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Experte: "Tesla ist ein unprofitabler Nischenanbieter"


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Experte im Interview
"Tesla ist ein unprofitabler Nischenanbieter"

InterviewVon Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 25.08.2020Lesedauer: 7 Min.
Tesla Model 3: Nicht alle Experten halten den Hype um den US-Autobauer für gerechtfertigt.Vergrößern des Bildes
Tesla Model 3: Nicht alle Experten halten den Hype um den US-Autobauer für gerechtfertigt. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Tesla gilt vielen Beobachtern als die Zukunft des Autos. Die junge Marke habe viele – auch deutsche – Konkurrenten bereits abgehängt. Ein Experte sieht das anders. Im Interview nennt er seine Argumente.

Von der Politik hofiert, von Anlegern geliebt, von der Konkurrenz gefürchtet: Tesla weise dem Auto den Weg in die Zukunft, schwärmen die Fans der Marke. Im Blick auf die Amerikaner mischen sich häufig Staunen, Bewunderung und oftmals auch ein bisschen Neid.

Denn irgendwie scheint ihnen alles zu gelingen.

Zum Beispiel die neue Fabrik in Brandenburg. Schon im kommenden Jahr sollen dort die ersten Autos vom Band laufen, nach gerade einmal einem Jahr Bauzeit. Und wer mal am Rand der Baustelle stand, hat daran keinen Zweifel mehr. Man kann dem Werk – entgegen allen Widerständen – förmlich beim Wachsen zusehen. Jede Brückensanierung dauert in Deutschland länger als der Bau der Tesla-Fabrik.

Und selbst wenn Tesla eine Eigenartigkeit wie den Cybertruck vorstellt und alle erstmal lachen – schon kurz darauf gibt es hunderttausende Vorbestellungen. Die Leute sind eben verrückt nach Tesla.

Dann aber gibt es immer mal wieder Berichte darüber, dass die Qualität der Autos doch eher weniger glänzt als das Image der Marke. Oder ein Gericht stellt klar, Tesla verspreche mehr als seine Autos halten könnten.

Was also ist nun wirklich los bei Tesla? Ist das alles große Zauberei oder doch eher der kleine Taschenspielertrick? Und was ist mit dem berühmten Vorsprung vor den deutschen Herstellern? Das erklärt Auto-Insider Stefan Randak von der Managementberatung Atreus t-online.de.

t-online.de: Herr Randak, wer sich den Verlauf der Tesla-Aktie ansieht, muss beinahe zwangsläufig auf die Idee kommen, einzusteigen. Sie auch?

Stefan Randak: Tesla bringt es nach der Mitte März begonnenen Erholungs-Rallye auf einen Börsenwert von circa 135 Milliarden Euro. Das entspricht dem Börsenwert der Premium-Hersteller Volkswagen, BMW und Daimler zusammen (etwa 130 Milliarden Euro). Während die letztgenannten in den vergangenen Jahren – trotz Dieselgate und hoher Investitionssummen in neue Technologien – satte Gewinne einfuhren, schrieb Tesla in den letzten zehn Jahren nur rote Zahlen. Allein im Jahr 2019, einem der erfolgreichsten Jahre für die Automobilbauer, betrug der Verlust 862 Millionen Dollar. In den Jahren davor waren es 1,961 Milliarden Dollar (2017) und 976 Millionen Dollar (2018). Der bekannte Börsianer Jim Chanos bringt es auf den Punkt: Das Unternehmen poliere seine Ergebnisse durch Buchhaltungstricks auf, sei unprofitabel, stehe unter zunehmendem Konkurrenzdruck und die Tesla-Aktie sei extrem gehebelt.

Wie stehen die sogenannten klassischen Hersteller im Vergleich da?

Die klassischen Hersteller überzeugen seit Jahren mit soliden Zahlen und Dividenden. Sie investieren nachhaltig in diverse Antriebstechnologien, sind also kein reiner Mono-Anbieter wie Tesla, der nur auf Elektroantrieb setzt. Sie verfügen über eine – im Vergleich – höher qualifizierte Belegschaft, sind aber leider in alten Organisations- und Denkmustern verhaftet, die es noch nachhaltig aufzubrechen gilt.

Einer der Vorteile von Tesla ist, dass man dort diese Muster nie hatte. Unter anderem deshalb ist immer wieder vom berühmten Tesla-Vorsprung die Rede.

