Schluss mit Klingen Spanien rüstet Grenzzäune an Afrika-Exklaven ab
Erst am Donnerstag stürmten Migranten die streng gesicherte Grenze der spanischen Exklave Ceuta. Die Regierung will die Grenzzäune nun aber nicht etwa aufrüsten – sondern abrüsten.
Ungeachtet des Migrantenansturms vom Donnerstag hält die spanische Regierung an ihren Plänen fest, die umstrittenen messerscharfen Klingen an den Grenzzäunen der Afrika-Exklaven Ceuta und Melilla zu entfernen. Die Entfernung solle "unverzüglich erfolgen", sagte Innenminister Fernando Grande-Marlaska in einem Radiointerview.
Am Donnerstag waren mehr als 600 Flüchtlinge von marokkanischem Gebiet aus gewaltsam in Ceuta eingedrungen. Nach Angaben von Polizeisprechern handelte es sich um einen der größten und auch einen der brutalsten Migrantenanstürme der jüngsten Zeit auf die Exklave an der Straße von Gibraltar. Migranten sollen unter anderem Sprühdosen angezündet und als "Flammenwerfer" eingesetzt haben. Mehrere Polizisten und Migranten wurden verletzt.
Sicherheitsniveau "mit weniger grausamen Mitteln beibehalten"
Madrid garantiere, dass das Sicherheitsniveau auch "mit weniger grausamen Mitteln beibehalten werden" könne, sagte Grande-Marlaska. Vorwürfe der Opposition, das spanische System zur Aufnahme von Migranten stehe angesichts der in den vergangenen Monaten gestiegenen Flüchtlingszahlen vor dem Kollaps, wies der Minister zurück. Er warf der konservativen Vorgängerregierung vor, keine Maßnahmen ergriffen zu haben, "um dieser vorhersehbaren Entwicklung" zu begegnen.
Die kilometerlangen Grenzzäune zwischen dem Territorium Marokkos und den spanischen Gebieten Ceuta und Melilla wurden 2005 erstmals mit Klingen versehen. Zwei Jahre später wurden sie wegen zunehmender Kritik zunächst entfernt, ehe die konservative Regierung von Mariano Rajoy im Jahr 2013 an den Grenzen der Exklaven wieder Nato-Draht mit Klingen anbringen ließ.
Migranten, die über die gut sechs Meter hohen Zäune zu klettern versuchen, ziehen sich immer wieder Verletzungen zu. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und Ärzten sind einige Menschen sogar verblutet. Trotzdem reißt der Strom der vorwiegend afrikanischen Flüchtlinge aus Ländern südlich der Sahara kaum ab.
Regierung steht unter Druck
Das Vorhaben, die Klingen an den Zäunen zu entfernen, hatte die neue sozialistische Regierung Mitte Juni nur eine Woche nach der Amtsübernahme von Ministerpräsident Pedro Sánchez bekannt gegeben.
Seine Minderheitsregierung steht derzeit auch anderweitig unter Druck. Sie droht mit ihrem Haushaltsentwurf im Parlament zu scheitern. Zwei katalanische Parteien und die linksgerichtete Podemos kündigten vor einer wichtigen Abstimmung zu Kürzungsplänen der sozialistischen Regierung ihre Enthaltung an. Sánchez ist auf ihre Unterstützung angewiesen. Sollte er mit dem Entwurf scheitern, stünde die Basis für seine Regierung nur zwei Monate nach Amtsantritt infrage.
- dpa, Reuters