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Auto-Experte analysiert: "Bei BMW besteht dringender Handlungsbedarf"


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Experte analysiert die Baustellen
"Bei BMW besteht dringender Handlungsbedarf"

InterviewVon Markus Abrahamczyk

18.07.2019Lesedauer: 4 Min.
BMW-Zentrale in München: Der Konzern steht vor großen Umbrüchen.Vergrößern des Bildes
BMW-Zentrale in München: Der Konzern steht vor großen Umbrüchen. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Machtwechsel bei BMW: Der Autobauer kürt eine neue Führungsspitze. Kenntnisse in Erster Hilfe scheinen dringend nötig. Denn ein Experte sagt: Der Konzern ist in schlechter Verfassung.

Vor zwei Wochen hat BMW-Chef Harald Krüger das Handtuch geworfen. Spätestens im kommenden April wird er abtreten. Kritiker warfen Krüger vor, dass unter ihm der BMW-Vorsprung in der Oberklasse und in der Elektromobilität verloren ging.

Krügers größte Fehler und die drängendsten Baustellen seines Nachfolgers: Wo BMW überall dringenden Handlungsbedarf hat, erklärte Auto-Insider Stefan Randak von der Managementberatung Atreus t-online.de.

t-online.de: Woran ist Harald Krüger bei BMW wirklich gescheitert?

Stefan Randak: Der Abschied von Harald Krüger kommt für mich wenig überraschend. Die Zweifel an ihm sind in den vergangenen Wochen und Monaten gewachsen. Unter seiner Ägide wurde das Budget für E-Mobilität gekürzt und wichtige Führungskräfte aus diesem Bereich verließen den Konzern. Hinzu kommt, dass die Zeit der Premiumführerschaft vorbei ist und der Sprung in die Digitalisierung noch immer aussteht.

Harald Krüger trat die Nachfolge von Norbert Reithofer an, der BMW neun Jahre lang erfolgreich führte. War diese Aufgabe für Krüger zu groß?

Norbert Reithofer hat den Konzern neu ausgerichtet und sich große Verdienste erworben. Während die Wettbewerber Daimler und Audi schwächelten, fuhr er mit BMW Milliardengewinne ein. Ein Verkaufsrekord folgte dem nächsten. Er hat ohne Zweifel große Fußstapfen hinterlassen, aber den richtigen Zeitpunkt für den Generationenwechsel erkannt – das schafft bekanntlich nicht jeder. Die Bremse hat trotzdem nicht Reithofer gezogen, sondern Krüger.

Nun ist Reithofer der Chefaufseher bei BMW. Das hat Krüger die Arbeit nicht unbedingt erleichtert, heißt es.

Als Aufsichtsratsvorsitzender macht Reithofer allerdings eine unglücklichere Figur. War er es noch, der die elektrischen i-Fahrzeuge auf den Weg brachte, bog sein Nachfolger in Sachen E-Mobilität falsch ab und BMW verlor den Anschluss. Als es darauf ankam, schaute Reithofer – wie der gesamte Aufsichtsrat – nur zu. Dabei wusste er die Familie Quandt immer hinter sich. Noch heute gilt sein Verhältnis zu den BMW-Großaktionären als exzellent. Und auch deshalb wird es er sein, der im US-Werk in Spartanburg den neuen Vorstandschef kürt.

Stefan Randak leitet den Bereich Automotive bei der Münchener Managementberatung Atreus. Er arbeitete unter anderem als General Manager für die Daimler AG und für weitere internationale Unternehmen der Autoindustrie. Zu seinen Fachgebieten zählen unter anderem Konnektivität und alternative Antriebe.

Dieser neue Chef bekommt einiges zu tun. Welche Probleme bei BMW sind die dringendsten?

Der neue Konzernlenker hat schwere Aufgaben vor der Brust. Eine der größten ist der Kulturwandel im eigenen Haus. BMW-Ingenieure sind traditionell sehr motorenaffin geprägt – deutlich mehr als es in anderen Unternehmen der Fall ist. Für einen Konzern, der sich für die Zukunft das Thema "Alternative Antriebe" auf die Fahne schreiben und bis 2023 mit etwa 25 elektrifizierten Modellen auf die Straße möchte, ist das natürlich hinderlich. Passend dazu auch die durchaus seltsame Aussage von Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, dass es in Europa keinen Markt für reine Elektroautos gebe. Das klingt nicht nach innerer Überzeugung, sondern eher nach lästiger Pflicht. Dabei besteht bei BMW dringender Handlungsbedarf.

E-Mobilität verschlafen, im Premium-Segment abgehängt: Steuert BMW in eine ernste Krise?

Im Prinzip standen BMW im Jahr 2015 alle Tore offen. Als einer der wenigen Automobilkonzerne erkannte man früh das Potential der Elektromobilität und war der Konkurrenz entscheidend voraus. Doch dann wurden mit dem Wechsel an der Spitze Entwicklungsmilliarden gespart, der Rotstift im Bereich der E-Mobilität angesetzt und dafür die Marge erhöht. Zudem verließen zentrale Know-how-Träger das Unternehmen, die das Thema Future Mobility mit Leben füllten. Dass der Aufsichtsrat diese strategischen Maßnahmen billigte, kann man im Nachhinein durchaus als Fehler bezeichnen. Heute geben andere den Ton an: Allen voran natürlich Tesla, aber auch Audi und Daimler treiben die E-Offensive voran und erweitern die Roadmap. BMW wird frühestens 2022 folgen – womöglich zu spät, um bei der Konkurrenz für Aufsehen zu sorgen.

Wie könnte BMW das dennoch schaffen?

BMW muss zwingend die Digitalisierung in allen Bereichen vorantreiben. Es zählt nicht mehr das sportlichste Design oder der stärkste Motor, sondern die Entwicklung vom klassischen Hersteller zum digitalen Mobilitätsanbieter. Das bedeutet, dass es mehr denn je darauf ankommen wird, auf den Feldern umweltbewussterer Antrieb, Car Connectivity, Data Security oder autonomes Fahren zu punkten. Dabei wird auch BMW nicht umhinkommen sich nach Partnern umzuschauen und sich gemeinsam aufzustellen, um im Wettbewerb mit den Technologieriesen aus China mithalten zu können.


Wer künftig an der BMW-Spitze steht, ist noch unklar. Gute Aussichten hat Produktionsvorstand Oliver Zipse. Was ist von ihm zu erwarten?

Oliver Zipse hat eine klassische BMW-Karriere hingelegt. Der Produktionsvorstand gilt im Konzern ohnehin als Vorbote für den Vorstandsposten. Auch Reithofer und Krüger hatten vor ihrer Tätigkeit als CEO diesen Posten inne. Zipse wird von vielen Branchenkennern als ruhig und diplomatisch beschrieben. Ein Manager alter Schule, der als entscheidungs- und durchsetzungsstark gilt. Ob er die Mitarbeiter in Zeiten des Mobilitätswandels mitnehmen und das verlorengegangene Vertrauen wiederherstellen kann, wird sich zeigen. Eine Lösung, die sich durch Experimentierfreude und etwas Hang zum Risiko auszeichnet, sieht aber anders aus.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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