmachen fordern wird"


Presseschau zur Brexit-Kehrtwende
"May spielt ihren letzten Trumpf"

Von dpa, afp, ds

03.04.2019Lesedauer: 3 Min.
Premierministerin Theresa May und Labour-Chef Jeremy Corbyn: Die Regierungschefin von Großbritannien hofft nun mithilfe des Oppositionsführers, ihren Brexit-Deal durchs Unterhaus zu bekommen.Vergrößern des Bildes
Premierministerin Theresa May und Labour-Chef Jeremy Corbyn: Die Regierungschefin von Großbritannien hofft nun mithilfe des Oppositionsführers, ihren Brexit-Deal durchs Unterhaus zu bekommen. (Quelle: John Stillwell/PA Wire/dpa)

Statt auf Zustimmung aus ihrer zerstrittenen Partei zu hoffen, will Premierministerin Theresa May ihren Brexit-Deal jetzt mithilfe der Opposition retten. Die internationale Presse bewertet die Kehrtwende ganz unterschiedlich.

Jetzt soll ein Kompromiss mit der Opposition den Brexit-Deal retten. Nachdem die britische Premierministerin Theresa May dreimal mit ihrem Vorhaben gescheitert ist, ihren Austrittsplan durch das britische Unterhaus zu bekommen, versucht sie es nun mit einem Kurswechsel: Nach einer siebenstündigen Krisensitzung mit ihrem Kabinett rückt May am Dienstag von ihrer eigenen Partei ab und geht auf die Opposition zu.

Zusammen mit der Labour-Partei und Oppositionsführer Jeremy Corbyn soll nun ein schneller Kompromiss zu ihren Brexit-Plänen gefunden werden – und der dann endlich mit einer Mehrheit das Unterhaus passieren. Die internationale Presse reagiert auf den neuen Weg der Premierministerin vorwiegend positiv. Doch für ihr "Pokerspiel" bekommt May auch Kritik.

"Guardian" (Großbritannien): "Es spricht Bände, dass die Premierministerin erst mit dem Rücken an der Wand zur Vernunft kommt und nun akzeptiert, dass die seit Langem vorgebrachten Argumente ihrer Opponenten mit berücksichtigt werden müssen. Die Frage ist, ob sie dafür im Herzen wirklich so offen ist wie die Tür zu ihrem Amtssitz Downing Street Nr. 10. ... Da sie eine Minderheitsregierung führt, hätte eigentlich längst klar sein müssen, dass sie auf Unterstützung über Parteigrenzen hinweg angewiesen sein wird.

Damit so lange zu zögern und dann solche Vorbedingungen zu stellen, bedeutet, dass May mit dem Feuer spielt. Sollte es keine Aussicht auf eine Verständigung über eine Form des Brexits und keinen Aufschub geben, muss Großbritannien entweder vom EU-Austrittsartikel 50 Abstand nehmen oder am Freitag in einer Woche ohne ein Abkommen austreten. Sollte das Land in diese missliche Lage geraten, wird May daran schuld sein."

"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): "Damit hat Theresa May endlich das getan, was viele ihrer Kritiker schon lange von ihr gefordert hatten: Sie hat den Versuch aufgegeben, die Brexit-Hardliner unter den Tories auf ihre Seite zu ziehen. ... Immerhin signalisiert dieses Vorgehen, dass May den Ernst der Lage erkannt hat und bereit ist, herkömmliche parteipolitische Prinzipien über Bord zu werfen.

Dieser Plan ist allerdings ein politischer Hochseilakt, und er könnte im äußersten Fall damit enden, dass die Parteienlandschaft in Großbritannien in ein paar Jahren um einiges anders aussehen wird als heute. Es wird auch spannend zu beobachten sein, welchen Preis Corbyn für sein Mitmachen fordern wird."

"L'Opinion" (Frankreich): "Unfähig, selbst eine Lösung zu finden, werden sich die Briten erneut an den Kontinent (EU) wenden, um zu versuchen, den 27 (verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten) eine neue Frist abzuringen. Aber die Europäer müssen jetzt aufhören, nachsichtig zu sein. Denn was in London geschieht, würde in gleicher Weise in jedem anderen Land geschehen, das mit einem Projekt konfrontiert ist, das so atemberaubend ist wie der Bruch mit Europa – mit einem Teil von sich selbst. Also sollte dies zumindest all jenen als Beispiel dienen, die vorgeschlagen haben, eines Tages dem gleichen Weg des Austritts zu folgen."


"De Tijd" (Belgien): "Das ist eine überraschende Initiative von Theresa May. ... Mays Pokerspiel wird die politischen Gemüter in Großbritannien nicht besänftigen. Die Befürworter und die Gegner werden sich weiterhin mit gezogenen Messern gegenüberstehen. In einem solchen Klima ist jeder Kompromiss suspekt.

Mit dieser Initiative spielt May ihren letzten Trumpf aus. Wenn dies misslingt, wird ein harter Brexit wieder wahrscheinlicher. Irgendwann muss das aufhören. Und wie der französische Präsident Emmanuel Macron sagt: Europa kann die politischen Probleme der Briten nicht lösen. Es ist das ultimative Glücksspiel einer Premierministerin, die am Ende ist."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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