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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Letzte Chance für May Warum die Brexit-Hardliner jetzt einknicken
Das britische Unterhaus ist heute mit Alternativen zu Mays Brexit-Deal beschäftigt. Folgenreicher dürfte eine andere Nachricht werden: Die Brexit-Hardliner geben ihren Widerstand auf. Warum?
Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg könnten verschiedener nicht auftreten. Johnson, der aufbrausende Derwisch mit Sturmfrisur, Rees-Mogg, der britische Gentleman mit Zweireiher. Sie verbindet ihre Herkunft aus gutem Hause – und ihr Hass auf die EU.
Das führte bislang dazu, dass die beiden Abgeordneten, die selbst der Tory-Partei Theresa Mays angehören, die schärfsten und prominentesten Gegner des Brexit-Abkommens waren, das die Premierministerin mit der EU ausgehandelt hat. Weil sie fürchteten, dass Großbritannien durch die Backstop-Regelung auf unbestimmte Zeit an die Europäische Union gebunden bleibt.
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Sie kritisierten May bei jeder Gelegenheit, forderten sie zum Rücktritt auf und planten, sie aus dem Amt zu putschen. Bis jetzt. Denn auf einmal könnten die größten Gegner Mays zu ihren wichtigsten Unterstützern werden.
Viel Kritik – und dann das angedeutete Einknicken
Boris Johnson nutzte einen Gastbeitrag im "Telegraph", um erst lang und breit Mays Abkommen zu geißeln, dann aber doch zu dem Schluss zu kommen: "Es gibt nur ein plausibles Argument, warum wir nun dafür stimmen sollten – weil nämlich jede einzelne andere Option jetzt schlimmer ist."
Jacob Rees-Mogg erklärt in seinem Podcast, dem Moggcast, er sehe das Risiko, dass eine weitere Verschiebung des Brexits zu weiteren Verschiebungen führen könnte – sodass Großbritannien letztlich gar nicht austritt. Er bringt es auf die Formel: "Ein No-Deal ist besser als Mays Deal, aber Mays Deal ist besser als überhaupt nicht auszutreten."
Ein weiteres Argument dürfte Theresa May im Vorfeld der angekündigten Abstimmungen am Mittwochabend geliefert haben: Die Premierministerin hat ihren Rücktritt in Aussicht gestellt, sollte ihr Deal doch noch verabschiedet werden.
Probeabstimmungen, um Alternativen auszuloten
Den Brexit-Hardlinern gehen die Optionen aus. Das Unterhaus konnte sich in den letzten Wochen auf nichts einigen, außer auf einen Antrag: Den Hardliner-Favoriten, den No-Deal-Brexit, soll es nicht geben. Am heutigen Mittwoch nun stimmt das Unterhaus über mehrere andere Optionen ab, unverbindlich, in Probeabstimmungen, um einen Ausweg auszuloten. Im Sinne der Hardliner ist eigentlich keiner dieser Auswege.
Über welche Ideen konkret abgestimmt wird, das bestimmt Parlamentschef John Bercow. Die Debatte im Unterhaus soll von 16 bis 20 Uhr dauern. Dann stimmen die Abgeordneten ab, und zwar diesmal, indem sie jeweils ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den Vorschlägen auf Abstimmungszetteln vermerken. Die Ergebnisse werden bis 23 Uhr erwartet.
Auf dem Tisch liegen unter anderem diese Vorschläge:
- Ein internationales Handelsabkommen, das es Großbritannien ermöglicht, nach dem Brexit eine Zollunion mit der EU zu bilden.
- Ein Brexit-Abkommen, das mindestens eine Verpflichtung enthält, eine dauerhafte und umfassende Zollunion des Vereinigten Königreiches mit der EU auszuhandeln.
- Den Rückzug des Austrittsgesuchs nach Artikel 50, wenn das Parlament nicht einwilligt, die EU ohne Abkommen zu verlassen, was den Verbleib in der EU bedeuten würde.
- Eine Volksabstimmung über den Brexit-Vertrag, bevor dieser vom Parlament ratifiziert wird.
- Anhaltende Mitgliedschaft Großbritanniens im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und ein Antrag, der europäischen Freihandelsassoziation EFTA wieder beizutreten, der derzeit die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein angehören.
- Binnenmarkt 2.0, ein erweitertes Abkommen nach dem Vorbild Norwegens, das die Mitgliedschaft im Binnenmarkt sowie ein Zollabkommen mit der EU umfasst.
- Plan der oppositionellen Labour-Partei, der eine enge wirtschaftliche Anbindung an die EU einschließlich einer umfassenden Zollunion und einer engen Anbindung an den Binnenmarkt vorsieht.
- Der sogenannte Malthouse-Kompromiss-Plan A: Er ist stark an Mays Abkommen angelehnt, ersetzt aber den Backstop mit einer Regelung, die auf einem Freihandelsabkommen ohne Zöllen basiert und auf technische Lösungen setzt, mit denen Kontrollen abseits der Grenze ermöglicht werden. Diese technischen Lösungen gibt es allerdings derzeit nicht.
Sollte es in den Abstimmungen für irgendeine der vielen weicheren Brexit-Optionen eine Mehrheit geben, wäre das zwar rechtlich nicht bindend. Aber der Druck auf die Hardliner würde noch einmal größer werden, Mays Abkommen doch zu akzeptieren.
Rees-Mogg will Zustimmung von Nordiren abhängig machen
Im Gespräch mit der BBC machte Rees-Mogg seine Unterstützung für May von der Unterstützung der nordirischen Unionistenpartei DUP abhängig. "Ich würde die DUP nicht im Stich lassen, weil ich denke, dass sie die Wächter der Einheit des Vereinigten Königreiches sind", sagt er.
Die DUP toleriert die Regierung der Torys. Sie fürchtet als nordirische Partei eine drohende harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der europäischen Republik Irland – und will zugleich nicht, dass Nordirland durch denkbare Sonderregelungen nicht mehr wirklich Teil Großbritanniens ist.
Johnson und Rees-Mogg jedenfalls bauen schon für den Fall vor, dass sie dem Abkommen zustimmen werden. Wohl nicht zuletzt, um ihr mögliches Einknicken nicht wie ein Einknicken aussehen zu lassen. Johnson schreibt im "Telegraph", wenn May ihr Abkommen durchbringen wolle, müsse sie "überzeugende Beweise" liefern, wie die nächste Phase der Verhandlungen mit der EU, in der "alle Schlüsselfragen verhandelt werden", sich von der ersten Verhandlungsphase unterscheide.
Rees-Mogg gibt sich in seinem Podcast gar leicht selbstkritisch. Menschen wie er hätten bislang nicht bedacht, dass der Brexit eher ein Prozess ist als ein einmaliges Event, das mit dem Austrittstag zu Ende ist. Genau wie auch der EU-Beitritt ein Prozess gewesen sei.
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- Eigene Recherche
- Boris Johnsons Gastbeitrag im "Telegraph"
- Jacob Rees-Moggs aktueller Podcast "Moggcast"
- "Guardian": How will the Brexit indicative votes process work?
- Mit Material von Reuters, dpa