Der Brexit und der Nordirland-Konflikt Der Versöhnung droht das Geld auszugehen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Nordirland-Konflikt macht den Brexit schwierig. Wegen der Zollfrage, aber auch wegen des fragilen Friedens. Wichtigen Projekten könnte künftig das Geld ausgehen.
Laurence McKeown war 17, als er sich der paramilitärischen Irisch-Republikanischen Armee anschloss, der IRA. In Nordirland tobte ein gewaltsamer Konflikt zwischen denen, die loyal zum britischen Königreich standen, und denen, die einen Zusammenschluss mit Irland wollten – wie die IRA. Beide Seiten waren bereit, dafür zu töten. McKeown tötete niemanden, als er auf ein Polizeiauto schoss, aber ein Polizist wurde durch einen Querschläger verletzt. McKeown wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das war im Jahr 1977.
Vier Jahre später traten Gefangene im berüchtigten Maze-Gefängnis, in dem auch McKeown einsaß, in den Hungerstreik. Mehrere Gefangene starben. McKeown hielt 70 Tage durch, bevor er das Bewusstsein verlor. Während seiner Haft begann er zu studieren. Er promovierte, als er das Gefängnis verlassen hatte.
Mehr als 3.600 Menschen wurden während des jahrzehntelangen Konflikts zwischen englisch- und schottischstämmigen Protestanten und irischen Katholiken getötet. Durch Schüsse, Querschläger, Bomben, auf der Straße, im Gefängnis. Mehr als 50.000 Menschen wurden in den Jahren der sogenannten Troubles verletzt. Die Mehrheit der Opfer waren Zivilisten. Mit dem Karfreitagsabkommen 1998 wurde der Frieden in Nordirland besiegelt.
Der Brexit und die heikle Grenzfrage
Die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland künftig aussehen soll, wenn Großbritannien die EU verlässt, ist deshalb besonders heikel. Eine feste Grenze, Kontrollen, bewaffnete Polizisten – der Brexit könnte alte Wunden wieder aufreißen. Und er könnte Nordirland einen wichtigen Geldgeber für Friedensprojekte kosten.
Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahrzehnten viel Geld zur Verfügung gestellt, um den Friedensprozess voranzutreiben. Allein zwischen 1995 und 2013 flossen 1,3 Milliarden Euro nach Nordirland. Damit finanzierte die EU grenzüberschreitende Programme zwischen Irland und Nordirland, und Programme, um zuvor verfeindete Gruppen an einen Tisch zu bringen.
Friedensprojekte – bezahlt von der EU
Laurence McKeown, der frühere IRA-Kämpfer, setzt sich seit seiner Freilassung für den Frieden ein. Er schreibt Theaterstücke und hat Ausstellungen zum Nordirlandkonflikt konzipiert. Er lässt Menschen erzählen, wie sie den Konflikt erlebt haben und wie er ihr Leben beeinflusst hat. "Am Anfang hatten die Menschen teilweise Angst voreinander", sagt McKeown, "aber wir haben immer mehr Gruppen gegründet, ein Beratungsprogramm gestartet und später eine Sommeruniversität, an der Menschen aus allen Lebensbereichen teilnehmen und diskutieren konnten." Bezahlt hat das die EU.
McKeown hat außerdem Touren organisiert, bei denen ehemalige Gefangene ihre Geschichte erzählen konnten. Gleichzeitig schuf er so Arbeitsplätze, um Ex-Häftlinge wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Ohne die EU wäre das nicht möglich gewesen. "Alle Projekte, an denen ich beteiligt war, wurden durch die EU finanziert", sagt er.
Die Rolle der EU beim Friedensprozess in Nordirland könne man kaum überschätzen, sagt auch Giada Lagana, Politikwissenschaftlerin an der irischen Universität in Galway. "Das Geld war dafür gedacht, die grenzüberschreitenden Aktivitäten auf der irischen Insel zu normalisieren." Manche hätten die übermäßige Bürokratie der EU beim Management der Projekte kritisiert. Doch es sei extrem wichtig gewesen, dass beide Seiten gezwungen waren, das Geld gemeinsam zu nutzen.
Noch ist Geld im Haushalt eingeplant
Der Brexit könnte diese Errungenschaften nun gefährden, befürchtet die Wissenschaftlerin: "Die Aussicht, dass die Finanzierung der Programme wegen des Brexits irgendwann enden könnte, bedeutet auch, dass eine weitere Verbesserung des Friedensprozesses in der Region aufgegeben werden wird."
In ihrem Haushalt bis 2027 hat die EU noch Geld für Friedensprojekte in Nordirland eingestellt. Für die ersten Jahre nach dem geplanten Brexit ist die Unterstützung also gesichert. Und dann? "Die Zukunft des Programms in Nordirland ist davon abhängig, dass die britische Regierung dasselbe tut und dafür Geld zur Verfügung stellt", sagt die Politologin Lagana. Es ist fraglich, ob Großbritannien das tun wird.
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Notwendig wäre es, glaubt Laurence McKeown. Er ist überzeugt, dass die Aufarbeitung noch lange dauern wird. In seinem Projekt "Aftermath" erzählen Zeitzeugen von ihren Erfahrungen mit dem Konflikt. Eine Bäuerin beschreibt, wie auf ihrem Feld an der Grenze eine Bombe explodierte, als eine Gruppe Polizisten und ein Soldat dort entlang gingen. Später fanden sie und ihre Mutter beim Aufräumen Leichenteile. Eine Erinnerung, die sie bis heute nicht loslässt.
- Eigene Recherchen