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Brüssel: Der EU-Gipfel bringt die Wende – nur nicht für Angela Merkel


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Asylstreit in Brüssel
Der EU-Gipfel bringt die Wende – aber nicht für Merkel

Peter Riesbeck berichtet aus Brüssel

Aktualisiert am 28.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel kommt beim EU-Gipfel in Brüssel an: Die Kanzlerin möchte auf dem Gipfel eine europäische Lösung in der Migrationspolitik forcieren.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel kommt beim EU-Gipfel in Brüssel an: Die Kanzlerin möchte auf dem Gipfel eine europäische Lösung in der Migrationspolitik forcieren. (Quelle: Reuters-bilder)

Beim Gipfel in Brüssel verhandelt die EU über eine gemeinsame Asylpolitik. Während Merkel massiv unter Druck steht, sind die Rechten im Aufwind.

Vom EU-Gipfel in Brüssel berichtet Peter Riesbeck

Die Kanzlerin muss kurz warten auf dem Roten Teppich. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht noch mit der Presse. Ein wenig einsam und verloren steht sie da. Luxemburgs Regierungschef erkennt ihre prekäre Lage und geht auf Merkel zu. Dann dreht sich auch Macron um, die beiden scherzen. So beginnt er, der seit Wochen mit Spannung erwartete EU-Gipfel in Brüssel.

Es sei "schon viel erreicht worden, etwa beim Schutz der Außengrenzen", sagt Merkel knapp. Kein Wort zur angespannten innenpolitischen Lage in Deutschland. Nur einer verlor schon vor dem Gipfel die Geduld. "Es kann doch nicht sein, dass irgendeine bayerische Partei darüber entscheidet, wie Europa funktionieren soll", schimpfte Luxemburgs Premier Xavier Bettel. Ein anderer war dagegen schon vorab zufrieden: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sprach von einer "Trendwende" . Er wirbt seit Jahren für eine Wende in der Asylpolitik und Auffanglager in Afrika.

Wer will was beim Asylgipfel in Brüssel? Ein Blick auf die wichtigsten Akteure und ihre Standpunkte:

Sebastian Kurz: "Ausschiffungsplattformen" außerhalb der EU

Österreichs Kanzler macht keine Umschweife. "Es kann nicht sein, dass die Fluchtrouten über das Mittelmeer zum Ticket nach Europa werden", sagt er. Er sei optimistisch, dass die Staats- und Regierungschefs in ihren Beratungen zu einem “Paradigmenwechsel” kämen.

Kurz ist schon vor dem Auftakt so etwas wie der stille Gewinner des Gipfels. Heftig war er noch in seinem Amt als österreichischer Außenminister für seine Politik gescholten worden, er machte kurzerhand die Balkanroute dicht.

Jetzt steht Kurz als Kanzler in Brüssel. “Das ändert alles”, sagt er und meint sogenannte Ausschaffungszonen: Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika, in denen vor Ort über den Asylantrag entschieden wird. Auch Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer gerettet wurden, könnten dorthin zurückgebracht werden.

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Das Ziel: Die Flüchtlinge sollen die EU gar nicht erst erreichen, denn sonst müssen nach Rechtslage ihre Asylanträge in Europa bearbeitet werden. “Wir müssen schnell zu Verträgen mit Ländern in Afrika kommen”, sagt Hollands Premier Mark Rutte. Und Kurz lobt: “Es sieht so aus, als könnten wir heute eine Trendwende erreichen.” Es wäre keine Trendwende für Angela Merkel, sondern im Sinne der Politik von Sebastian Kurz.

Österreichs Kanzler, 31, ist das neue Ideal der Jung-Konservativen in Europa: smart, Schwiegermuttertyp, aber hart rechts. Nun ist er fast am Ziel. Europa steht kurz davor, sich abzuschotten.

Conte: Drohung mit einer Blockade

Italiens Premier Conte trifft mit Merkel zu einem bilateralen Gespräch zusammen - und droht mit einer Blockade der Beschlüsse. Er verlangt von den europäischen Partnern, die bisherigen EU-Asylregeln zu ändern. Diesen zufolge sind die Ankunftsländer normalerweise für Asylanträge zuständig - dies betrifft derzeit insbesondere Italien, wo viele Migranten aus dem Mittelmeer kommend anlanden. "Es kommt nicht in Frage, dass wir nur wegen Merkel über Sekundärmigration sprechen."

