Rudolf Diesels geniale Erfindung So bleibt der Dieselmotor zukunftsfähig
Vor 100 Jahren starb Rudolf Diesel, Erfinder des gleichnamigen Motors, der aus dem heutigen Verkehr gar nicht mehr wegzudenken ist. Inzwischen hat laut Verband der Automobilindustrie (VDA) jeder zweite Pkw in Europa einen Diesel unter der Haube. Bei Lkw und Schiffen sind es nahezu 100 Prozent. Doch der Selbstzünder ist wegen seiner Abgase und Schadstoffbilanz zunehmend umstritten. Warum der Dieselmotor dennoch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen dürfte und woran die Ingenieure derzeit tüfteln.
Ab 1903 erste Schiffe mit Dieselmotor
Mit dem Erfolg des Motors wird der Erfinder und Namensgeber Rudolf Christian Karl Diesel wohl nicht gerechnet haben, als er im Februar 1892 beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin eine "neue, rationelle Wärmekraftmaschine" anmeldete, um die uneffiziente Dampfmaschine abzulösen.
Diesel weiter gefragt
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten begann der Siegeszug des Motors. Ab 1903 liefen die ersten Schiffe mit Dieselmotor vom Stapel. Und fast jeder Autobauer hat heute mindestens einen Diesel im Programm. Professor Stefan Pischinger von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) sieht den Diesel in den nächsten Jahren weiter gefragt.
Besserer Wirkungsgrad
Der Vorteil gegenüber Ottomotoren liegt laut Pischinger im besseren Wirkungsgrad. "Der Vorteil kann bis zu 25 Prozent betragen. Darüber hinaus eignet sich der Diesel hervorragend zur Aufladung, die ihm auch zu einem attraktiven Drehmomentverlauf verhilft."
Downsizing beim Diesel
Doch der Diesel ist teurer. Gründe sind eine aufwendigere Konstruktion, das höhere Gewicht und die komplexere Abgasnachbehandlung. "Wie bei Ottomotoren wird auch das Downsizing, also der Übergang zu kleineren Hubräumen, beim Dieselmotor weitergehen, was zu höheren spezifischen Leistungen führt", so Pischinger.
Strengere Abgasnormen
Die Entwickler müssen auch auf die immer sparsameren Benziner-Modelle reagieren. Eine Herausforderung für die Branche sind vor allem strengere Abgasnormen: Ab September 2014 gilt die Euro-6-Norm für alle Neufahrzeuge, die eine Reduzierung der Stickoxidanteile (NOx) im Abgas auf 80 Milligramm pro Kilometer vorsieht. Das gilt auch für die Selbstzünder.
Entwickler tüfteln an Einspritzung
Die Konsequenz für die Entwickler: Es muss ein Kompromiss zwischen Downsizing, PS-Zahl und Emissionen gefunden werden, um diese strenge Abgasnorm zu stemmen. Da beim Downsizing so langsam die Grenze des faktisch Möglichen erreicht ist - weniger als ein oder zwei Zylinder gehen halt nicht, versucht man die Verbrauchsspirale mit einer Vielzahl von innermotorischen Maßnahmen umzukehren. In erster Linie bei der Einspritzung.
Comeback für Magnetventile
Und gerade bei der Injektion deutet sich ein grundlegender Paradigmenwechsel an. Mittlerweile feiern Magnetventile ein Comeback. Die Injektoren erreichen mittlerweile eine identische Einspitzschnelligkeit und -Präzision wie die Piezo-Variante, sind aber billiger in der Herstellung und womöglich auch haltbarer. Topmoderne Diesel spritzen den Treibstoff mit über 2000 bar ein.
Noch stärkere Einspritzdüsen
Die nächste Generation der Selbstzünder steht schon vor der Tür. Der Motorenchef des französischen Autobauers PSA Peugeot Citroën, Christian Chapelle, rechnet mit Einspritzdrücken, die an der 3000-bar-Grenze kratzen. Ein weiterer Ansatz sind die Einspritzzyklen. Mittlerweile ist es Standard, dass pro Verbrennungsvorgang mehrmals Kraftstoff eingespritzt wird.