Die Vermarktungsmaschinerie um Elon Musk macht seit Jahren eine gute Arbeit. Das ist wichtig, um Investoren bei der Stange zu halten. Sein eigenes Vermögen reicht schon lange nicht mehr aus, um die Vielzahl von kreativen Ideen, u.a. die Eroberung des Weltraums zu finanzieren. So wird man auch bei Tesla nicht müde, den technologischen Vorsprung gegenüber anderen zu betonen. Und in der Tat gibt es diesen Vorsprung auch, aber eben nicht überall.

Dann gehen wir mal ins Detail. Wie ist der Vorsprung bei der Batteriefertigung?

Tesla forscht und baut seine Batterien in eigenen Fertigungsstätten, wie der Gigafactory Kalifornien, in Kooperation mit Panasonic. Der für September geplante "Battery Day" soll von Seiten Teslas weiter Auskunft geben über die Zukunft der Tesla-Batterie und deren Reichweiten, möglicherweise auch in Kooperation mit chinesischen Herstellern. Der Wettbewerb hat so gut wie keine eigenen Kapazitäten und hat sich daher in die Abhängigkeit zu anderen, meist auch asiatischen Anbietern gebracht. Vor dem Hintergrund wachsender politischer und wirtschaftlicher Spannungen ein gewagtes Spiel.

Wer ein Elektroauto fährt, hat die Auswahl aus rund 200 Stromanbietern. Und 300 verschiedenen Tarifen. Die Folge: Jeder Fahrer eines Elektroautos nutzt im Schnitt fünf Ladekarten und sechs Apps, um den Akku seines Wagens laden zu können. Ein Problem, das Tesla-Fahrern unbekannt sein dürfte.

Tesla glänzt durch ein praktikables Ladenetzsystem. In Europa umfasst es circa 584 Supercharger-Stationen. Und mit dem serienmäßigen CCS kann man nicht nur bei Tesla-Supercharger, sondern auch bei allen anderen Ladestationen auftanken. Die anderen Hersteller dürfen hiervon noch träumen. Gemeinschaftsunternehmen wie IONITY, bestehend aus BMW, Ford, Daimler, Volkswagen, Hyundai, sind zwar auf dem Sprung zur gemeinsamen Ladeplattform, aber mit bis dato wenig nachhaltigem Erfolg. Derzeit stehen in Europa 245 Stationen zur Verfügung und weitere 155 sind geplant.

Beim Autokauf schauen die Kunden heute mehr auf die Software und weniger zum Beispiel auf das Design. Auch das hat Tesla früher erkannt als andere.

Klassische Anbieter müssen ihre Software-Updates immer noch in den Werkstätten ihres Vertriebsnetzes aufwendig organisieren. Das ist umständlich und teuer obendrein. Tesla ist da schon bedeutend weiter. Wer ein Fahrzeug der Kalifornier fährt, wird über die Cloud bedient. Sprich: Software-Updates werden vom Kunden vorgenommen, betreffen nicht nur das Infotainment, sondern auch andere Komponenten wie Autopilot, Bremsleistung und Beschleunigung. Sie werden nach Kundenwunsch automatisch auf das Fahrzeug übertragen. Der Entwicklungsvorsprung der Kalifornier könnte bei mindestens zwei Jahren liegen.

Einen großen Vorsprung hat Tesla auch in einem anderen Bereich: der Reichweite seiner Autos.

Tesla ist Spitzenreiter, was die Reichweite seiner Fahrzeuge betrifft. Eine Analyse des Unternehmens NewMotion zeigt bis dato vernichtende Resultate für die Konkurrenz. Während Tesla Model S (593 km), Model 3 (560 km) und Model X (507 km) die ersten drei Plätze belegen, kommt der "Erfinder des Automobils" Daimler mit seinem ersten Elektro-SUV EQC (355 km) nicht über einen bescheidenen Platz acht hinaus und muss sein Fahrzeug derzeit massiv vermarkten, um überhaupt auf Stückzahlen zu kommen. Audi ist mit Platz fünf und 420 km bestplatzierter Deutscher.

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Trotzdem sind nicht alle Kunden glücklich mit ihrem Tesla. Viele berichten von Qualitätsmängeln. Wie fällt Ihr Urteil aus?

