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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Autogipfel bei Merkel Die Betrüger am Tisch der Kanzlerin
Die Kanzlerin lud zum Autogipfel. Danach hatten die Beteiligten wieder Mut und Zuversicht. Nicht nur das ist erstaunlich an diesem Abend im Kanzleramt.
Bundeskanzlerin Merkel bat am Montagabend zum Autogipfel. Es war eine illustre Runde, mit der sich die Bundesregierung zum informellen Austausch zusammenfand. Und obwohl man keine einzige Aufgabe gelöst hat, ist danach offenbar alles anders, sogar besser: Das Treffen habe "Mut gemacht", twittert Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) prompt, dass die "einzigartige Erfolgsgeschichte" der deutschen Autobauer weitergehe.
Woher Braun diesen neuen Mut nimmt, wird allerdings nicht ganz klar. Denn alle Hürden für das E-Auto, für den Standort Deutschland und für saubere Luft hängen nach dem Treffen genauso hoch wie davor. Heraus kam nämlich nichts, aber das stand im Grunde schon vorher fest. Genau das ist das Fatale an diesen Gipfeln: Man erreicht nichts – aber wenigstens fühlt man sich besser.
Die lange Liste der Probleme
Sicher, es gab viel zu bereden bei diesem informellen Austausch. Die Auto-Absätze brechen weltweit ein. E-Mobilität und autonomes Fahren benötigen die erforderliche Infrastruktur, hohe Investitionen und kluge Köpfe. Die Arbeiter, die den Konzernen über viele Jahre hohe Milliardengewinne erschufteten, wollen auch in Zukunft ihre Jobs behalten. Und dann ist da noch das Klima – es steht kurz vorm Kollaps.
Über all das wurde gesprochen beim Autogipfel im Kanzleramt – dagegen lässt sich kaum etwas einwenden.
Verbraucher- und Umweltschützer bleiben draußen
Das halbe Bundeskabinett war da (u.a. Verkehrsminister Andreas Scheuer, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Finanzminister Olaf Scholz), außerdem die Chefs von Volkswagen, Daimler und BMW und ihr Ober-Lobbyist, VDA-Chef Bernhard Mattes. Für Verbraucher- und Umweltschützer war am Tisch kein Platz mehr.
Dagegen allerdings ließe sich durchaus etwas einwenden!
Umweltschutz verhindert, millionenfach betrogen
Denn Klimaschutz war den Autokonzernen bisher herzlich egal. Seit Jahren tut die Branche ihr Bestes, um strengere Gesetze zu verhindern. Da erpresst man schon mal hohe Schadstoffgrenzwerte und droht mit Massenentlassungen. Oder man bricht komplett frei von Skrupeln die bestehenden Gesetze. Unter anderem deshalb blieb vielen deutschen Gerichten nichts anderes übrig, als ältere Dieselautos aus den Innenstädten zu verbannen.
Schon deshalb haben es viele Millionen Autofahrer noch längst nicht vergessen: Jahrelang haben die Konzerne, die diese hochbezahlten Top-Manager führen, ihre Kunden belogen und betrogen. Und damit auch die Politiker, mit denen sie gestern am Tisch saßen.
Dieser einzigartige Skandal wird noch lange die Gerichte beschäftigen und noch manchen hinter Gitter bringen. Der Dieselskandal mag der größte unserer Vorzeige-Industrie sein – der einzige ist er bei Weitem nicht. In einem Kartellverfahren beispielsweise wirft die EU einigen Autoherstellern illegale Absprachen zu Technologien der Abgasreinigung vor. Damit verhinderten sie, dass ihre Kunden sauberere Autos kaufen konnten. Diese Hersteller heißen: BMW, Daimler und VW – die Gästeliste des gestrigen Autogipfels.
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Dabei ist es grundsätzlich natürlich richtig von der Kanzlerin, sich die führenden Köpfe von Deutschlands größten Konzernen ins Haus zu bestellen. Aber dann sollten endlich mal klare Ansagen kommen statt nebulösem Austausch! Und die vielen wichtigen Aufgaben sollte ihr Verkehrsminister nicht nur beim Autogipfel angehen – anstatt sich für Peinlichkeiten wie E-Scooter und Motorrad-Erlaubnis für Autofahrer zu feiern.
Nur dann hat Kanzleramtschef Braun tatsächlich Grund zu frischem Mut.
In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, die EU werfe BMW, Daimler und VW illegale Preisabsprachen vor. Sie wirft diesen Herstellern jedoch Absprachen vor, die verhindern, dass ihre Kunden sauberere Autos kaufen, obwohl deren Herstellung technisch möglich wäre. Dies wurde korrigiert.