Diese Zahl wird in Zukunft auch steigen. Sind es aktuell zwei bis drei Einspritzungen vor und nach der Hauptexplosion des Luft-Kraftstoff-Gemisches, soll in Zukunft die Anzahl der Prä- und Post-Injektionen auf vier bis fünf steigen. Aber selbst diese Grenze ist eine dynamische. Auf die Frage, wann das Ende der Entwicklung der Selbstzünder erreicht ist, hört man von den Verantwortlichen immer eine stereotype Antwort: "Gar nicht".
So schaffen die Motoren Euro 6
Neben der erhöhten PS-Zahl, helfen die ausgeklügelten Einspritzungsvorgänge auch beim Verringern der Abgase. Doch das alleine reicht nicht, um die geforderte EU-6-Norm zu erreichen. Beim prinzipiellen Ansatz, wie dieses Ziel zu erreichen ist, besteht in den Ingenieursabteilungen, der Automobil-Hersteller grundsätzlich Einigkeit: Eine Kombination aus Partikelfilter, Katalysator und einer gezielten Einspritzung aus dem Harnstoff "AdBlue", sorgen für niedrige Emissionswerte.
Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Während einige Hersteller auf DeNox-Speicherkatalysatoren setzen, verbauen andere einen SCR (Seletive Catalytic Reduction)-Kat, also eine gezielte katalytische Reduzierung. Dazu kommt eben die Harnstoffeinspritzung, die die Stickoxide in Stickstoff und Wasserdampf umwandelt.
Neues System von PSA Peugeot Citroën
Doch der nächste Schritt in der Abgasbehandlung steht kurz bevor: PSA Peugeot Citroën stellt die Anordnung der Abgasnachbehandlung bei dem Blue-HDI Abgasstrang, kurzerhand auf den Kopf. Bei dem neuen System ist der SCR-Katalysator nämlich vor und nicht nach dem Partikelfilter verbaut. Bisher war das sehr schwierig, weil der Partikelfilter so nicht heiß genug werden konnte.
Das Problem lösen die Franzosen mit einem weiteren Additiv. Damit braucht der Partikelfilter lediglich eine Betriebstemperatur von 450 bis 500 Grad, statt 600 Grad. Das hat zur Folge, dass der Filter effektiver arbeitet, auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten. Das System soll sehr robust sein und soll zu einer weiteren Reduktion der CO2-Emissionen um zwei bis vier Prozent führen.
Ingenieure arbeiten gegen die Reibung im Motorraum
Doch der zentrale Abgasstrang ist eine Sache, das Problem der Emissionen bei der Entstehung zu packen, eine andere. Am besten sind die Schadstoffe, die erst gar nicht generiert werden. Deswegen konzentrieren sich die Ingenieure auch auf innermotorische Entwicklungen, wie Beschichtungen, die die Reibung weiter reduzieren sollen.
Neue Werkstoffe
Dabei setzten die Entwickler auch auf exotische Werkstoffe, wie eine Beschichtung aus Diamant. Volkswagen verwendet bei seinen modernen Dieselmotoren der Baureihe EA288 Kolbenringe mit geringerer Vorspannung einer verbesserten Stegkühlung zwischen den Zylindern sowie den Einsatz von Wälzlagern für die Antriebs-Nockenwelle und die Ausgleichswellen. Viele der Zusatz-Aggregate sind mittlerweile elektronisch geregelt und entlasten somit den Motor.
Lkw mit dualem Antrieb
Auch die Lkw-Hersteller forschen intensiv am Dieselmotor. Ein Trend sind duale Motoren, die sowohl mit Diesel als auch mit Gas betrieben würden. "Das ist auf jeden Fall ein Zukunftsthema", sagte eine Sprecherin von MAN. Durch den Gasbetrieb könnten Emissionen gesenkt werden, zudem sei der Brennstoff Gas derzeit günstiger und biete eine größere Sicherheit bei den Ressourcen.
Diesel war "Eismaschinen-Ingenieur"
Auch in Zukunft bleibt der Diesel bei Nutz- und Privatfahrzeugen allgegenwärtig. Zu Lebzeiten Rudolf Diesels war diese Erfolgsgeschichte gar nicht vorhersehbar. Von vielen Experten wurde er sogar angefeindet. "Diesel selbst war kein Motorenfachmann, er war eigentlich Eismaschinen-Ingenieur", erklärt Diesel-Biograf Horst Köhler.