Emmanuel Macron: Geschlossene Asylzentren innerhalb der EU

Frankreichs Präsident gehört ebenfalls zur neuen Politikergeneration in Europa. Entspannt schlendert er über den roten Teppich in Brüssel und stellt sich den Fragen der Journalisten. Er spricht über gemeinsame europäische Anstrengungen in der Verteidigungspolitik, über den Handelsstreit mit den USA und Europa als Anker des Multilateralismus, und er lobt die deutsch-französischen Vorschläge zur Reform der Eurozone. Erst an vierter Stelle kommt Macron auf Merkels dringlichstes Problem zu sprechen: die Asylpolitik. Migration, erst mal nicht sein Problem.

Macron hat gemeinsam mit Spaniens neuem Premier Pedro Sanchez “geschlossene Asylzentren” innerhalb der EU vorgeschlagen, also eine europäische Variante der von Horst Seehofer geforderten Ankerzentren. “Wir müssen uns fragen: Wollen wir eine europäische Lösung oder viele nationale?", sagt Macron und gibt selbst die Antwort: "Ich bin für die europäische Lösung.” Kein Wort zu Merkels angestrebten bilateralen Verträgen zur Rückführung von Flüchtlingen.

Viktor Orban: Grenzen dicht

Zwei Asylbewerber lässt Ungarn täglich ins Land. Von “Invasion” spricht Viktor Orban am Donnerstag in Brüssel. Er hat als erster gegen die Quote zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa gewettert, andere Länder, wie Polen, Tschechien und die Slowakei, sind gefolgt. Auch Orban sieht sich fast am Ziel und er wähnt sich selbst als Retter der Demokratie: “Es geht darum, die Menschen zurückzubringen und die Demokratie in Europa wiederherzustellen.”

Orban gilt in der EU als Vorreiter einer “illiberalen Demokratie”, wie er das nennt. Die ist möglichst homogen. Minderheiten stören da nur. Nur in einem Punkt zeigt sich Orban zugänglich: Er ist bereit für ein Rückführungsabkommen zwischen Deutschland und Ungarn.

Angela Merkel: Der einsame Kampf um bilaterale Verträge

Viel Hoffnung gab es schon vor Beginn des Gipfels nicht für Angela Merkel. Nur ein Satz findet sich in der vorbereiteten Gipfel-Erklärung über ihr dringlichstes inhaltliches Problem: Die Sekundärmigration. Darunter verstehen Experten die Binnenwanderung von Flüchtlingen innerhalb der EU, etwa von Italien nach Deutschland. "Die Mitgliedstaaten werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Sekundärmigrationen einzuschränken und enger zusammenarbeiten“, heißt es im Entwurf des Abschlussdokuments.

Mehr nicht. Zu wenig für Merkel. Die Kanzlerin will deshalb auf dem Gipfel weiter das Gespräch suchen. Bereit zu bilateralen Verträgen zur Rückführung zeigen sich Frankreich, Spanien und Griechenland, selbst das in der Flüchtlingspolitik renitente Ungarn. Nur Italien bleibt vorerst stur.

"Bilaterale Verträge sind kurzfristig möglich und auch mit EU-Recht vereinbar. Wir Freie Demokraten in Europa fordern einen Vorstoß aller Staaten, die gewillt sind, ankommende Flüchtlinge unter sich zu verteilen", sagt die FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch. Aus ihrer Erfahrung in Brüssel, weiß sie aber auch, wer solche Regelungen über Jahre blockiert hat.

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Mit Blick auf die unversöhnliche Haltung von Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer erklärt Hirsch: "Die CSU sabotiert hier schon zum zweiten Mal einen europäischen Ansatz zur Lösung der Flüchtlingsfrage. Wir hatten 2011 schon einmal den Plan, einen gemeinsamen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge in der Europäischen Union zu etablieren. Das wurde vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich - auch CSU - vehement abgelehnt."

Auch Luxemburgs Regierungschef Bettel rechnet mit der CSU ab. Die deutsche Innenpolitik dominiert den EU-Gipfel in Brüssel.

Und Merkel? Kämpft um Rückführungsabkommen. Und um ihr Amt. Und muss dabei zusehen, wie Kurz, Rutte und Co. langsam, aber sicher ihre liberale Flüchtlingspolitik demontieren.

Der Asylgipfel bringt die Trendwende – für Sebastian Kurz und die jungen Konservativen in Europa.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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