Tesla baut die fehleranfälligsten Autos. Die jährlich erscheinende Qualitätsstudie des Beratungsunternehmens J.D. Power stellt dem Autobauer eine denkbar schlechte Note aus. Als größte Probleme werden genau die Punkte genannt, in denen Tesla seine Marktführerschaft teils pressewirksam beschwört: Spracherkennung, Android Auto- und Apple CarPlay-Konnektivität, Touchscreens, integrierte Navigationssysteme sowie Bluetooth-Konnektivität. Und NewMotion (Shell Recharge) weist in seiner Studie für die Tesla Model S, Model 3 und Model X noch weitere Mängel auf: Verarbeitungsqualität, überoptimistischer bzw. enttäuschender Autopilot, volle Leistung steht nur kurz zur Verfügung, empfindliche Flügeltüren, träges Handling und sehr hoher Stromverbrauch. Die europäischen Hersteller dagegen glänzen in der Regel immer noch mit ihrer Verarbeitungsqualität. Die übrigen Themen wie Autopilot, Infotainment, Spracherkennung oder Navigation befinden sich bei ihnen zwar auf dem Niveau des derzeit technisch machbaren, aber leider auch nicht immer auf dem Level der Kundenerwartung.

Das technisch Machbare scheint manchmal weniger, als Tesla in der Werbung verspricht. Zum Beispiel beim autonomen Fahren.

Die deutsche Wettbewerbszentrale hat Tesla wegen irreführender Werbung verklagt. Der Hersteller erwecke den Eindruck, seine Fahrzeuge könnten bereits autonom fahren. Es handle sich vielmehr um Fahrassistenzsysteme, die von einem rein autonomen Fahren noch weit entfernt liegen. Tatsache ist jedoch, dass in den USA mehr erlaubt ist als hierzulande. Insofern darf ein Tesla in Deutschland nicht das, was er in den USA bereits dürfte. Noch sorgt der Tesla-Autopilot für keinen komplett autonomen Betrieb des Fahrzeugs. Streng genommen befinden sich wohl alle Premiumanbieter auf Level 4 der autonomen Fahrstufen, also vollautomatisiertes Fahren technisch in Serienfahrzeugen abzubilden: Der Fahrer nimmt die Hände streckenweise weg vom Lenkrad. Allein der rechtliche Rahmen ist hierfür noch nicht überall ausgereift. Stufe 5, also das autonome Fahren ohne Fahrer, befindet sich bei allen Akteuren nach wie vor in der Testphase und das ist auch gut so.

Qualitätsprobleme oder etwas vollmundige Werbung lassen sich recht einfach in den Griff bekommen, versäumte Entwicklungen weniger. Ist Tesla also uneinholbar davongezogen, wie man oft hört?

Tesla ist kein "automobiler Gott", sondern ein noch nicht profitabler Nischenanbieter. Was die Konkurrenten von Tesla vereint, ist überwiegende Profitabilität. In unruhigen Zeiten wie diesen ein nicht geringes Pfund. Allzu schnelle Abstürze an der Börse gibt es immer wieder, siehe Wirecard. Wichtig ist auch die vorteilhafte Tatsache, dass sie neben der Elektromobilität noch die klassisch optimierten und derzeit gewinnbringenden Antriebe sowie das zusätzliche Thema Wasserstoff mit im Gepäck haben und sich somit auch in Zukunft bei Antrieben breiter aufstellen als der Mono-Anbieter aus Kalifornien. Alle Experten sind sich doch einig: Elektromobilität wird nur ein Teil der zukünftigen Antriebstechnologie bleiben. Viele von ihnen haben darüber hinaus ein breiteres Produktportfolio, vom Pkw bis hin zu Nutzfahrzeugen und Bussen. Freilich will auch Tesla hier mithalten, aber das ist nicht so einfach.

Worauf wird es in Zukunft für die klassischen Hersteller ankommen?

Eines ist doch klar: Fahrzeuge werden in Zukunft nicht mehr nach ihrer Länge und ihrem Blechkleid beurteilt werden. Komfort, Connectivity und Betriebssystem, Umweltfreundlichkeit und Reichweite sind die Messgrößen. Das hat man bei Tesla bis dato besser verstanden als anderswo. Wer im Kreis der Auserwählten verbleiben möchte, muss die Lücken gegenüber der Konkurrenz eben noch möglichst schnell schließen. Verlierer gibt es final noch keine.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Randak.

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